Wenn muslimische Führer für israelische Hoheitsgewalt im Westjordanland beten

Yossi Dagan (mi.) and Scheich Abu-Khalil Tamimi (re.))
Yossi Dagan (mi.) and Scheich Abu-Khalil Tamimi (re.) (Foto: Samaria Regional Council)

Selbst muslimische Araber reden offener und ehrlicher über die palästinensische Führung als die europäische Politik. Gehört werden sie bei uns nicht. 

Wenige Tage bevor Europa, mit Ausnahme von Österreich und Ungarn, die neue israelische Regierung mit Warnungen vor der Besetzung des Westjordanlands begrüßte, traf sich im Regionalrat von Samaria eine illustre Runde zum Iftar, dem abendlichen Fastenbrechen während des Ramadan. 

Der Leiter des Regionalrats, Yossi Dagan, empfing Scheich Abu Khalil al Tamimi aus Ramallah, Mohammed Massad aus Jenin, Sara Zoabi und andere arabische und muslimische Führungspersönlichkeiten, die aus Angst um ihr Leben anonym bleiben wollen, berichten israelische Medien. Sie sprachen über die möglichen Folgen von Donald Trumps „Deal of the Century“ auf die Region, wie man den Terror ausrotten und die ständige Aufwiegelung zur Gewalt beenden könne, und wie man die wirtschaftliche Zusammenarbeit und das friedliche Zusammenleben aufrechterhalten und weiter ausbauen könne. 

„Terror ist das Ergebnis der Aufwiegelung durch die Palästinensische Autonomiebehörde. … Es gibt eine Alternative zur mörderischen Palästinensischen Autonomiebehörde, es gibt Führer, die an Ruhe und Koexistenz interessiert sind, und sie sitzen hier bei uns. Das Trump-Programm stützt sich weitgehend auf die in unseren Industriegebieten entwickelten Wirtschaftsmodelle, und das sind unsere natürlichen Partner für das Zusammenleben hier.“

Sagte Yossi Dagan, der in Shavei Shomron lebt, einer jüdischen Gemeinde westlich von Nablus. Dagan stammt aus Sa-Nur, das im Rahmen des israelischen Rückzugs aus dem Gazastreifen und vier Siedlungen im nördlichen Westjordanland im August 2005 evakuiert wurde. 2015 wurde er zum Vorsitzenden des Regionalrats von Samaria gewählt, der kommunale Dienstleistungen für die 35 jüdischen Gemeinden in den samarischen Hügeln erbringt, in denen knapp 24.000 Menschen leben. 

Scheich Abu Khalil al Tamimi ist der geistliche Führer der Salafisten und Mitglied im Scharia-Gerichtshof in den Palästinensergebieten. Er lehnt eine Zweistaatenlösung ab und will „unter israelischer und gleichberechtigter Demokratie in Palästina leben.“ Dass dies auf das Ende Israels als jüdischen Staat hinauslaufen würde, soll hier nicht das Thema sein. Bemerkenswert ist vielmehr, was al Tamimi über die Palästinensischen Autonomiegebiete sagt, zum Beispiel in einem Interview mit Israel Heute im Jahr 2017:

„Glauben Sie mir, viele Palästinenser sagen mir, dass ein Leben in Israel viel besser sei als in den Autonomiegebieten und arabischen Ländern.“

Beim Abendessen im Büro des Regionalrats meinte er laut Arutz Sheva:

„Für den durchschnittlichen Palästinenser ist Souveränität bedeutungslos, weil Israel seit 1967 das Gebiet C kontrolliert, also gibt es hier nichts Neues. Die meisten Palästinenser wollen auch in Frieden leben und so schnell wie möglich gute politische Vereinbarungen und Lösungen erreichen.

Das ist es, was der durchschnittliche Palästinenser über den Deal des Jahrhunderts und die Souveränität denkt. Wir wollen uns auf die regionalen Veränderungen vorbereiten, uns auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit auch mit den Siedlern, angeführt von Yossi Dagan, konzentrieren, wir müssen gemeinsam überlegen, wie unsere gemeinsame Zukunft aussehen wird.“

Muhammad Masad leitet die palästinensische Arbeitergewerkschaft mit 40.000 Mitgliedern. Er wird mit den Worten zitiert:

„Die palästinensischen Arbeiter sind gegen den Terror und gegen die Korruption der Palästinensischen Autonomiebehörde. Wenn der israelische Arbeiter und der palästinensische Arbeiter zusammenarbeiten und füreinander sorgen, zusammen in Freude und zusammen in schwierigen Momenten, dann werden sich unsere Kinder für den Kampf schämen. Friedensverhandlungen werden nicht notwendig sein, weil es Frieden gibt.“

Und die israelisch-arabische Aktivistin Sara Zoabi sagte:

„Ich denke, der Jahrhundert-Deal ist das Richtige für Araber und Israelis, und ich weiß, dass ein großer Prozentsatz der Palästinenser an dem Programm und der Anwendung [israelischer] Hoheitsgewalt interessiert ist und sogar dafür betet.“

Ungehörte Stimmen von der Straße

Was im Büro von Yossi Dagan gesprochen wurde, unterscheidet sich kaum von dem, was ich in Ramallah hörte, wenn ich mit Palästinensern sprach, die sich nicht im Dunstkreis von Fatah und Hamas befinden. 

Da war der Taxifahrer, der meinte, er kenne die Straßen in Israel, und er kenne die Straßen hier. Wo sei das ganze Geld, dass die Europäer zahlen, fragte er rhetorisch nur die Villen der Bonzen und ihrer Günstlinge seien immer prächtiger geworden. Oder der alte Mann, der den historischen Fliesenboden im Hotel in Schuss hält, auf den er so stolz ist. Er sei so gern in seiner Jugend nach Gaza zum Baden gefahren, erzählte er, und das Leben sei vor Oslo viel besser gewesen, viel weniger Dreck und Korruption. Oder der Bäcker, der nicht mehr weiß, wie er seine beiden Söhne vor dem Einfluss der Terrorbanden beschützen soll: „An jeder Ecke stehen sie und sagen ihnen: ‚Komm, kämpf mit uns gegen Israel‘. Das ist kein Ort, an dem man Kinder großziehen kann.“

Es wäre naiv zu glauben, dass alle diese Stimmen zugleich Stimmen für einen souveränen jüdischen Staat wären. Aber es sind Stimmen gegen die verantwortungslose palästinensische Führung, gegen Diktatur, Korruption und Armut. Stimmen der Hoffnung auf eine bessere Zukunft ­– im Wissen, dass nicht die Autonomiebehörde und schon gar nicht die Hamas diese Zukunft schaffen werden. Stimmen von Menschen, die man mit der Perspektive auf ein Leben, wie wir es für selbstverständlich halten, für ein friedliches Zusammenleben gewinnen kann. 

In Europa hört und liest man davon kaum etwas. Stattdessen schwadronieren Politiker von einem „unabhängigen, demokratischen und lebensfähigen palästinensischen Staat“, obwohl jede einzelne dieser Zuschreibungen meilenweit von der Realität entfernt ist. Die gegenwärtige Palästinensische Führung ist Teil des Problems und nicht der Lösung. Solange sich die Politik gegenüber der Wirklichkeit vor Ort blind und taub stellt, gilt das auch für Europa. 

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