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Ist ein Frieden zwischen Israel und dem Sudan in Reichweite?

Israels Außenminister Eli Cohen trifft am 2. Februar in Khartum auf den Führer der sudanesischen Übergangsregierung, General Abdel-Fattah al-Burhan
Israels Außenminister Eli Cohen trifft am 2. Februar in Khartum auf den Führer der sudanesischen Übergangsregierung, General Abdel-Fattah al-Burhan (Quelle: JNS)

Nach Ansicht des israelischen Außenministers Eli Cohen ist eine neue Realität in Sicht, in der die »drei Neins« von Khartum zu den »drei Jas« werden könnten.

Andrew Jose

Der israelische Außenminister Eli Cohen traf Anfang Februar mit General Abdel Fattah al-Burhan, dem Vorsitzenden des sudanesischen Übergangsrates für Souveränität, zusammen, was das israelische Außenministerium als einen »historischen diplomatischen Besuch« in Khartum bezeichnete. Die Parteien stellten den Text eines Normalisierungsabkommens fertig, das der Sudan mit Israel in Washington unterzeichnen wird, sobald die sudanesische Regierung den erwarteten Übergang von der Militär- zur Zivilregierung abgeschlossen hat.

Das am Donnerstag, den 2. Februar fertiggestellte Dokument knüpft an ein Abkommen vom Oktober 2020 an, in dem sich der Sudan zur Normalisierung der Beziehungen zu Israel bereit erklärt hat, vorausgesetzt, die Vereinigten Staaten streichen das afrikanische Land im Gegenzug von der Liste der staatlichen Förderer des Terrorismus des Außenministeriums.

Im Januar 2021 gab Khartum bekannt, dass sein damaliger Justizminister Nasredreen Abdulbari das Abraham-Abkommen während eines Besuchs des damaligen US-Finanzministers Steven Mnuchin unterzeichnet hatte. Im Gegensatz zu den anderen Unterzeichnern des Abraham-Abkommens hatte der Sudan zuvor im israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 und im Sechstagekrieg von 1967 gegen Israel gekämpft. Im Jom-Kippur-Krieg 1973 unterstützte Marokko jedoch die arabische Koalition, indem es ein Expeditionskorps von 5.500 Mann auf den Golan und den Sinai entsandte.

Die sudanesische Hauptstadt war auch Gastgeber der Khartum-Konferenz der Arabischen Liga im Jahr 1968, auf der die Mitglieder der Organisation die Khartum-Resolution verabschiedeten, in der sie sich auf die »Drei Neins« einigten: kein Frieden mit Israel, keine Anerkennung Israels und keine Verhandlungen mit Israel.

Das US-Außenministerium stufte den Sudan 1993 als staatlichen Terrorfinanzier ein, weil er die terroristischen Organisationen Abu Nidal Organization, Palestinian Islamic Jihad, Hamas und Hisbollah – alles Organisationen, die Israel angreifen – sowie Al-Qaida unterstützt. Die Regierung hob diese Einstufung jedoch im Dezember 2020 auf, nachdem der Sudan ein vorläufiges Normalisierungsabkommen mit Israel geschlossen und 335 Millionen Dollar Entschädigung an die Opfer des Anschlags auf die USS Cole im Jahr 2000 und der Bombenanschläge auf die ostafrikanische Botschaft in Kenia und Tansania 1998 gezahlt hatte.

Mit der Unterzeichnung der Anfang Feburar abgeschlossenen Vereinbarung wird der Sudan nach Angaben des israelischen Außenministeriums voraussichtlich das sechste arabische Land sein, das ein Friedensabkommen mit Israel unterzeichnet, nach Ägypten, Jordanien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Marokko.

Großes Hindernis

Ein Haupthindernis für die Umsetzung sei aber das Fehlen einer Zivilregierung im Sudan, sagte Nimrod Goren, Senior Fellow für israelische Angelegenheiten am Nahost-Institut in Washington: »Solange es keine zivile Regierung gibt, wäre der Abschluss eines solchen Abkommens mit Israel unmöglich.« Obwohl die USA dem Treffen zwischen Cohen und al-Burhan am Donnerstag zugestimmt haben, rückt Washington nicht davon ab zu betonen, wie wichtig der Übergang zu einer Zivilregierung ist, so Goren gegenüber Jewish News Syndicate.

