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Getötete Journalisten im Gazastreifen

Begräbnis eines Al-Jazeera-Journalisten in Gaza. Laut der israelischen Armee war er Mitglied des Islamischen Dschihad. (© imago images/APAimages)
Begräbnis eines Al-Jazeera-Journalisten in Gaza. Laut der israelischen Armee war er Mitglied des Islamischen Dschihad. (© imago images/APAimages)

Berichte über getötete Journalisten stützen sich auf Zahlen der Hamas. Dass viele der Toten Terroristen oder Terrorbefürworter waren, wird unterschlagen.

Von David Isaac

Obwohl Israel viel unternimmt, um im Krieg im Gazastreifen das Leben von Bewohnern zu schützen, wird ihm in zahlreichen Medienberichten vorgeworfen, unterschiedslos Menschen zu töten. Behauptet wird aber auch, Israel würde gezielt Journalisten ins Visier nehmen.

Schenkt man den verbreiteten Zahlen Glauben, sollen bereits rund hundert Medienmitarbeiter im Zuge des Kriegs getötet worden sein. Das wäre insofern erstaunlich, als diese Angabe die Zahl jener Journalisten übersteigt, die während des Zweiten Weltkriegs und des Vietnamkriegs getöteten wurden.

Nach Angaben des britischen Journalisten David Collier liegt die tatsächliche Zahl bei rund fünfzehn.

Die Listen

Collier, der Autor eines 150-seitigen Berichts mit dem Titel The Journalists of Gaza: A Modern-Day Antisemitic Conspiracy Theory Promoted by Mainstream Media, stellt fest, dass die Listen, auf die sich die Medien stützen, nichts anderes als Hamas-Propaganda sind. »Dieser Bericht zeigt, dass die Behauptung, Israel habe Journalisten ins Visier genommen, um sie zum Schweigen zu bringen, eine unhaltbare und schändliche Fiktion ist«, schreibt er.

Es gibt zwei Listen getöteter Journalisten. Die eine stammt vom Gaza Media Office, also von der Hamas. Die zweite wird vom Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) herausgegeben, einer in New York ansässigen Nichtregierungsorganisation. Collier fand heraus, dass die Listen im Wesentlichen identisch sind. Die CPJ-Liste ist im Grunde eine Schönfärberei der Liste der Terrorgruppe. »Die CPJ-Liste ist ein Teilstück der Hamas-Liste. Die Hauptquelle, die das CPJ benutzt, sind die im Gazastreifen ansässigen Hamas-Organisationen, die diese Zahlen verbreiten«, so Collier gegenüber Jewish News Syndicate (JNS).

Collier konzentrierte sich in seinem Bericht vor allem auf die CPJ-Liste, die wichtigere der beiden, da sich die meisten Berichte auf sie stützen. »Wir wissen, dass wir es mit Hamas-Propaganda zu tun haben, wenn wir über die Hamas-Liste sprechen, darüber braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Das Problem, das wir haben, ist, wenn westliche Nichtregierungsorganisationen mit verwässerter Hamas-Propaganda arbeiten, wie es das CPJ tut«, sagte er.

Die angeblichen Journalisten

Die CPJ-Liste umfasste zum Zeitpunkt von Colliers Bericht rund 60 bis 70 Journalisten (mit Stand 26. Februar sind es 88). Alle Namen auf der Liste stammten von der Hamas-Liste, fand Collier heraus. Zum Zeitpunkt des Berichts zählte die Hamas-Liste 107 Namen. Collier vermutet, dass das CPJ die Liste durchforstet hat, um diejenigen Personen zu streichen, die ganz offensichtlich Terroristen waren und bei denen es schwerlich möglich gewesen wäre, sie als Journalisten darzustellen.

Collier konnte 93 Prozent der 107 aufgelisteten Personen über ihre Profile in den sozialen Medien identifizieren. Er stellte fest, dass 35 der 70 Personen (50 Prozent) auf der CPJ-Liste für verbotene Terrorgruppen arbeiteten. »Ich meine, man könnte argumentieren, dass sie Journalisten waren. Aber sie arbeiteten für die Hamas und den Palästinensischen Islamischen Dschihad«, sagte er. 19 Personen (27 Prozent) waren überhaupt keine Journalisten. 79 Prozent befürworteten den Terrorismus und die Tötung Unschuldiger.

