Erweiterte Suche

Jüdische Kronzeugen gegen Israel im Kreisky Forum – passt schon

Im Jahr 2000 war Avraham Burg als damaliger Knessetpräsident in Brüssel zu Gast; heute gibt er bevorzugt den jüdischen Israelkritiker. (© imago images/Becker&Bredel)
Im Jahr 2000 war Avraham Burg als damaliger Knessetpräsident in Brüssel zu Gast; heute gibt er bevorzugt den jüdischen Israelkritiker. (© imago images/Becker&Bredel)

Avraham Burg war beim Wiener Kreisky Forum ein gerngesehener Gast – von dieser Art jüdischer Israelkritik kann man dort nicht gar genug kriegen.

In der jüdischen Geschichte erlagen oft Einzelne dem Assimilationsdruck einer antisemitischen Mehrheitsgesellschaft. Solange dies nur religiöse Wurzeln hatte, schafften sie im Mittelalter die Anpassung, um sodann über das Judentum als „Jüdische Kronzeugen“ herzuziehen wie Pablo Christiani oder Nikolaus Donin, der in einen Bettelorden eintrat. Heute gelingt dies auch relativ unwichtigen Personen, die ihre Bedeutung erst durch die von ihnen als Israelis vorgebrachte Israelkritik erlangen.

Auf Avraham Burg trifft dies nicht zu. In der profanisierten Gesellschaft ist ein Religionswechsel nicht nötig. Bettler werden zu müssen, braucht er auch nicht zu befürchten, und mit seinem abwechslungsreichen Werdegang ist er nicht unbedeutend.

Vergangene Woche hatte er im Bruno Kreisky-Forum für internationalen Dialog einen Auftritt per Zoom. Er plauderte dort mit dem ebenfalls einschlägig bekannten Hanno Loewy, dem Direktor des jüdischen Museums in Hohenems, der andächtig seinen Lippen lauschte und gelegentlich Stichworte gab.

Eine israelische Karriere

Burg ist Sohn eines Tycoons der modern-orthodoxen zionistischen Misrachi-Bewegung. Er selbst war seinerzeit Vorsitzender des israelischen Parlaments, der Knesset, und der Jewish Agency, der zionistischen Weltorganisation. Wie andere Ex-Politiker auch, versuchte er mit seinem Namen im Geschäftsleben erfolgreich zu sein und verlegte sich auf Privatisierungen.

Eines seiner Projekte waren die Ashot Industries in Ashkelon die unter anderem in der Waffenproduktion aktiv waren. Eine Untersuchung durch den israelischen Rechnungshof wegen vermuteter Unregelmäßigkeiten folgte. Das nächste kurzzeitige Projekt widmete sich der Getreideproduktion in Galiläa, ein Fremdenverkehrsprojekt mit einem umstrittenen Partner im Ausland kam danach.

Nach den geschäftlichen Misserfolgen und einem Gerichtsstreit, bei dem Burg das Recht, weiter einen Dienstwagen der Jewish Agency benützen zu dürfen, sicherstellen wollte, wurde er zum politischen Aktivisten und Anhänger der mit Islamisten verbündeten israelischen Kommunistischen Partei. In der Folge stellte er den Antrag, das Wort „jüdisch“ aus seinem Personalausweis zu streichen. Danach wurde er Schriftsteller und betrachtet sich heute als politischer Aktivist.

Zu Gast bei Gleichgesinnten

Im Dialog des Kreisky-Forums hatte Burg nur wenig Freundliches über das politische System Israel zu sagen, das er als „protofaschistisch“ bezeichnete – und sich damit in die Nähe eines Terrains dessen begab, was in gängigen Definitionen als Beispiel für israelbezogenen Antisemitismus firmiert. Netanyahu habe laut Burg dieselben Interessen wie Erdogan.

Zum Antisemitismus fiel Burg nur ein, die Vorwürfe der Antisemiten gegenüber Juden mit der Idee des „auserwählten Volkes“ – einer angeblichen Höherwertigkeit, die sich aber in Wahrheit lediglich auf das biblische Angebot Gottes und die Annahme der 10 Gebote am Berg Sinai bezieht – auf eine Stufe zu stellen. Also: „der Jud ist selber schuld“.

Dabei müsste Burg, aus einer gebildeten jüdischen Familie stammend, eigentlich das jüdische religiöse Prinzip der noahidischen Gesetze kennen. Danach werden alle Menschen, die diese Gesetze Noahs ähnlich den 10 Geboten befolgen, von Gott als gleichwertig gesehen. Damit erübrigt es sich, Andersgläubigen den eigenen Glauben aufzuzwingen, „um dessen Seele zu retten“. Deshalb kennt das Judentum keine Mission.

Und auch Bundeskanzlerin Merkel bekam Kritik ab: Nicht etwa wegen der Verfolgung deutscher Wirtschaftsinteressen im Iran, sondern wegen der von ihr geäußerten besonderen Beziehung Deutschlands mit Israel.

Avraham Burg muss nicht erst in einen Bettelorden eintreten. Er kann es auch so. Quod erat demonstrandum.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!