Von Alex Feuerherdt
Nach einer aggressiven Kampagne der BDS-Bewegung schloss die Firma SodaStream ihr in einer israelischen Siedlung gelegenes Hauptwerk und zog in den Negev um. Rund 500 palästinensische Angestellte büßten im Zuge dessen ihren Arbeitsplatz ein. 74 von ihnen sind nun wieder eingestellt worden, nachdem der Chef des Unternehmens über ein Jahr lang um eine Arbeitserlaubnis für sie gekämpft hat.
„Wenn man die Möglichkeit hat, nach Hause zurückzukehren, dann nimmt man sie auch wahr“, sagt Ali Jafar. Der 42-jährige Palästinenser freut sich, dass er nun wieder die Erlaubnis hat, für seinen israelischen Arbeitgeber SodaStream tätig zu sein, bei dem er schon einmal drei Jahre lang angestellt war. Den weltbekannten Hersteller von Trinkwassersprudlern nennt Jafar sein „zweites Zuhause“. Auch sein palästinensischer Kollege Yasin Abu Atik ist erleichtert. Wie Jafar hat der 30-Jährige seinen Arbeitsplatz bei SodaStream unlängst wieder eingenommen. Schon früher war er eineinhalb Jahre lang bei der Firma beschäftigt, die letzten fünf Monate davon nahm der in einer palästinensischen Ortschaft in der Nähe von Jerusalem lebende Mann an jedem Werktag eine stundenlange Busfahrt in den Negev auf sich, wo seit Herbst 2015 das Hauptwerk des Unternehmens angesiedelt ist. Um fünf Uhr morgens fuhr er los, erst um neun Uhr abends war er wieder daheim. „Ich mag die Arbeit dort“, sagt Atik. „Das Tempo ist nicht sehr hoch, man steht nicht so unter Druck. Und das Geld kann ich gut gebrauchen.“
Ali Jafar und Yasin Abu Atik sind zwei von 74 palästinensischen Angestellten des Konzerns, deren Arbeitsgenehmigungen der israelische Staat Ende Februar 2016 widerrufen hatte, bevor er sie vor wenigen Tagen schließlich erneuerte. Der Entzug der Erlaubnis hatte zu einem Streit zwischen dem SodaStream-Vorstandsvorsitzenden Daniel Birnbaum und der Regierung geführt. Birnbaum hatte dem Premierminister Benjamin Netanyahu sogar vorgeworfen, eine „Insel des Friedens“ zu zerstören und damit auch die Propaganda der Israelfeinde anzuheizen. Die Regierung hatte das zurück- und auf die bestehenden Arbeitsgesetze hingewiesen. So verloren die Palästinenser gezwungenermaßen ihre Beschäftigung bei SodaStream, und der Vorstandschef sagte: „Das war der schwierigste und traurigste Tag in meinem Leben. Ich kann nicht glauben, dass eine jüdische Regierung mir auferlegt, Kinder dem Hunger auszusetzen.“
Das Wohl der Palästinenser ist der BDS-Bewegung egal
Die ganze Geschichte ist nicht zu erklären, ohne die Rolle zu thematisieren, die die BDS-Bewegung darin spielt. Lange Jahre stand die Hauptproduktionsanlage von Soda Stream in der israelischen Siedlung Mishor Adumim im Westjordanland. Das Unternehmen sah sich deshalb einer aggressiven Kampagne jener Bewegung ausgesetzt, die einen Boykott, einen Kapitalabzug und Sanktionen gegen Israel fordert. Immer wieder riefen BDS-Aktivisten dazu auf, die Erzeugnisse der Firma nicht zu kaufen, weil diese auf besetztem Gebiet ansässig sei. SodaStream begegnete dieser Forderung stets mit dem Hinweis darauf, dass zu den 1.300 Beschäftigten im Mishor Adumim auch rund 500 Palästinenser gehörten, die nach dem gleichen Tarif bezahlt würden wie ihre israelischen Kollegen – was dem Vierfachen des Durchschnittslohns in den palästinensischen Gebieten entspreche – und mit diesen in jeder Hinsicht gleichberechtigt zusammenarbeiteten. Palästinensische Angestellte bestätigten diese Darstellung und wiesen die Boykottaufrufe zurück.
