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Entführtem Deutsch-Iraner droht in Teheran die Hinrichtung

Demonstration in Köln gegen die Hinrichtung von Oppositionellen im Iran. (imago images/Future Image)
Demonstration in Köln gegen die Hinrichtung von Oppositionellen im Iran. (imago images/Future Image)

Das iranische Regime soll den Deutsch-Iraner aus Dubai verschleppt haben. Ihm droht wegen »Korruption auf Erden« die Todesstrafe.

Während vor wenigen Wochen im Wiener Palais Coburg die Verhandlung über eine Wiederbelebung des Atomabkommens mit dem Iran wieder aufgenommen wurden, sorgte der Amerikaner Barry Rosen für Schlagzeilen. Im Jahr 1979 war Rosen Presseattaché in der amerikanischen Botschaft in Teheran gewesen. Als das Gebäude am 4. November von Khomeini-Anhängern besetzt wurde, begann für Rosen eine 444 Tage lang andauernde Geiselhaft voller Misshandlungen, Scheinhinrichtungen und Todesangst.

Mehr als vierzig Jahre später, im Januar 2022, trat der mittlerweile 77-jährige Rosen in Wien in einen Hungerstreik, um auf das Schicksal all jener Ausländer aufmerksam zu machen, die vom iranischen Regime verschleppt, inhaftiert und oft in fadenscheinigen Gerichtsverfahren zu langjährigen Haftstrafen oder gar zur Hinrichtung verurteilt werden. Mit dem Regime, so forderte Rosen, dürfe es keinen erneuten Deal geben, solange es Ausländer oder Doppelstaatsbürger derart willkürlich behandelt und als Faustpfand für mögliche Tauschgeschäfte missbrauche. »Wir müssen die Geiseln herausholen. Alle«, sagte Rosen unter Anspielung auf seine eigene Geschichte.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte macht jetzt auf einen weiteren solchen Fall aufmerksam. In einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung weist sie auf den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd hin, der vor einem »Revolutionsgericht« in Teheran wegen »Korruption auf Erden« angeklagt worden sei. Im Falle einer Verurteilung droht Sharmahd die Todesstrafe, der Richter in diesem Prozess soll berüchtigt dafür sein, Todesurteile zu verhängen.

Dem an Diabetes und Parkinson leidenden Sharmahd werde medizinische Betreuung verweigert. Wo genau er festgehalten wird, sei unbekannt. Auch der Verteidiger seines Vertrauens habe keinen Zugang zu ihm, vor Gericht sei ihm ein Pflichtverteidiger zugeteilt worden.

Sharmahd stammt aus Teheran, lebt aber seit Mitte der 1990er Jahre in Deutschland und hat auch die deutsche Staatsbürgerschaft. (Da man die iranische Staatsbürgerschaft nicht zurücklegen kann, betrachtet der Iran ihn weiterhin als iranischen Bürger.) Laut einem Bericht der New York Times soll er Mitglied einer royalistischen iranischen Oppositionsgruppierung mit Sitz in Kalifornien sein. Das iranische Regime wirft ihr vor, für einen Bombenanschlag auf eine Moschee in Shiraz im Jahr 2008, bei dem 14 Menschen getötet und über 200 verletzt wurden, sowie für weitere Terroranschläge verantwortlich zu sein, unter ihnen der Bombenanschlag auf das Khomeini-Mausoleum in Teheran im Jahr 2010.

Sharmahd soll der Chef von »Donner« sein, dem militanten Flügel der Kingdom Assembly of Iran. Die vergleichsweise kleine Gruppierung tritt für die Wiedereinführung der Monarchie ein. Der Gründer der Organisation, der Schauspieler, Autor und Regisseur Frood Fouladvand, verschwand im Januar 2007 mit zwei Mitstreitern nahe der iranischen Grenze in der Türkei. Wahrscheinlich wurden sie vom iranischen Geheimdienst verschleppt. Ihr Schicksal ist seitdem ungewiss, manche vermuten, dass Fouladvand exekutiert wurde.

Bereits mehrere Mitglieder der Kingdom Assembly of Iran wurden vom iranischen Regime wegen ihrer angeblichen Beteiligung an dem Anschlag in Shiraz hingerichtet. Ihre tatsächliche Verantwortung für die Tat ist jedoch nicht erwiesen, im Westen wird die Gruppe nicht als terroristisch eingestuft.

Nach seiner Verhaftung zeigte das staatliche iranische Fernsehen ein Video, in dem Sharmahd mit einer breiten Augenbinde zu sehen war, die große Teile seines mutmaßlich von Schlägen geschwollenen Gesichts bedeckte. In der Aufnahme »gestand« Sharmahd die Beteiligung seiner Gruppierung an Terroranschlägen. Das Regime hat es sich zur Angewohnheit gemacht, solche erzwungene »Geständnisse« auszustrahlen; im Laufe der Jahre waren es bereits über 350.

Zum Zeitpunkt seiner Verhaftung war unklar, wie Sharmahd in die Hände des Regimes gefallen war. Der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte zufolge soll er vom iranischen Geheimdienst in Dubai entführt worden sein. Sharmahd soll sich seitdem in einem Geheimgefängnis befinden und nur äußerst selten telefonischen Kontakt zu Familienangehörigen haben. Auf Fotos, die in iranischen Medien von seinem Prozessauftakt am 6. Februar zu sehen war, habe er laut seiner Familie abgemagert ausgesehen und sei „nicht er selbst“ gewesen.

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