„Der iranische Öltanker hieß noch ‚Grace 1‘ und fuhr unter der Flagge Panamas, als ihn Großbritannien am 4. Juli vor Gibraltar festsetzte, weil er mutmaßlich Öl für Syrien transportierte. Das Schiff gehöre den iranischen Revolutionsgarden und dürfe Gibraltar auf keinen Fall verlassen, urteilte ein US-amerikanisches Gericht vergangenen Freitag. Auch von Geldwäsche und Terrorismus ist in dem Urteil die Rede.
Doch davon unbeeindruckt ließen die Behörden in Gibraltar den Tanker am Sonntag frei. ‚Revolutionäre Diplomatie zahlt sich immer aus‘, titelte am Montag die iranische Nachrichtenagentur Tasnim, die den Revolutionsgarden gehört. Ob es die geheime oder die revolutionäre Diplomatie war, die schließlich zur Freigabe des Tankers führte, sei allerdings dahingestellt.
Doch der neue Name des Tankers sagt viel über die aus, die das Schiff von Teheran aus steuerten und immer noch steuern. Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass ‚Grace 1‘ nun den Namen Adrian – zu deutsch Hadrian – und die iranische Flagge trägt.
Darüber, wer Adrian war, können die IranerInnen im offiziellen Geschichtslexikon folgende Sätze lesen: ‚Adrian ist jener römische Kaiser, dessen größter Verdienst die Zerschlagung der jüdischen Aufwiegelung und die Wiederherstellung der Ruhe im Römischen Reich war. Außerdem verhinderte Adrian durch seine geschickte Verhandlung mit dem König Kyros einen bevorstehenden Krieg mit dem Iran.‘ So viel über Adrians Biographie, mehr gibt es dort nicht zu lesen. Ein Name also voller Symbolik: Rom, Juden, Syrien, der Iran – alles, was die Welt prägte und noch prägt. Dabei kann man den vielsagenden neuen Namen für den Öltanker natürlich deuten, wie man will. (…)
Für die Hardliner in der Islamischen Republik stellte Symbolik allerdings immer die Gesamtheit der Politik dar. Beispiele dafür gibt es zuhauf: So schossen die Revolutionsgarden zwei Tage, nachdem das Atomabkommen mit der internationalen Gemeinschaft unterzeichnet worden und die iranische Delegation triumphierend heimgekehrt war, eine Rakete in die Luft, auf der in hebräischer Sprache ‚Israel muss verschwinden‘ zu lesen war. Das war mehr als Symbolik, das war pure Politik.
Denn in jenen zwei Tagen, in denen das Abkommen im Iran und an vielen anderen Orten der Welt als neuer Anfang bejubelt wurde, wiederholten der iranische Präsident Hassan Rouhani und sein Außenminister Mohammad Javad Zarif stets, dass eine neue Zeit angebrochen sei. Weitere Abkommen seien auf dem Weg, die Irans Beziehung zur Außenwelt normalisieren würden. Dann stiegen diese drei hebräischen Worte auf der Rakete in die Luft. Sie sollten Rouhani, Zarif und der ganzen Welt klarmachen, wohin die iranische Reise geht und wer der Reiseführer ist. Seither sind drei Jahre vergangen – und die Symbole machen weiterhin Politik.“ (Ali Sadrzadeh, Iran Journal: „Radikalität angesichts der Ausweglosigkeit“)