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Deutsches Orient-Institut im Libanon: Israel-Boykotteur als neuer Chef?

Der neue Direktor des Deutschen Orient-Instituts Beirut, Jens Hanssen, setzt sich für den Boykott israelischer Universitäten ein
Der neue Direktor des Deutschen Orient-Instituts Beirut, Jens Hanssen, setzt sich für den Boykott israelischer Universitäten ein (Quelle: Canary Mission)

Mit der Freiheit der Wissenschaft kann es der neue Direktor des Deutschen Orient-Instituts Beirut nicht so genau nehmen, setzt er sich doch für den Boykott israelischer Universitäten ein.

Wie die deutsche Tageszeitung Die Welt aufdeckte, soll der neue Chef des Deutschen Orient-Instituts der libanesischen Hauptstadt in Beirut aktiv für einen Boykott Israels geworben haben. Ausdrücklich habe der Historiker Jens Hanssen, um den es geht, auch zum Boykott israelischer Akademiker aufgerufen

»Seine Äußerungen gegen Israel gehen teils schon einige Jahre zurück. Im August 2014 trat er öffentlich für ein Ende der Zusammenarbeit mit israelischen Forschungseinrichtungen und Universitäten ein. Aufgrund der ›fortlaufenden israelischen Massaker in Gaza‹ kritisierte er mit über 100 Wissenschaftlern aus den Nahoststudien die israelischen Forscher. Diese würden zumeist schweigen ob des Handelns des israelischen Militärs. (…)

Im Offenen Brief, den Hanssen unterschrieb, wird ein Boykott israelischer Institutionen gefordert. Forscher sollen demnach weder mit ihnen kooperieren noch an Veranstaltungen mit Beteiligung israelischer Einrichtungen teilzunehmen [sic!, Anm. Mena-Watch] oder in israelischen Forschungszeitschriften veröffentlichen. Bis die israelischen Institutionen ihre ›Komplizenschaft im Verletzen palästinensischer Rechte‹ beenden würden.

2010 moderierte Hanssen einen Vortrag von Omar Barghouti an der Universität Toronto. Barghouti ist Mitbegründer der Kampagne ›Boycott, Divestment and Sanctions‹ (BDS) , die eine weltweite Isolierung Israels anstrebt, unter anderem eben durch Boykotte. Hanssen nannte es dort ein ›großes Privileg und immense Freude‹, Barghouti zu empfangen.

Auch im nordamerikanischen Dachverband ›Middle East Studies Association‹ (MESA) warb Hanssen für einen Israel-Boykott. In dem nordamerikanischen Forschungsnetzwerk haben sich 50 Institutionen und 2800 Einzelpersonen zusammengeschlossen. Und 2022 beschloss der Verband wiederum, die BDS-Kampagne zu befürworten. Hanssen ist Mitglied des MESA-Vorstands.«

Der Zentralrat der Juden (ZdJ) intervenierte wegen der Ernennung Hanssens und forderte die Max-Weber-Stiftung, Trägerin des Orient-Instituts, auf, die Entscheidung zu überdenken: Das Orient-Institut in Beirut müsse als »so wichtige gesellschaftliche und wissenschaftliche Schnittstelle« im Sinne des Austauschs besetzt werden, »gerade, wenn eine Institution unmittelbar durch die deutsche Bundesregierung finanziert wird«, heißt es in der im Welt-Artikel zitierten ZdJ-Erklärung.

Täter-Nachfahren boykottieren Opfer-Nachfahren

Nun geht es aber nicht nur um BDS im Allgemeinen, sondern ganz konkret auch um die Forderung nach einem akademischen Boykott. Jene Akademiker, die BDS unterstützen, wollen unter anderem, dass deutsche Institutionen israelische Wissenschaftler boykottieren. Darunter fielen auch all jene, deren Eltern oder Großeltern vor den Nationalsozialisten nach Palästina flohen, die andernfalls, wie all jene, die dies nicht mehr schafftender sogenannten Endlösung zum Opfer gefallen wären. 

Ginge es also nach den BDS unterstützenden Akademikern, sollten die in deutschen Institutionen tätigen Nachfahren derjenigen, die diese Endlösung organisiert hatten, entscheiden, dass die Nachfahren derer, die sie überlebten, nun boykottiert werden sollen. Die Erkenntnis, dass BDS exakt darauf hinausläuft, ist nicht neu und wurde schon anlässlich der Verleihung des Adorno-Preis an Judith Butler im Jahr 2012 formuliert.

Nur zur Erinnerung: Es waren jüdische Wissenschaftler, die als erste im Jahr 1933 aus deutschen Hochschulen entfernt wurden. Schließlich gab es auch keine Berufsgruppe, in der es in diesem Jahr prozentual so viele Mitglieder der NSDAP gab wie unter deutschen Professoren, von denen nicht wenige sich am 11. November 1933 mit dem unvergessenen »Bekenntnis zu Adolf Hitler« zu Wort meldeten.

Apropos Deutsches Orient-Institut

Das Deutsche Orient-Institut im Libanon veranstaltete 2004 gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung eine Konferenz, an der auch die Hisbollah beteiligt war. Damals schrieben Thomas Uwer und ich: »Vom 17. bis 19. Februar soll im deutschen Orient-Institut Beirut eine Konferenz unter dem paradigmatischen Titel ›The Islamic World and Europe: From Dialogue towards Understanding‹ stattfinden, organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Orient-Institut in Kooperation mit dem Consultative Center for Studies and Documentation (CSSD) sowie der österreichischen Botschaft.« 

Wie kurz der Weg vom »Dialog« zum »Verständnis« ist, hielten wir bereits damals fest und zeigt die Liste der geladenen Referenten: »Neben den deutschen Experten Michael LüdersHelga Baumgarten und Volker Perthesreferieren u. a. Sheikh Naeem Quasim von der Hisbollah, [der als Begründer des ›Euro-Islam‹ geltende Islamist] Tariq Ramadan sowie Azzam al-Tamimi vom britischen Muslim Council. Spannung verspricht auch der Vortrag von Jamal al-Banna, dem Bruder des Gründers der Muslimbruderschaft, der über das Thema ›Demokratie – ein flexibles Konzept‹ sprechen wird.«

Flexibilität oder doch zumindest Geschmeidigkeit im sprachlichen Umgang mit dem islamistischen Terror attestierten Uwer und ich damals auch der Konferenz des Deutschen Orient-Instituts, habe doch die Friedrich-Ebert-Stiftung dafür gesorgt, »dass nur der reflektierte Islamismus aufs Podium darf, während das vermummte Fußvolk draußen in der Bekaa-Ebene warten muss«, der Hochburg der israelfeindlichen Hisbollah im Libanon. 

»Besatzung und Widerstand« hieß damals beispielsweise die Diskussionsrunde mit Michael Lüders und Ali Fayyad vom Hisbollah-Thinktank CSSD, während der Untertitel »eine differenzierte Perspektive« lautete. Eine ähnlich »differenzierte Perspektive« wird man wohl auch vom designierten neuen Chef des Deutschen Orient-Instituts erwarten dürfen.

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