Revolutionsgardisten drohten den Spielern: Sollten sie sich erneut nicht so benehmen, wie es dem Regime gefällt, würden ihre Familien dafür büßen.
Auch bei ihrem dritten Auftritt bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar stand die iranische Nationalmannschaft im Scheinwerferlicht. Das Team verlor das alles entscheidende Gruppenspiel um den Aufstieg ins Achtelfinale und schied damit aus dem Wettbewerb aus. Bei der Begegnung am Dienstagabend, in der mit den USA ausgerechnet der Erzfeind des iranischen Regimes als Gegner auflief, drohte der sportliche Aspekt allerdings in den Hintergrund zu treten. Trotz aller Bemühungen gelang es den Veranstaltern erneut nicht, Kritik an dem brutalen Vorgehen des Repressionsapparates gegen die Massenproteste im Iran völlig aus dem Stadion fernzuhalten.
Berichten zufolge soll der Iran eigens Tausende Regimeanhänger eingeflogen haben, um im Stadion den Eindruck fröhlicher Fans zu erwecken, die stolz auf ihre Mannschaft sind und begeistert die Nationalhymne mitsingen – eine Wiederholung der Bilder der vorhergegangenen beiden Auftritte, bei denen der Kameraschwenk durch die Besucherränge während der Hymne vor allem weinende Menschen zeigte, sollte tunlichst vermieden werden. Trotzdem war auch dieses Mal Protest gegen das Regime zu sehen, wenn etwa Besucher mit Pappbuchstaben »Mahsa Amini« formten, den Namen jener jungen Kurdin, deren gewaltsamer Tod in Händen der iranischen Sittenpolizei die bis heute andauernden Massenproteste im Land auslöste.
Massiver Druck
Unter Beobachtung stand aber auch die Mannschaft selbst, und das insbesondere bei der Nationalhymne vor Spielbeginn. Beim ersten Match der Iraner waren die Spieler stumm geblieben und hatten nicht mitgesungen – und zwar nicht einmal die wenigen Regimebefürworter wie Vahid Amiri und Mehdi Torabi. Der Druck, der anschließend auf die Mannschaft ausgeübt wurde, dürfte enorm gewesen sein. Stark genug jedenfalls, dass sich die Lippen der Spieler zur Nationalhymne vor dem zweiten Gruppenspiel zwar nur wenig, aber doch bewegten. Und auch beim letzten Auftritt des Teams »sangen« die Spieler mit – während die durch die Stadionlautsprecher eingespielte Hymne kaum das Pfeifkonzert überdecken konnte, von dem sie begleitet wurde.
Einem CNN-Bericht zufolge dürfte der vermeintliche Sinneswandel der Spieler nicht zuletzt auf massive Drohungen des Regimes zurückzuführen gewesen sein – und zwar nicht auf sie selbst, sondern auf ihre Verwandten:
»Den Familien der iranischen Fußball-WM-Mannschaft wurde mit Gefängnis und Folter gedroht, falls sich die Spieler vor dem Spiel gegen die USA am Dienstag nicht ›benehmen‹, so eine mit der Sicherheit der Spiele befasste Quelle.«
Nach dem stillen Protest vor dem ersten Spiel soll das Team zu einer Sitzung mit Mitgliedern der Revolutionsgarden beordert worden sein. Dort sei mit den Folgen für die Familien gedroht worden, sollten die Sportler erneut das Singen der Hymne verweigern oder sich an irgendeiner anderen Form des politischen Protests beteiligen.
Der CNN-Quelle zufolge seien Dutzende Revolutionsgardisten nach Katar gebracht worden, deren Aufgabe darin bestehe, die Spieler engmaschig zu überwachen und zu verhindern, dass diese in Kontakt mit Fremden treten.