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Hilfe für Syrien – Hilfe für Assad?

Der Syrische Rote Halbmond ist de facto eine staatliche Organisation des Assad-Regimes
Der Syrische Rote Halbmond ist de facto eine staatliche Organisation des Assad-Regimes (© Imago Images / ITAR-TASS)

Laut diverser Berichte soll Geld, das an die Hilfsorganisation Syrischer Roter Halbmond gespendet wird, entweder in die Taschen des Regimes fließen oder als Waffe gegen unliebsame Bevölkerungsteile eingesetzt werden.

Die verheerenden Erdbeben haben nicht nur die Türkei getroffen, sondern auch Nordsyrien – und dort sowohl Gebiete, die vom Regime kontrolliert werden, solche, die unter der Kontrolle der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) stehen und solche, in denen wie in Idlib syrische Oppositionsgruppen und die Türkei das Sagen haben.

Seit Jahren ist bekannt, dass Hilfsgelder, vor allem jene der Vereinten Nationen, nicht nur eine wichtige Einnahmequelle des syrischen Regimes darstellen, sondern gemeinsam mit der Drogenproduktion und dem -handel de facto sein Überleben sichern. Dafür werden Gelder systematisch abgezweigt und der notleidenden Bevölkerung vorenthalten.

»Einer der Hauptgründe dafür, dass so viele Menschen weiterhin in Not sind, ist die systematische Kooptation und korrupte Umleitung internationaler Hilfe durch das Assad-Regime. Das Regime hat verlangt, dass ausländische Geber mit einer der beiden lokalen syrischen Organisationen – dem Syrischen Arabischen Roten Halbmond (SARC) und dem Syria Trust for Development (gegründet und geleitet von Präsident Assads Frau) – zusammenarbeiten. Diese regierungsnahen Organisationen können dann Hilfsgelder außerhalb der Sichtweite‹ der internationalen Organisationen, die diese Gelder geschickt haben, ausliefern und so verhindern, dass die Helfer sicherstellen können, dass die Hilfe entsprechend dem Bedarf verteilt wird.

Die Regierung schreibt außerdem vor, dass alle internationalen Organisationen in Damaskus einheimisches, vom Regime handverlesenes Personal beschäftigen, das die gesamte Programmplanung überwacht und auswählt, welche Begünstigten die Hilfe erhalten.«

Internationale Hilfe muss also über etwa den Syrischen Roten Halbmond (SARC) abgewickelt werden, der de facto eine staatliche Agentur ist und entsprechend agiert, wie einige in den vergangenen Jahren veröffentlichte Studien festhielten, die schockierende Einzelheiten zutage brachten. So stellte das Syria Justice and Accountably Center(SJAC) dar, wie eng der SARC vor allem nach Ausbruch der Proteste im Jahr 2011 an die Leine des Regimes gelegt wurde und wie humanitäre Hilfe gezielt zur Bestrafung illoyaler bzw. Belohnung loyaler Syrer eingesetzt wurde.

»Aus dem SJAC vorliegenden Vermerken der syrischen Regierung geht hervor, dass die Nachrichtendienste ihre Zweigstellen ausdrücklich angewiesen haben, in enger Abstimmung mit dem SARC zu arbeiten, um ›die Verteilung medizinischer Hilfe in diesen [von der Opposition kontrollierten] Gebieten zu regeln und die Arten von Hilfe auszuwählen, die zugelassen werden‹.«

Noch verheerender fällt eine Untersuchung der Syrian Association for Citizen’s Dignity (SACD) aus:

»Die Einmischung des Regimes reicht von der direkten Einflussnahme auf die Verteilung der Hilfe, indem entschieden wird, wer die Begünstigten verschiedener Projekte sind (und wer nicht), über die Ernennung von dem Regime nahestehenden Personen in entscheidende und einflussreiche Positionen in diesen Organisationen, um deren Arbeit zu kontrollieren und zu überwachen, bis hin zur direkten Zuweisung von Hilfsgeldern an das Militär und die Milizen des Regimes, manchmal in größerem Umfang als jenem, der die eigentlich vorgesehenen Begünstigten erreicht. 

Die Akzeptanz einer solchen Einmischung zieht sich durch alle Hilfsorganisationen, sowohl die internationalen als auch die syrischen, sodass gesagt werden muss, dass inzwischen eine gefährliche Symbiose zwischen diesen Organisationen und den Institutionen des Regimes besteht. Letztendlich gibt es zahlreiche Belege dafür, dass das syrische Regime selbst an der Gründung vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen beteiligt ist, die später in politischen Verhandlungen als Vertreter der ›unabhängigen‹ Zivilgesellschaft auftreten.«

Umverteilungen ans Militär

Auch soll ein Großteil der Hilfe direkt an Militär und Milizen fließen. Die Umleitung von Hilfsgütern an das Militär in den vom Regime kontrollierten Gebieten sei »aufgrund der Sicherheitspolitik des Regimes und seiner starken Einmischung in und Durchdringung von humanitären Organisationen und Hilfsorganisationen zu einer systematischen Praxis geworden«.

57 Prozent der von SADC befragten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen gaben an, solche Umverteilungen bezeugen zu können. So sei bis zu einem Viertel der gesamten von ihrer jeweiligen Organisation geleisteten Hilfe an die Streitkräfte und deren Familien sowie an verbündete Milizen weitergeleitet worden. 28 Prozent der Befragten bestätigten, dass sogar »26 bis 50 Prozent der von ihrer Organisation geleisteten Hilfe an das Militär geht«.

Noch immer ist der Syrische Rote Halbmond Teil der internationalen Rotkreuz und Halbmond- Organisation, über die bzw. über andere staatlich kontrollierte Organisationen die Hilfslieferungen in Syrien abgewickelt werden müssen. Dies sollte zumindest im Hinterkopf haben, wer dieser Tage überlegt, Spenden an die mit Damaskus liierte Organisation zu tätigen.

Der Artikel erschein zuerst bei Jungleblog.

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