Angesichts der zahlreichen Terrorangriffe könnten punktuelle Sicherheitsoperationen Israels im Westjordanland nicht mehr ausreichen.
Von Yaakov Lappin
Der mörderische Terroranschlag auf eine Tankstelle in der Nähe von Eli in Judäa und Samaria [im Westjordanland] am Dienstag war eine weitere Etappe in der anhaltenden Verschlechterung der Sicherheitslage in dem Gebiet.
Die beiden Terroristen, die vier israelische Zivilisten erschossen, bevor sie selbst getötet wurden – einer von einem bewaffneten israelischen Zivilisten am Tatort, der zweite einige Stunden später von israelischen Spezialkräften – stammten aus Urif, einem Dorf südlich von Nablus, was bedeutet, dass sich die Gewalt von Dschenin aus nach Süden ausbreitet.
Die Palästinensische Autonomiebehörde ist in weiten Teilen Samarias [im nördlichen Westjordanland] nicht existent, und die israelische Armee muss nicht nur das wachsende Machtvakuum füllen, sondern sich auch auf die Möglichkeit vorbereiten, eine größere Sicherheitsoperation zu starten, um gegen die immer dreisteren Terrorgruppen vorzugehen.
Die beiden Terroristen, die den Anschlag vom Dienstag verübten, standen zwar der Hamas nahe, scheinen aber nach Kenntnis der IDF keine offiziellen Mitglieder gewesen zu sein, so Major Nir Dinar, Leiter der internationalen Presseabteilung der IDF, gegenüber dem Jewish News Syndicate. Er fügte hinzu, dass das Militär derzeit prüft, ob die Terroristen von einem größeren Netzwerk aktiviert wurden.
Vermutlich überprüfen die IDF und der israelische Sicherheitsdienst (Shin Bet) auch, ob die Hamas in Gaza direkte operative Verbindungen zu der Zwei-Mann-Zelle hatte. Die Hamas ihrerseits hat die Terroristen schnell für sich reklamiert. Unabhängig davon, inwieweit die Bewaffneten mit der Hamas im weiteren Sinne zusammenarbeiten, ist es unbestreitbar, dass die Hamas mit ihrer Darstellung in Samaria zunehmend die Oberhand gewinnt.
Neubewertung der Lage
In einer Reihe von Lagebeurteilungen, die IDF-Stabschef Generalleutnant Herzi Halevi am Dienstag zunächst am Ort des Anschlags und später im IDF-Zentralkommando in Jerusalem zusammen mit Verteidigungsminister Yoav Gallant und Premierminister Netanjahu durchführte, wurden die nächsten Schritte Israels im Kampf gegen den Terror festgelegt. Die Folgen dieser Entscheidungen werden bald vor Ort sichtbar sein.
Der Sprecher der IDF, Brigadegeneral Daniel Hagari, erklärte, dass das Militär überall dort handle, wo es Informationen über Terroranschläge hat. Im Fall des Anschlags nahe Eli habe es keine solche Vorwarnung gegeben, fügte er hinzu.
Die jüngsten Ereignisse scheinen jedoch darauf hinzudeuten, dass gezielte, präventive Maßnahmen zur Vereitelung von Terrorzellen, die im vergangenen Jahr zweifellos das Leben Hunderter Israelis gerettet haben, nicht mehr ausreichen.
Signifikante Eskalation
Am Montag musste die IDF zum ersten Mal seit 2002, den dunklen Tagen der Zweiten Intifada, einen Hubschraubereinsatz in Dschenin anfordern, um die Evakuierung von verwundetem Sicherheitspersonal zu ermöglichen. Was als routinemäßige Verhaftungsaktion gedacht war, entwickelte sich zu einem mehrstündigen Gefecht, bei dem gepanzerte Panther-Fahrzeuge der IDF mit schlagkräftigen Sprengsätzen angegriffen wurden und palästinensische Bewaffnete sie unter massiven Beschuss nahmen. Die IDF erwiderten das Feuer, töteten fünf palästinensische Kämpfer und konnten erst nach mehreren Stunden ihre Fahrzeuge und Einheiten abziehen.
Diese Szenen zeigten, dass Dschenin schnell außer Kontrolle gerät und dass die Handlungsfreiheit der IDF dort mit neuen Einschränkungen konfrontiert ist. Die Sicherheitslage verschlechtert sich zusehends.
Die jüngsten Vorfälle folgen auf andere Warnsignale, darunter mehrere Schießattentate in der Gegend, wie z. B. den Angriff aus dem Auto heraus auf israelische Zivilisten und Militärfahrzeuge am 13. Juni, bei dem ein israelischer Zivilist und vier Soldaten verletzt wurden.
Am 30. Mai wurde der 32-jährige zweifache Familienvater Meir Tamari in der Nähe von Hermesh, westlich von Dschenin, bei einer Schussattentat aus einem vorbeifahrenden Auto heraus ermordet. In den Tagen vor diesem Anschlag hatten palästinensische Bewaffnete auf Mevo Dotan in Nordsamaria und Gan Ner in Gilboa geschossen.
Die Zahl der Schusswaffenangriffe in der ersten Hälfte des Jahres 2023 liegt im Westjordanland bereits bei 120, während die Zahl für das gesamte Jahr 2022 bei 285 lag. Vergleicht man die Zahl derartiger Vorfälle mit den Jahren 2021 (61) und 2020 (31) wird das Ausmaß des Problems. Samaria ist überschwemmt mit Waffen und Terroristen, die hoch motiviert sind, sie einzusetzen.
Laut den am Dienstag vom Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center veröffentlichten Zahlen blieb die Zahl der schweren Terroranschläge in Judäa und Samaria im Jahr 2023 weiter hoch.
Komplexe Sicherheitslage
Die Sicherheitslandschaft ist komplex: Lokale Terrorgruppen mit Namen wie »Höhle der Löwen« und »Dschenin-Bataillone« treffen auf etablierte Terrorgruppen wie die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad, die sie mit Geld, Waffen und politischer Unterstützung behilflich sind. Während sich die lokalen Terrororganisationen trotz der nächtlichen IDF-Operationen weiter ausbreiten, fassen auch Hamas und PIJ immer mehr Fuß. Das Ergebnis ist eine ständige Bedrohung der jüdischen Zivilbevölkerung.
Während die Hamas früher darauf bestand, dass diejenigen, die mit ihrer Unterstützung handeln, ihr die Treue schwören, hat sie diese Bedingungen inzwischen fallen gelassen. Sie hat erkannt, dass eine neue und unabhängigere Generation von Palästinensern in Samaria mit Aufwiegelung und Terrorfinanzierung aktiviert werden kann, ohne dass eine direkte Treue erforderlich ist.
Wenn Israel verhindern will, dass die Gewalt auf Gebiete weiter im Süden übergreift, in denen die Palästinensische Autonomiebehörde derzeit noch die Kontrolle ausübt – Ramallah, der größte Teil von Hebron und Jericho –, muss es möglicherweise eher früher als später den Kurs ändern und eine größere Sicherheitsoperation einleiten.
Eine solche Operation wird keine zweite »Operation Defensive Shield« sein, da sich die Bedingungen vor Ort seit 2002 dramatisch verändert haben, sondern eher eine begrenztere Angelegenheit, die auf die Terrorinfrastruktur in Samaria abzielt. Aber sie wird umfassender sein ist als die derzeitigen unternommenen, punktuellen Operationen.
Dies könnte immer noch erhebliche Auswirkungen haben und dazu beitragen, die Flut des Terrorismus zumindest eine Zeit lang einzudämmen.
(Der Bericht ist auf Englisch vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl.)