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Iraner bei Freudenfeier über iranische Niederlage erschossen

Die Niederlage der Nationalmannschaft gegen die USA bei der WM wurde in vielen Städten im Iran gefeiert. (© imago images/Fotoarena)
Die Niederlage der Nationalmannschaft gegen die USA bei der WM wurde in vielen Städten im Iran gefeiert. (© imago images/Fotoarena)

Während das Aus des Iran bei der Fußball-WM überall im Land mit Freudenfesten gefeiert wurde, macht sich in Regimekreisen Untergangsstimmung breit.

Nach dem Ausscheiden der iranischen Nationalmannschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar kam es auf den Straßen zahlreicher iranischer Städte zu spontanen Freudenfesten. Auf Videos, die über soziale Medien verbreitet wurden, sind jubelnde, tanzende und singende Menschen zu sehen. In Teheran und anderen Orten fuhren Kolonnen hupender Autos durch die Straßen. Gelegentlich wurden in der Nacht nach der Niederlage gegen die USA sogar amerikanische Flaggen geschwenkt – eine besondere Provokation für das Regime, das Amerika als den »großen Satan« zu titulieren pflegt.

Wie zu befürchten war, ging der Repressionsapparat des Regimes mit brutaler Gewalt gegen die feiernden Menschen vor. In Bandar Anzali, einer Stadt am Kaspischen Meer, wurde der 27 Jahre alte Mehran Samak durch das Fenster seines Wagens erschossen, als Sicherheitskräfte das Feuer auf hupende Autofahrer eröffneten. Wie Videos aus mehreren Städten zeigen, kamen auch andernorts Schusswaffen gegen Feiernde zum Einsatz. In vielen Orten prügelten Sicherheitskräfte mit Knüppeln auf die Menschen in den Straßen ein und nahmen Verhaftungen vor.

Hochburgen der diesmal in Form von Feiern vorgetragenen Proteste gegen die Islamische Republik waren, wie schon seit Beginn der Protestwelle Mitte September, die Städte im vorwiegend kurdischen Teil des Landes. Hier kamen laut Informationen der Webseite Iran International so viele Menschen zusammen, dass die Sicherheitskräfte ein Einschreiten nicht wagten. Proteste gab es auch in den Schiiten-Zentren Maschhad im Nordosten des Landes und in Qom im Zentraliran.

Ausgezehrte Sicherheitskräfte

Die anhaltenden Proteste scheinen langsam, aber sicher, Auswirkungen auf die Sicherheitskräfte zu haben. Aus Audioaufnahmen, die eine Hackergruppe namens »Black Reward« der den Revolutionsgarden nahestehenden Fars News Agency entwendet hat, geht hervor, dass hochrangige Mitglieder des Repressionsapparats über die zunehmende Ermüdung der Sicherheitskräfte besorgt sind, die nicht in der Lage sind, die Proteste und Streiks in 22 der 31 iranischen Provinzen unter Kontrolle zu bringen. Darüber hinaus habe das Regime im »Medienkrieg« um die Proteste »komplett versagt«. Die weite Verbreitung von Smartphones und die sozialen Medien sorgten dafür, dass die über Regimemedien verbreitete Propaganda zur Diskreditierung der Proteste nicht greift.

Auf einer der Audiodateien ist der Oberste Führer des Landes, Ali Khamenei, zu hören, wie er den Polizeichef fast schon beschwörend ermuntert: »Du darfst deine Zuversicht nicht verlieren.« In einer Rede mahnte Khamenei die an vorderster Front gegen die Protestierenden vorgehenden Mitglieder der Bassidsch-Miliz, »unter keinen Umständen die Hoffnung zu verlieren«. Allerdings muss auch Khamenei mittlerweile eingestehen: »Diese Dinge, die Unruhen, werden in nächster Zeit nicht aufhören.«

Aus Regimekreisen werden schon Gehaltserhöhungen für die Einsatzkräfte gefordert, die seit zweieinhalb Monaten gegen die Protestierenden vorgehen. Die Männer seien »erschöpft und sehr unglücklich«.

Hohe Opferzahlen

Laut einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights vom Mittwoch sind seit Beginn der Protestwelle Mitte September nachweislich bereits mindestens 448 Menschen, darunter 60 Kinder und Jugendliche sowie 29 Frauen, von iranischen Sicherheitskräften getötet worden. Die Dunkelziffer mit vielen noch nicht einwandfrei belegten Todesopfern ist noch deutlich größer.

In 29 der 31 iranischen Provinzen sind laut Iran Human Rights bereits Protestierende getötet worden, die meisten in der mehrheitlich von Sunniten bewohnten Provinz Sistan und Belutschistan im Südosten (128 Tote), in der Provinz Kurdistan im Westen (53 Tote) und in West-Aserbaidschan im äußersten Nordwesten des Landes (51 Tote).

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