Im Oktober 2021, ein Jahr nachdem der Sudan der Normalisierung der Beziehungen zu Israel zugestimmt hatte, übernahm das Militär unter der Führung von al-Burhan die Macht von der Übergangsregierung unter dem damaligen Premierminister Abdalla Hamdok. Die Vereinigten Staaten und die Europäische Union verurteilten diesen Putsch.

Vor dem Staatsstreich war die militärische Fraktion der sudanesischen Übergangsregierung unter der Führung von al-Burhan »bereit, sich auf eine Normalisierung mit Israel zuzubewegen«. Im Gegensatz dazu zögerte die zivile Fraktion, obwohl sie nicht bereit war, die Normalisierung vollständig rückgängig zu machen, weil sie befürchtete, dies könnte die Beziehungen zu den USA beeinträchtigen, sagte der ehemalige israelische Diplomat Joshua Krasna, leitender Mitarbeiter des Nahostprogramms des Foreign Policy Research Institute.

Obwohl die Entstehung der Militärregierung nach dem Staatsstreich bedeutete, dass diejenigen an der Macht waren, die eine Normalisierung unterstützen – »theoretisch« eine Gelegenheit für Israel, die Normalisierung zu beschleunigen –, hat die Position der USA, der Staatsstreich sei »illegitim« gewesen, Israel bisher davon abgehalten, substanzielle Schritte in diese Richtung zu unternehmen, und zwar aus Sorge heraus, dies könnte als »Legitimierung« einer international nicht anerkannten Militärregierung erscheinen, so Krasna gegenüber Jewish News Syndicate.

Nichtsdestotrotz wurde die Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern fortgesetzt, mit Berichten über geheime Treffen von israelischen Diplomaten mit Militärs und al-Burhan, der behauptete, der Informationsaustausch mit Israelhabe zur Festnahme von Terroristen geführt.

Die »Drei Ja«

Nach seinem Treffen mit al-Burhan am Donnerstag sagte Cohen, die Fertigstellung des Textes des künftigen Normalisierungsabkommens markiere den »Aufbau« einer »neuen Realität« mit dem Sudan, in der die “»Drei Nein« zu den »Drei Ja« werden: Ja zu Verhandlungen zwischen Israel und dem Sudan, Ja zur Anerkennung Israels und Ja zum Frieden zwischen den Staaten und zwischen den Völkern.

Das Treffen zwischen Cohen und al-Burhan, auch wenn es sich um eine öffentlichkeitswirksame Zusammenkunft zwischen hochrangigen Beamten handelte, ist kein Wendepunkt, der eine breite regionale Abkehr von der arabischen Friedensinitiative von 2002 ankündigt, die eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel von einem israelischen Rückzug auf die Linien vor 1967 und der Gründung eines palästinensischen Staates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt abhängig machen würde, so Goren.

»Der Sudan hat bereits vor zwei Jahren Schritte zur Normalisierung der Beziehungen zu Israel unternommen, ist dabei aber auf mehrere Hindernisse gestoßen. Seitdem hat es nur begrenzte Fortschritte gegeben, die über das Sichtbare hinausgehen. Was ein formelles Abkommen betrifft, so haben wir derzeit keines«, erklärte er und fügte hinzu, die Bedeutung des Treffens sei aus politischen Gründen »überbewertet« worden.

Joshua Krasna schloss sich Goren an und warnte davor, die Bedeutung des Treffens am Donnerstag zu viel beizumessen. »Mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain sprachen die Parteien über ihre Bereitschaft, sich mit Israel zu normalisieren, und innerhalb weniger Monate war es damit vorbei«, so Krasna. Aber der Normalisierungsprozess mit dem Sudan habe israelischen Politikern, die sich als »diplomatische Genies« positionieren wollten, als »Geschenk, das nicht aufhört zu geben«, gedient und ihnen eine »Quelle für Schlagzeilen und diplomatische Aktivitäten« geliefert, fuhr er fort.

