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Gaza, »eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt«

Der Grenzübergang Kerem Shalom im Süden des Gazastreifens, über den zuletzt mehr Güter in den Küstenstreifen geliefert wurden als vor der Machtübernahme der Hamas 2007. (© imago images/APAimages)
Der Grenzübergang Kerem Shalom im Süden des Gazastreifens, über den zuletzt mehr Güter in den Küstenstreifen geliefert wurden als vor der Machtübernahme der Hamas 2007. (© imago images/APAimages)

In der Berichterstattung über den Gazastreifen geistern ständig Behauptungen herum, die mit der Realität wenig zu tun haben.

In kaum einem Bericht über den Gazastreifen fehlt dieser Tage die Bemerkung, dieser sei »eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt«. Erstaunlich daran ist, dass die Behauptung erstens schlicht falsch ist und zweitens selbst dann wenig aussagen würde, wäre sie denn richtig.

Der Gazastreifen hat laut Wikipedia eine Bevölkerungsdichte von 5.328 Einwohnern pro Quadratkilometer. Das macht ihn nach keinem auch nur ansatzweise sinnvollen Maßstab zu »einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt«. Oft wird er mit dem nur wenig größeren Wien verglichen. Das weist insgesamt zwar eine etwas geringere Bevölkerungsdichte auf (4.778 Einwohner pro Quadratkilometer), aber in 15 der 23 Gemeindebezirke Wiens ist die Bevölkerungsdichte größer als im Gazastreifen, und das teils um ein Mehrfaches.

So ist die Bevölkerungsdichte in Mariahilf (21.597 Einwohner pro Quadratkilometer), der Josefstadt (22.637 Einwohner pro Quadratkilometer) und in Margareten (27.345 Einwohner pro Quadratkilometer) vier bis fünf Mal so hoch wie im Gazastreifen – und dennoch haben Sie beispielsweise an einem Wahltag mit Sicherheit noch nie gehört, »auch in der Josefstadt, einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde, wird heute gewählt«.

Auch dürften sich nur wenige der Bewohner von Hongkong (6.890 Einwohner pro Quadratkilometer), Singapur (7.867 Einwohner pro Quadratkilometer), Monaco (18.832 Einwohner pro Quadratkilometer) oder New York (11.153 Einwohner pro Quadratkilometer), und dort insbesondere in Manhattan (28.475 Einwohner pro Quadratkilometer), der Dramatik ihrer Lebenssituation bewusst sein.

Inszenierte Dramatisierung

Denn um nichts anderes geht es bei der ständigen Betonung, der Gazastreifen sei »eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt«: Suggeriert werden soll eine besondere Dramatik der Situation im Küstenstreifen – aber herangezogen wird dazu ausgerechnet eine Zahl, die nicht mehr aussagt, als dass es sich um ein weitgehend urbanes Gebiet handelt, dessen Einwohnerdichte darüber hinaus im internationalen Vergleich aber relativ überschaubar und keineswegs dramatisch ist.

Selbstverständlich ist die Lebenssituation im Gazastreifen sehr schwierig, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Versorgungslage für große Teile der Bevölkerung schlecht, Armut ist weit verbreitet usw. All das stimmt, aber nichts davon hat an sich etwas mit der Bevölkerungsdichte zu tun.

Nun werden Sie sich vielleicht denken, man könne doch nicht einfach so den Gazastreifen mit Manhattan vergleichen, und ich stimme Ihnen völlig zu. Nur müsste dieser Einwand an all jene gerichtet werden, die unter Verwendung einer wenig aussagekräftigen Zahl genau diesen Vergleich ständig anstellen – in dem offensichtlichen Versuch, mit einer recht substanzlosen Behauptung eine besondere Dramatik zu inszenieren.

Die »Blockade«

Verbunden wird die unsinnige Behauptung über »eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt« oft mit dem Verweis darauf, dass die »israelische Blockade« den Menschen das Leben zur Hölle mache – und auch diese Aussage dient mehr dramatisierender Propaganda, als sie mit der Realität zu tun hat.

Denn die israelische Teilblockade, die in Reaktion darauf verhängt wurde, dass die Hamas im Gazastreifen 2007 gewaltsam die Macht ergriff und fortan Zehntausende Raketen auf Israel abfeuerte, hat sich stets auf für terroristische Zwecke verwendbare Güter bezogen – Nahrungsmittel und andere nichtmilitärische Güter konnten in der Regel (nach Überprüfung durch israelische Sicherheitsbehörden) in den Gazastreifen importiert werden.

Israel hat jahrelang eine Politik verfolgt, die man durch die Worte »Ruhe für Ruhe« zusammenfassen konnte: Hätte die Hamas das von ihr in eine islamistische Diktatur umgewandelte Gebiet nicht zu einer Terrorhochburg ausgebaut und Israel tausendfach angegriffen, hätte es den Großteil der Ein- und Beschränkungen gar nicht gegeben. Sucht man also nach der Ursache des Elends im Gazastreifen, dann sollte man nicht die Folge (die israelische Teilblockade) in den Blick nehmen, sondern die Ursache identifizieren: die Herrschaft einer den Massenmord an Juden herbeisehnenden Terrororganisation.

Der Verweis auf die israelische Teilblockade tut aber auch deshalb wenig zur Sache, weil diese immer weniger streng umgesetzt wurde. Das belegen nicht israelische Zahlen, denen viele ohnehin keinen Glauben schenken würden, sondern die Statistiken des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten – einer Institution, die wahrlich nicht im Verdacht besonderer Israelfreundschaft steht.

Der Blog Elder of Ziyon fasst zusammen:

»Westliche Medien haben nicht darüber berichtet, aber Israel hat die Beschränkungen für den Gazastreifen seit Jahren gelockert, sodass die Zahl der Waren und Menschen, die die Grenze zu Israel überqueren, höher ist als vor der Übernahme des Gebiets durch die Hamas.«

Der August 2023 war

»ein Rekordmonat für die Einfuhr von Waren in den Gazastreifen. Auch die Zahl der ein- und ausreisenden Menschen war höher als vor 2007. In den letzten zehn Jahren gab es keine Beschränkungen für Treibstoff, keine Beschränkungen für Medikamente und keine Beschränkungen für Lebensmittel (außer in Kriegszeiten). Im Gazastreifen gibt es Luxusautohäuser, Spitzenhotels und -resorts sowie glitzernde Juweliergeschäfte.«

Während so mancher Hamas-Versteher jetzt behauptet, man dürfe sich angesichts der vermeintlich rigiden israelischen Beschränkungen nicht wundern, dass die Islamisten gewissermaßen einen »Ausbruch« aus der Blockade unternommen hätten, trifft in Wahrheit das Gegenteil zu: Sie haben just in einer Zeit ihren massenmörderischen Angriff unternommen, in der deutlich mehr Güter in den Gazastreifen gelangten als in etlichen Jahren davor.

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