Die Entscheidung der Regierung, die Treibstoffsubventionen in Syrien aufzuheben, ist nicht nur eine Zerreißprobe für die Wirtschaft, sondern führt auch zu Unmut in der Bevölkerung.
In den vergangenen Monaten erlebte das syrische Regime angesichts der Bemühungen der arabischen Länder um die Wiederherstellung der Beziehungen zu Damaskus und der Rückkehr des Landes in die Arabische Liga positive politische Entwicklungen. Diese guten Momente verblassten jedoch schnell, nachdem schwierige wirtschaftliche Entscheidungen getroffen worden waren, darunter die Aufhebung der Treibstoffsubventionen, die zu täglichen Protesten in verschiedenen Städten führten, darunter auch in Gebieten, die sich an der syrischen Revolution von 2011 nicht beteiligt hatten.
Am 16. August kündigte die syrische Regierung zeitgleich mit der Aufhebung der Treibstoffsubventionen eine hundertprozentige Gehaltserhöhung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes an. Die Kraftstoffpreise stiegen in Folge um fast 200 Prozent und trieben auch die Lebensmittelpreise in die Höhe. Die Entscheidung, die Treibstoffsubventionen aufzuheben, wurde denn auch als Zerreißprobe für die Wirtschaft des Landes bezeichnet, die durch den seit 2011 tobenden Bürgerkrieg ohnehin erschöpft ist.
Die syrische Regierung rechtfertigte die Entscheidung als Versuch, die Wirtschaft zu stützen, zumal der Wechselkurs des Dollars 15.000 syrische Pfund erreichte. Zu Beginn des Bürgerkriegs entsprach der Dollar noch 47 syrischen Pfund.
Nach der Entscheidung, die Treibstoffsubventionen aufzuheben, kam es in mehreren unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehenden Städten zu Demonstrationen. Dabei gingen die Syrer in mehreren Gouvernements auf die Straßen, um gegen die missliche Lage zu protestieren, angefangen von den Städten Daraa und Homs bis hin zu Aleppo und Suwayda im Süden.
Ein wichtiges Zentrum der aktuellen Protestwelle ist Suwayda, eine Stadt mit drusischer Bevölkerungsmehrheit (einer religiösen Minderheit), wo die Proteste besser organisiert sind als in anderen syrischen Städten und seit den wirtschaftlichen Entscheidungen, welche die Lebensbedingungen der unter den Folgen des Bürgerkriegs leidenden Syrer stark verschlechtert haben, täglich stattfinden. Darüber hinaus wird sowohl in Suwayda als auch in anderen Städten der Rücktritt von Bashar al-Assad gefordert.
Regime immer anfälliger
Der syrische Experte Maher Sharaf al-Din kommentierte die Beteiligung Suwaydas an der aktuellen Protestwelle mit der Feststellung, die Besonderheit der dortigen Demonstrationen sei auf historische und religiöse Gründe zurückzuführen. »Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass Suwayda eine Hochburg der drusischen Konfession ist, was bedeutet, dass die Proteste dieses Mal Proteste von Minderheiten und nicht Proteste der sunnitischen Mehrheit sind. Dies unterminiert die Selbstdarstellung des Regimes, das behauptet, es schütze Minderheiten.«
Sharaf al-Din schloss eine militärische Lösung seitens des Regimes in Suwayda aus. Dies würde die Regierung nicht wagen, weil das erste Opfer eines militärischen Einsatzes das Narrativ des Regimes wäre, der Garant für den Schutz der Minderheiten zu sein.
Die Auswirkungen der Proteste gehen allerdings weit über die Region Suwayda und den Zorn der drusischen Minderheit hinaus, da auch in anderen Städten fast täglich Demonstrationen stattfinden, was eine neue Bedrohung für das Regime darstellt. Der Wirtschaftsanalytiker Jihad al-Yaziji meinte diesbezüglich, Damaskus sei »nicht in der Lage, Lösungen zu bieten, da es keine wirtschaftliche Pläne oder Projekte hat, welche die Wirtschaft wieder ankurbeln könnten«.
Die Kosten für die Unterdrückung der Proteste seien hoch und würden das Regime noch anfälliger machen, so al-Yaziji. »Die derzeitige Priorität der Regierung besteht darin, die Demonstrationen auf die Gebiete Suwayda und Daraa zu beschränken, da es sich dabei um Randgebiete und nicht um das Zentrum handelt, und in den Küstenregionen, in Damaskus und im Zentrum eine Politik der Einschüchterung durch Verhaftungen und das Verstummen der Stimmen der Opposition zu betreiben.«
Der Autor Mahmoud Alloush sagte hingegen, »die wachsende Unzufriedenheit aufgrund der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage untergräbt ständig die Fähigkeit Bashar al-Assads, seine Kontrolle über Syrien zu festigen«. Er warnte vor einer neuen gesellschaftlichen Eskalation »angesichts des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, der Tatsache, dass neunzig Prozent der Syrer unterhalb der Armutsgrenze leben, und der Wut der Minderheiten auf die Regierung«.
Die aktuellen Demonstrationen verschlimmern die Malaise des Regimes von Bashar al-Assad und spiegeln die wachsende Wut gegen die Regierung auch in Gebieten wider, die an der Revolution von 2011 oder dem daraus resultierenden Bürgerkrieg nicht beteiligt waren, was eine neue Explosion der Lage ankündigt und die Zukunft des Regimes gefährdet.