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Backlash für US-Universitäten nach Antisemitismus-Anhörung

Die drei Uni-Präsidentinnen bei der als skandalös empfundenen Anhörung. (© imago images/USA TODAY Network)
Die drei Uni-Präsidentinnen bei der als skandalös empfundenen Anhörung. (© imago images/USA TODAY Network)

Eine als skandalös empfundene Anhörung durch den Senat führt zu Rücktrittsforderungen und zurückgeforderten Spenden in mehrfacher Millionenhöhe.

Das Hearing im amerikanischen Kongress, bei dem am vergangenen Dienstag die Präsidentinnen dreier Eliteuniversitäten zu den antisemitischen Umtrieben an amerikanischen Institutionen der höheren Bildung Stellung nehmen sollte, zieht Folgen nach sich. Dass Claudine Gay (Harvard), Liz Magill (University of Pennsylvania) und Sally Kornbluth (Massachusetts Institute of Technology) sich partout weigerten, in Aufrufen zum Genozid an Juden einen Verstoß gegen die Verhaltenskodizes ihrer Universitäten zu sehen, erntete deutlichen Widerspruch und könnte für die betroffenen Unis deutliche finanzielle Einbußen bedeuten.

Mangel an moralischer Klarheit

Ein ehemaliger Rechtsprofessor der Harvard-Universität bezeichnete die Aussagen von Claudine Gay als »zögerliche, formelhafte und bizarr ausweichende Antworten«, die für ihn sowie für viele seiner »Kollegen, Studenten und Freunde zutiefst beunruhigend« seien. Der Gouverneur von Pennsylvania, der linke Demokrat Josh Shapiro, empfand Magills Statement als »zutiefst beschämend«. Es »sollte nicht so schwierig sein« und es dürfe auch »keine Nuancen geben«, wenn es darum geht, sich von Aufrufen zum Völkermord zu distanzieren.

Amerikas Second Gentleman, Vizepräsidentin Kamela Harris’ Ehemann Doug Emhoff, bezog ebenfalls Stellung: »Die Weigerung, Völkermorddrohungen gegen Juden antisemitisch zu nennen, ist inakzeptabel und ein Mangel an moralischer Klarheit.« Auch das Weiße Haus meldete sich zu Wort. Sprecher Andrew Bates konkretisierte: »Es ist unfassbar, dass dies gesagt werden muss: Aufrufe zum Völkermord sind ungeheuerlich und stehen im Widerspruch zu allem, das wir als Land repräsentieren.«

Den drei Präsidentinnen droht nun Ungemach ganz persönlicher Natur, denn es hagelt Rücktrittsforderungen aus allen Richtungen. In einem offenen Brief fordern 72 Kongressabgeordnete die Führungen der drei Universitäten auf, ihre Präsidentinnen zu feuern.

Im Zentrum der Kritik steht vor allem Liz Magill, wozu nicht nur ihr Herumlavieren auf sehr einfache Fragen, sondern auch das beinahe süffisante Lächeln beigetragen haben dürfte, das sie während der Befragung zeigte. Der Vorstand der Wharton Business School an der University of Pennsylvania forderte Magill jedenfalls auf, ihr Amt niederzulegen. Das Kuratorium der Universität soll am Sonntag zu einer Art Krisensitzung zusammentreffen. Währenddessen ließ ein Großspender der Penn wissen, rund hundert Millionen Dollar zurückzufordern, die er 2019 der Universität zukommen ließ.

Zurückrudern

Kein Wunder also, dass zumindest zwei der drei in die Kritik geratenen Präsidentinnen um Schadensbegrenzung bemüht sind. Den Anfang machte Liz Magill, die in einer Videobotschaft vieles von dem sagte, das sie wohl besser einige Tage zuvor bei der Kongressanhörung gesagt hätte. Sie verurteilte Aufrufe zum Genozid an Juden als »böse« und kündigte eine Untersuchung betreffender Vorfälle an ihrer Universität an. Ihr abgelesenes Statement enthielt aber keine Bitte um Entschuldigung für ihren im besten Fall unglücklichen Auftritt im Kongress.

Das tat dafür Harvard-Präsidentin Claudine Gay in einem Interview mit dem Harvard Crimson, einer Studentenzeitung ihrer Universität. Sie habe sich bei der Anhörung in einen konfrontativen Wortwechsel mit einer Abgeordneten hineinziehen lassen, statt sich »auf meine Leitwahrheit zu besinnen, nämlich dass Aufrufe zur Gewalt gegen unsere jüdische Gemeinschaft, Drohungen gegen unsere jüdischen Studenten, in Harvard keinen Platz haben und niemals unwidersprochen bleiben werden«.

Ob diese Worte ausreichen, um zur Beruhigung beizutragen, werden die kommenden Tage zeigen. Aber die Aussagen in dem Interview dürften jedenfalls besser aufgenommen werden als ihr erster Versuch zu kalmieren. Denn einen Tag nach der Kongressanhörung hatte sie über die Social-Media-Profile ihrer Universität ausrichten lassen: »Es gibt einige, die das Recht auf freie Meinungsäußerung mit der Vorstellung verwechseln, dass Harvard Gewaltaufrufe gegen jüdische Studenten duldet. Lassen Sie es mich klar sagen: Aufrufe zu Gewalt oder Völkermord gegen die jüdische Gemeinschaft oder jede andere religiöse oder ethnische Gruppe sind abscheulich, sie haben keinen Platz in Harvard, und diejenigen, die unsere jüdischen Studenten bedrohen, werden zur Rechenschaft gezogen.«

Unerwähnt ließ sie allerdings, dass sie selbst den Eindruck erweckt hatte, Aufrufe zum Judenmord würden in Harvard als Teil »freier Meinungsäußerung« akzeptiert werden. Denn anders waren ihre Stellungnahmen im Kongress nicht zu verstehen.

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