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Schon wieder judenfeindlicher Vorfall in Harvard

Die US-Eliteuni Harvard erweist sich immer wieder als Hochburg des Antisemitismus
Die US-Eliteuni Harvard erweist sich immer wieder als Hochburg des Antisemitismus (© Imago Images / Icon Sportswire)

Mit Harvard erweist sich spätestens seit dem Hamas-Überfall auf Israel ausgerechnet eine der renommiertesten Hochschulen Amerikas als Brutstätte des Antisemitismus, der auch vom Lehrpersonal mitgetragen wird.

An der Universität Harvard vergeht keine Woche ohne antisemitische Vorfälle, doch nun hat ein Professor offenbar den Bogen überspannt. Nachdem er auf Instagram eine Karikatur im Stürmer-Stil verbreitet hatte und dafür scharf kritisiert worden war, beendete der Geschichtsprofessor Walter Johnson diese Woche seine Tätigkeit für zwei radikale Anti-Israel-Gruppen, in denen er aktiv war. 

Johnson legte sein Amt als »Berater« des Harvard Undergraduate Palestine Committee (PSC) zurück und trat aus der erst im Januar von ihm selbst mitgegründeten Organisation Harvard Faculty and Staff for Justice in Palestine (HFSJ) aus; einer Gruppe von über 65 Harvard-Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern, die unter anderem den Boykott des Staates Israel durch Harvard verlangen. Seine Professur indessen behält er.

Judentum als Feind der Dritten Welt

Der 1967 geborene Walter Johnson ist in Harvard Professor für afrikanische und afroamerikanische Geschichte und Autor von Büchern über die Sklaverei in den USA (River of Dark Dreams: Slavery and Empire in the Cotton Kingdom, 2013) und die Geschichte rassistischer Gewalt gegen Schwarze in St. Louis (The Broken Heart of America, 2020). Er wurde mit zahlreichen Wissenschaftspreisen ausgezeichnet.

Auf dem Instagram-Account des Harvard Undergraduate Palestine Committee hatte er letzten Montag im Namen von PSC sowie der Studentenorganisation AFRO, einer selbsterklärten »Widerstandsorganisation« schwarzer Studenten, eine antisemitische Karikatur gepostet, die zwei Männer zeigt, einer von ihnen ein Schwarzer, um deren Hälse jeweils ein Strick gelegt ist. 

Das Bild erweckt Assoziationen zu den Lynchmorden an Schwarzen, die im Süden der USA bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts verbreitet waren. Doch die Karikatur richtet sich nicht gegen den Ku-Klux-Klan oder die damalige Gesellschaft der Südstaaten. Die Stricke werden von einer Hand gehalten, auf deren Handrücken ein Davidstern gezeichnet ist. Innerhalb des Davidsterns befindet sich ein Dollarzeichen. Hinter den beiden Männern ist ein Arm zu sehen, der eine Machete führt, die sich anschickt, die Stricke zu zerschneiden. Auf dem Arm steht »Dritte Welt«, auf der Machete »Befreiungsbewegung«. 

Das Judentum ist in dieser Karikatur also der Feind der Schwarzen und der Dritten Welt. Das Bild wurde als Teil einer Infografik über historische Verbindungen zwischen Palästinensern und Schwarzen in den USA veröffentlicht.

Laut dem Bericht der Harvard-Studentenzeitung The Crimson stammt die Karikatur aus einem Newsletter des Student Nonviolent Coordinating Committee vom Juni 1967. Bei den Männern soll es sich um den Boxer Muhammad Ali und den damaligen ägyptischen Präsidenten Gamal Nasser handeln. »Afrikanische Menschen haben ein tiefes Verständnis für Apartheid und Besatzung«, steht in dem Begleittext.