Für Nimrod Goren ist die Normalisierung mit Saudi-Arabien ein effektiver Lackmustest, um festzustellen, ob es eine regionale Abkehr von der Politik gebe, die Normalisierung mit Israel von der Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung abhängig zu machen: »Premierminister Benjamin Netanjahu hat seit Langem die Absicht geäußert, sich mit den Saudis zu normalisieren, aber diese haben immer wieder die Verbindung zwischen Fortschritten auf dem Weg zur Zwei-Staaten-Lösung und der Normalisierung mit Israel betont.«

Während die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain eine Wirtschaft entwickelt hätten, die mit jener Israels »kompatibel« sei und Handel und Investitionen in Hightech und Energie erleichtere, sei der Sudan »unterentwickelt«, sodass er »mehr von Israel brauche als er habe, was er Israel bieten könne«, konstatierte Krasna.

In der Pressemitteilung des israelischen Außenministeriums über das Treffen am Donnerstag hieß es, Cohen habe »seinen Gastgebern ein Hilfsprogramm des Außenministeriums für den Sudan vorgestellt, das sich auf Projekte und den Aufbau von Kapazitäten in den Bereichen humanitäre Hilfe, Wasseraufbereitung und öffentliche Medizin konzentrieren wird«. Welche Investitionen oder Beiträge der Sudan Israel im Gegenzug angeboten hat, wurde jedoch nicht erwähnt.

Beziehung »von oben nach unten«

Im Gegensatz zu Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten ist der Sudan kein »Machtzentrum« unter den arabischen Ländern, was die Vorteile, die eine Beziehung zu Khartum Israel bringen könnte, einschränkt, erklärte Goren. Daher seien die Beziehungen zwischen den beiden Ländern eher »von oben nach unten« und zwischen den Regierungen auf »strategischer Ebene« angesiedelt, mit begrenztem Potenzial für eine Ausweitung der Beziehungen auf zwischenmenschliche Wirtschaftsbeziehungen auf kurze Sicht.

Sowohl Goren als auch Krasna betonten jedoch, dass die Netanjahu-Regierung von einer Normalisierung der Beziehungen zum Sudan profitieren würde, da sie die Abschiebung sudanesischer Migranten und Asylbewerbern von Israel zurück in den Sudan erleichtern könnte. Ebenso könnten öffentliche Annäherungsversuche an das Nachbarland der amtierenden Regierung helfen, die Aufmerksamkeit von beunruhigenden Problemen im eigenen Land abzulenken, wie etwa den anhaltenden Protesten gegen die vom Premierminister und seinen Mitarbeitern vorangetriebenen Justizreform, so Goren.

»Die Förderung einer engeren Beziehung zwischen Israel und dem Sudan liegt im Interesse der Vereinigten Staaten, sei es bei der Bekämpfung der terroristischen Bedrohung oder der Verhinderung des chinesischen Vordringens in Ostafrika«, analysiert Victoria Coates, Senior Research Fellow für internationale Angelegenheiten und nationale Sicherheit am Margaret Thatcher Center for Freedom der Heritage Foundation.

Trotzdem sollten sie auf ein »gutes« statt auf ein »schnelles« Abkommen drängen, sagte Coates, die stellvertretende nationale Sicherheitsberaterin für Angelegenheiten des Nahen Ostens und Nordafrikas unter Präsident Donald Trump war, und fügte hinzu, ein Fehler der Trump-Administration im Jahr 2020 hätte darin bestanden, »ein schnelles einem guten Abkommen« vorzuziehen. Dies habe zu einer Vereinbarung geführt, die nicht »von Dauer« gewesen sei, sagte sie gegenüber Jewish News Syndicate und meinte, die sudanesische Regierung befinde sich nach wie vor in einer »prekären Situation«, die geklärt werden müsse.

Die Regierung von Joe Biden könnte eine entscheidende Vermittlerrolle beim Aufbau von Beziehungen zwischen den Ländern spielen, indem sie hochrangige Beamte an bilateralen Treffen zwischen Israel und dem Sudan teilnehmen lässt und kompetente Diplomaten ernennt, die sich speziell um Angelegenheiten am Horn von Afrika und in Ostafrika kümmern, so Coates. Je mehr Unterstützung die führenden Politiker in der Region von den Vereinigten Staaten bei der Normalisierung der Beziehungen zu Israel wahrnehmen, desto »mutiger werden sie« bei ihren Annäherungsversuchen an den jüdischen Staat, so ihr Resümee.

Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate(Übersetzung von Alexander Gruber.)

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