Dazu hatten sie auch guten Grund, schließlich drohte ihnen bei einer Verlegung der Betriebsstätte der Verlust ihres Arbeitsplatzes. Die BDS-Bewegung hielt ihre Forderung gleichwohl aufrecht, womit sie einmal mehr deutlich machte, dass es ihr keineswegs um das Wohl der Palästinenser geht, sondern einzig und allein um die Schädigung Israels. Als SodaStream sein Werk in Mishor Adumin im Herbst 2015 schließlich dicht machte und in den Negev zog, war die Freude bei den Boykotteuren entsprechend groß. Sie feierten einen „klaren Sieg gegen eine abscheulich mitschuldige israelische Firma“, wie es der BDS-Gründer Omar Barghouti formulierte. Dass fast alle palästinensischen Angestellten durch die Schließung des Standortes ihren Job und damit ihre Lebensgrundlage verloren, focht die vermeintlich pro-palästinensischen Aktivisten nicht an. Daniel Birnbaum entgegnete Barghouti dann auch, er begreife nicht, wie die Entlassung von Palästinensern Frieden und Menschlichkeit fördern solle.
Birnbaums Kampf für die Arbeitsgenehmigungen
Nur 74 bei SodaStream tätige Palästinenser behielten zunächst die Erlaubnis des israelischen Staates, auch in der neuen Produktionsanlage im Süden Israels zu arbeiten. Das hing nicht zuletzt mit den Arbeitsgesetzen zusammen, die für Palästinenser, die in israelischen Siedlungen im Westjordanland einem Job nachgehen, weniger restriktiv sind als für nicht-israelische Arbeiter im israelischen Kernland. Bei diesen sind je nach Beschäftigungszweig staatliche Quoten zu beachten, durch die Israelis – jüdische wie arabische – begünstigt werden. Einige Monate nach der Verlegung des Hauptwerks von SodaStream wurde schließlich auch den 74 palästinensischen Angestellten die Bewilligung entzogen. Durch den Umzug in den Negev habe sich die Möglichkeit für SodaStream, palästinensische Arbeitskräfte zu beschäftigen, nun mal verschlechtert, argumentierte die israelische Regierung. Den Vorstandsvorsitzenden Birnbaum brachte das in Rage: Angesichts von 58.000 Arbeitsgenehmigungen für Palästinenser in Israel und eines Kabinettsbeschlusses, der eine Erlaubnis für weitere 30.000 vorsah, konnte er nicht nachvollziehen, warum seine langjährigen palästinensischen Mitarbeiter nicht darunter sein sollten.
Birnbaum zog sogar in Erwägung, die Arbeit im gesamten Unternehmen so lange ruhen zu lassen, bis die Palästinenser wieder eine Erlaubnis erhalten. Auch über die Verlagerung eines Teils der Produktion nach Ramallah dachte er laut nach: „Wenn die israelische Regierung Palästinensern nicht erlaubt, ihre Jobs zu behalten, dann bringe ich diese Jobs zu den Palästinensern.“ Netanjahu warf er vor, willentlich ein Projekt zu beschädigen, in dem 500 Palästinenser mit 500 jüdischen Israelis und weiteren 200 bis 300 arabischen Israelis, Drusen, Beduinen und Christen friedlich, auf Augenhöhe und zu gleichen Löhnen zusammenarbeiteten. Am Ende hatte Birnbaums Einsatz Erfolg: Vor wenigen Tagen erteilte die israelische Regierung den 74 verbliebenen palästinensischen Angestellten von SodaStream erneut eine Arbeitsgenehmigung, was Birnbaum „moralisch und ehrenhaft“ findet. Auf seiner Facebook-Seite dokumentierte er die Rückkehr der Arbeiter zu SodaStream und deren Begrüßung durch ihn persönlich.
„Diese Leute können nun wieder ihren Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen und gleichzeitig beweisen, dass eine Koexistenz möglich ist“, sagte er. Für die BDS-Bewegung dagegen ist genau das ein Tritt in den Allerwertesten, schließlich war es ihr Ansinnen, beides zu verhindern – gegen den Willen der Palästinenser bei SodaStream. Daniel Birnbaum sei ein „Mann des Friedens“, sagt Ali Jafar. Von BDS-Aktivisten wie Omar Barghouti lässt sich das nicht behaupten.