Einige Beispiele

Für Collier war das ungeheuerlichste Beispiel Hassuna Salim, der für das mit der Hamas verbundene Quds News Network arbeitete und am 7. Oktober um 6:36 Uhr auf einem Telegram-Kanal eine Anweisung des Islamischen Dschihads postete, in der er jeden aufforderte, eine Waffe in die Hand zu nehmen und zu kämpfen. »Nachrichten wie diese führten dazu, dass Hunderte bewaffnete ›Zivilisten‹ nach Israel eindrangen, um der Hamas beim Vergewaltigen und Morden zu helfen«, heißt es in seinem Bericht.

Andere feierten über Jahre hinweg Terroranschläge gegen Israelis. Die meisten klingen eher wie psychopathische Killer als wie Journalisten. Duaa Sharaf, der für das Hamas-nahe Radio Al-Aqsa arbeitete, postete am 7. April 2022 nach einem tödlichen Schussattentat in Tel Aviv in den sozialen Medien: »Tötet sie. Möge Allah sie mit euren Händen bestrafen und sie demütigen und euch gegen sie helfen und die Herzen einer gläubigen Nation heilen.«

»Trefft Tel Aviv. Trefft es«, schrieb Assem Kamal Moussa, ein Journalist der Nachrichtenseite Palestine Now, über denselben Anschlag. Am 2. Mai 2023 postete er ein Bild von Hamas-Raketen, die auf Israel abgefeuert wurden: »Und ihr seid auf dem Weg, das Leben der Besatzer in die Heiligtümer der Hölle zu verlegen.«

Ein anderer Journalist, Jamal Mohamed Haniyeh, war in Wirklichkeit der Enkel von Ismail Haniyeh, dem politischen Führer der Hamas.

Gegen die eigenen Regeln

Collier bezeichnete die Recherchen des CPJ als »schlampig«, »durchwegs dilettantisch« und »in erheblichem Maße kompromittiert«, wobei er anmerkte, dass alle Informationen, mit denen er arbeitete, öffentlich zugänglich waren. »Das ist das eigentlich Beschämende für das CPJ«, sagte er. »Warum zum Teufel haben sie ihre Arbeit nicht gemacht? Wie konnten sie sich nicht die Mühe machen, diese Leute in den sozialen Medien zu überprüfen?«

Bemerkenswert ist, dass das CPJ bei der Zusammenstellung seiner Liste gegen seine eigenen Regeln verstoßen hat. Laut seiner Website werden keine Personen aufgenommen, die »im Auftrag militanter Gruppen handeln«. Damit hätte die Hälfte der Personen auf der Liste ausgeschlossen werden müssen, die direkt für Terrorgruppen arbeiten, so Collier.

Ein weiterer wichtiger Hinweis für Collier war, dass viele der Journalisten in ihren Häusern getötet wurden und nicht »auf einem Schlachtfeld oder in einem militärischen Kontext«, eine weitere CPJ-Regel, die nicht beachtet wurde. »Die meisten Menschen wurden zu Hause getötet, und das wirft die große Frage auf: Was war das Ziel?«

Ahmed Shebab, der für den Radiosender Voice of the Prisoners des Islamischen Dschihads arbeitete, starb im Haus eines Verwandten, wahrscheinlich eines Onkels, der ein Führer des Islamischen Dschihads war. »Der Islamische Dschihad hat nach dem Attentat, nach der gezielten Tötung, eine Mitteilung herausgegeben, in der es hieß: ›Wir haben unseren großen Führer verloren.‹ [Ahmed] befand sich also im Haus eines Führers des Islamischen Dschihads. Er war nicht draußen im Feld. Er wurde nicht wegen seines Journalismus getötet, sondern weil er in direkter Beziehung zu einem Führer des Islamischen Dschihads stand. Diese Informationen waren leicht zugänglich«, so Collier.

Dumm gestellt

Das CPJ lehnte Anfragen des JNS nach einem Interview ab, erklärte aber in einer per E-Mail versandten Erklärung:

»Das CPJ unterstützt keine Journalisten, die gegen das Gesetz verstoßen. In den Fällen, die wir dokumentiert haben, haben mehrere Quellen bisher keine Beweise dafür gefunden, dass diese Journalisten in militante Aktivitäten verwickelt waren.

Wir nehmen Journalisten nicht auf, wenn es Beweise dafür gibt, dass sie zum Zeitpunkt ihres Todes aktiv zur Gewalt aufriefen, im Auftrag militanter Gruppen handelten oder in einer militärischen Funktion tätig waren.