»Die historischen Wurzeln der Solidarität zwischen den schwarzen Befreiungsbewegungen und der palästinensischen Befreiung liegen in den späten 1960er Jahren. Diese Zeit war geprägt von einem gesteigerten Bewusstsein der schwarzen Organisationen in den Vereinigten Staaten.« Weiter heißt es: »Das Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC) verband den Zionismus mit einem imperialen Projekt, während sich die Black Panther Party mit dem palästinensischen Widerstand verbündete und beide Kämpfe als Teil einer einheitlichen Front gegen Rassismus, Zionismus und Imperialismus darstellte.«

»Eklatant antisemitische Karikatur«

Harvards Interimspräsident Alan Garber reagierte schnell und veröffentlichte noch am selben Tag eine kurze Erklärung, in der er mitteilte, er habe davon Kenntnis erlangt, dass »heute in den sozialen Medien Beiträge mit zutiefst beleidigenden antisemitischen Klischees und Botschaften von Organisationen veröffentlicht wurden, denen auch Harvard-Mitglieder angehören«. Solch »verabscheuungswürdige Botschaften« hätten in der Harvard-Gemeinschaft keinen Platz. »Wir verurteilen diese Beiträge auf das Schärfste.«

Zwei Tage später folgte eine ausführlichere Stellungnahme. Einige Gruppen, die »vorgeben, im Namen von Harvard-Mitgliedern zu sprechen«, hätten in sozialen Medien »eine eklatant antisemitische Karikatur« verbreitet. Sie wird im Folgenden detailliert beschrieben. 

Obwohl die Gruppen, die mit der Veröffentlichung oder Weitergabe der Karikatur in Verbindung gebracht wurden, »sich seither auf verschiedene Weise davon distanziert« hätten, blieben »der Schaden und unsere Verurteilung bestehen«. Das »Aufrechterhalten von abscheulichen und hasserfüllten antisemitischen Klischees«, die »Verwendung von hetzerischer Rhetorik« und die »Verbreitung von Bildern, die Menschen aufgrund ihrer Identität herabwürdigen«, sei »genau das Gegenteil von dem, was dieser Moment von uns verlangt«, so der Präsident.

Am Montagnachmittag entfernten PSC und AFRO das antisemitische Bild und posteten den Beitrag erneut, diesmal ohne die Karikatur. Die Gruppen schrieben, dass die frühere Version des Beitrags »ein Bild zeigte, das unsere Werte als Organisationen nicht widerspiegelt. … Unsere gemeinsamen Ziele für die Befreiung werden immer auch die jüdische Gemeinschaft einschließen und wir bedauern, dass wir versehentlich ein Bild eingefügt haben, das auf antisemitische Klischees anspielt.«

Zweifel an Einstellungspraxis

Die Aktion des Geschichtsprofessors kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem Harvard ohnehin wegen der ungeheuren Häufung antisemitischer Vorfälle im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht. Im Januar hatten jüdische Harvard-Studenten vor einem Gericht des Bundesstaates Massachusetts eine Zivilklage gegen die Universität erhoben, in der sie unter anderem ihre Studiengebühren zurückforderten, da sie als Juden in den Räumen und auf dem Gelände der Universität nicht mehr sicher seien. 

Einer der Kläger, Shabbos Kestenbaum, kommentierte den neuesten Vorfall auf X: »Die Harvard *Fakultät* hat gerade ein explizit antisemitisches Bild gepostet, das eine jüdische Hand zeigt, die den schwarzen Verstand kontrolliert. Bei Professoren wie diesen ist es leicht zu verstehen, warum wir jüdischen Studenten uns im Unterricht nicht sicher fühlen.« Dem Crimson gab er einen weiteren schriftlichen Kommentar: »Die Tatsache, dass dieser Antisemitismus von Harvard-Lehrkräften gepostet wurde, lässt mich sowohl an der Intelligenz dieser Lehrkräfte zweifeln als auch an der Einstellungspraxis der Universität Harvard, die es solch unverhohlenen Antisemiten erlaubt, an dieser Universität zu lehren.«