Wir aktualisieren unsere Datenbank ständig, und wenn wir neue Informationen entdecken, die zeigen, dass ein Journalist in solche Aktivitäten verwickelt war, würden wir ihn von unserer Liste streichen.«

Das CPJ stelle sich »dumm«, sagte Collier gegenüber JNS. »Die Hauptquellen, auf die sich das CPJ stützt, sind bis zu einem gewissen Grad ›Hamas-freundlich‹ und wie die Terrorgruppe darauf bedacht, falsche Bilder über die Ereignisse in Gaza zu erzeugen«, sagte er. »Auch die eigenen Beteuerungen des CPJ halten einer Überprüfung nicht stand. So wird zum Beispiel Hassouneh Salim als Journalist aufgeführt. Aber Salim hat in den frühen Morgenstunden des 7. Oktobers ausdrücklich einen Aufruf des Islamischen Dschihads zu den Waffen gepostet – wie um alles in der Welt kann das also kein ›Handeln im Namen der Terrorgruppe‹ sein?«

Collier vermutet, dass das CPJ in die Irre führt, wenn es behauptet, es unterstütze keine Journalisten, die gegen das Gesetz verstoßen. Denn in Gaza verstößt es nicht gegen das Gesetz, ein Hamas-Terrorist zu sein und Israelis zu töten. »Die Quintessenz ist, dass sich das CPJ nicht einmal an seine eigenen Regeln hält und die Liste, die es vorlegt, gefährlich irreführend ist«, sagte er.

»Kurz gesagt, die Zahlen des CPJ sind stark übertrieben, sie haben Dutzende von Personen aufgenommen, die sie nicht hätten aufnehmen sollen, und durch die Förderung dieser Fiktionen trägt das CPJ dazu bei, reine Hamas-Propaganda in den Mainstream zu bringen«, fügte Collier hinzu.

Das Problem ist größer

Das Problem geht allerdings weit über das CPJ hinaus. Zahlreiche Medien haben unter Berufung auf das CPJ entsprechende Berichte veröffentlicht. Auch Wikipedia stützt sich auf die Liste des CPJ.

Alex Safian von CAMERA (Committee for Accuracy in Middle East Reporting in America) erklärte gegenüber JNS: »Wenn Journalisten bei der Berichterstattung über einen Krieg getötet werden, bedeutet das nicht, dass diese Journalisten persönlich oder als Journalisten ins Visier genommen wurden, weshalb westliche Medien die Behauptung der Hamas, Israel habe absichtlich Journalisten im Gazastreifen getötet, nicht für bare Münze nehmen sollten. Schließlich ist die Hamas eine international anerkannte Terrororganisation, die bereit ist, israelische Zivilisten zu ermorden, zu foltern, zu vergewaltigen und zu entführen – es sollte nicht überraschen, dass sie auch bereit ist zu lügen«, fügte er hinzu.

In bestimmten Fällen gibt es Indizien, die zeigen, dass die Medien selbst irreführend vorgehen. Collier verwies auf einen längeren Artikel der Washington Post vom 9. Februar, der sich auf die CPJ-Liste stützt. Der Bericht sprach von »mindestens 85 Journalisten und Medienmitarbeitern wie Dolmetschern und Hilfskräften«, die in dem Konflikt getötet wurden. Er stellte sieben von ihnen vor. Collier stellte fest, dass diese sieben tatsächlich »sauber«, also nicht in Terrorakte verwickelt waren. Sie waren echte Journalisten. »Es ist ein Krieg und Menschen sterben«, sagte er.

»Mein Problem dabei ist ein ganz einfaches. Die Auswahl genau dieser sieben Journalisten kann kein Zufall gewesen sein. Wenn man bedenkt, dass achtzig Prozent der Journalisten den Terrorismus gegen Zivilisten unterstützt haben und die Hälfte von ihnen für die Hamas oder den Islamischen Dschihad gearbeitet hat, wählt man nicht zufällig sieben saubere Journalisten aus. Das bedeutet, dass die Washington Post in der Liste viele gefunden haben muss, die sie nicht als Journalisten porträtieren konnte.«

Die Washington Post enthüllte, dass sie die sozialen Medien der Journalisten durchforstet hatte, was bedeutet, dass sie von den terroristischen Ansichten der meisten, wenn nicht sogar von den direkten Verbindungen einiger zu Terrororganisationen, gewusst haben musste. Die Zeitung hob sogar einige von ihnen hervor, die sie wohlweislich aber nicht porträtieren wollte. »Die Post benutzte die sieben, um die Behauptung des CPJ von (damals) 78 getöteten Journalisten zu untermauern«, obwohl die Zeitung laut Collier »zumindest wusste, dass das irreführend war«.

(Der Bericht ist auf Englisch vom Jewish News Syndicate veröffentlicht worden. Übersetzung von Florian Markl.)

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