Harvard galt schon in den vergangenen Jahren als die Universität der USA mit dem größten Antisemitismusproblem. Doch nach dem 7. Oktober 2023 eskalierte die Lage. Eine Koalition von vierunddreißig Studentenorganisationen erklärte als Reaktion auf das Massaker der Hamas, dass sie »das israelische Regime für alle sich entfaltende Gewalt« nach der jahrzehntelangen Besetzung des Gazastreifens »voll verantwortlich« machten. Israel sei »der einzige Schuldige«. Aus Sicht dieser zukünftigen Richter, Wissenschaftler, Manager, Regierungsbeamten und Journalisten sind Juden selbst schuld, wenn sie ermordet werden, und haben auch kein Recht zur Gegenwehr.

Republikaner vs. Harvard

Auf Initiative der republikanischen Mehrheit beschäftigt der an Harvard und anderen Eliteuniversitäten grassierende Antisemitismus seit Dezember den Ausschuss des Repräsentantenhauses für Bildung und Arbeitskräfte. »Nach den Ereignissen der vergangenen zwei Monate ist klar, dass wüster Antisemitismus und die Universität zwei Gedanken sind, die nicht voneinander getrennt werden können«, sagte Virginia Foxx, die republikanische Vorsitzende, bei der Anhörung am 5. Dezember letzten Jahres. Harvard selbst bezeichnete sie als den »Ground Zero für Antisemitismus«. 

Während Befragungen im Kongress gewöhnlich von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet bleiben, erreichte diese Sitzung weltweit einige Bekanntheit, weil die drei geladenen Präsidentinnen von Harvard, dem MIT und der Universität von Pennsylvania auf die Frage der republikanischen Abgeordneten Elise Stefanik, ob Aufrufe zum Genozid an Juden gegen die »Regeln gegen Belästigung« ihrer jeweiligen Universität verstießen, von allen dreien immer wieder stereotyp mit der Aussage beantwortet wurden, dies hänge »vom Kontext« ab.

Die parlamentarische Untersuchung dauert noch immer an und entwickelt sich mehr und mehr zu einer Konfrontation zwischen der republikanischen Mehrheit im Ausschuss und Harvard. Die Universität erklärte, sie habe den Abgeordneten Tausende von Seiten an Dokumenten zur Verfügung gestellt, doch der Ausschuss bezeichnete die Antworten laut einem Bericht der Washington Post als unzureichend. Von den 2.516 Seiten, die Harvard zur Verfügung gestellt habe, seien »mindestens 1.032 – über vierzig Prozent – bereits öffentlich zugänglich« gewesen, so Foxx. Sie fordert unter anderem Einzelheiten zu den Sitzungen der beiden mächtigsten Verwaltungsräte von Harvard und jener Einrichtung, die das Stiftungskapital der Schule verwaltet, sowie alle Mitteilungen über Antisemitismus, an denen die Verwaltungsräte beteiligt waren. 

Umstritten ist vor allem die geforderte Herausgabe der Sitzungsprotokolle der Harvard Management Company zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 2. Januar 2024. Dies sei »beispiellos«, sagte Ethan Ris, Dozent an der Universität von Nevada in Reno und Experte für Hochschulverwaltung, gegenüber der Washington Post. »Das ist gefährlich und, offen gesagt, empörend.« Er habe keine Probleme damit, würde die Herausgabe solcher Dokumente von einer staatlichen Institution »wie etwa der US Navy« verlangt. Doch der Ausschuss »steckt seine Nase in Angelegenheiten eines privaten Unternehmens. Das ist nicht die Aufgabe des Kongresses.« 

Unterdessen kündigte Virginia Foxx an, »keine Verzögerung und Missachtung unserer Untersuchung [zu] tolerieren, während die jüdischen Studenten von Harvard weiterhin den Feuersturm des Antisemitismus ertragen müssen, der den Campus erfasst hat«. Die Universität habe »jede Gelegenheit gehabt, ihr erklärtes Engagement für die Bekämpfung des Antisemitismus mit Taten und nicht mit Worten zu beweisen«.

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