Jährlich landen etliche Millionen Tonnen Plastikmüll im Meer. Mehrere israelische Gruppen versuchen, Bewusstsein für das Problem zu schaffen.
Israel ist ein Land mit einer ausgeprägten Strand-Kultur. Samstagnachmittags sind auch zu Zeiten von COVID-19 die Strände voll. Surfer nutzen schon vor der Arbeit die besten Wellen und Kinder bauen Sandburgen mit ihren Eltern. Doch am Abend bleiben die Einwegbecher, Bierdosen und Plastikflaschen am Strand zurück. „Man sollte meinen, dass Menschen, die ihr Land lieben, auch darauf achten es zu pflegen“, so Michael Raphael, der Direktor von Mediterranen People, einem Zusammenschluss der größten Meeresschutz-Organisationen in Israel, der versucht, in Israel ein Bewusstsein für die Verschmutzung der Meere zu schaffen.
Für plastikfreie Strände
Jährlich werden rund 320 Millionen Tonnen Plastik produziert, Tendenz steigend. Nur zwischen 22 und 43 Prozent davon werden recycelt, der Rest wird größtenteils auf Deponien entsorgt. Doch jedes Jahr gelangen auch rund 10 Millionen Tonnen Plastik ins Meer und schädigen dort das Leben von Hunderten Meerestierarten.
Eine der israelischen Gruppen, die diesem Übel entgegentreten, ist Plastic Free Israel. Gegründet wurde sie von Stav Friedman, einer amerikanischen Forscherin für Mikroplastik, die 2018 nach Israel gezogen ist und über die Verschmutzung der Strände entsetzt war. Zu dem ersten Beach-Clean-Up Event, den sie über Facebook und Instagram beworben hatte, tauchten 12 Leute auf – heute sind schon 900 Freiwillige an der Organisation beteiligt, die seit ihrer Gründung über fünfeinhalb Tonnen Müll aufgesammelt hat. An einem Clean-Up am Gordon Strand in Tel Aviv sammelten Friedman und ihre Mitstreiter in nur einer Stunde 15.000 Zigarettenstummel ein.
Zigarettenüberreste stehen auch im Mittelpunkt der Arbeit einer anderen Organisation namens Clean the Butts. Sie bemüht sich darum, ein Bewusstsein über die Schäden zu schaffen, die durch diese Art sorglos weggeworfenen Mülls entstehen. „Das Liegenlassen von gebrauchten Zigaretten ist bereits normalisiert und wird oft gar nicht als Verschmutzung wahrgenommen“, so Julian Melcer, Gründer der Organisation. In Wirklichkeit gehörten Zigaretten jedoch zu den meist verwendeten Arten von Einwegplastik. Clean the Butts sammelt die weggeworfenen Zigarettenstummel nicht nur von den Stränden auf, sondern verwandelt sie danach in Kunstwerke, wie etwa eine übergroße Zigarette, die an der Strandpromenade in Tel Aviv ausgestellt wurde.
In einem Interview mit Mena-Watch erklärt Michael Raphael von Mediterranen People, dass das Reinigen der Strände keineswegs die Lösung für das Problem der Meeresverschmutzung ist, die vor allem auf Überfischung, Fabrikabfälle und ähnliches zurückzuführen ist. Aber Clean-Up-Events am Strand sind gute Gelegenheiten, um auf die Problematik aufmerksam zu machen.
Mediterranen People fordert, dass die Polizei stärker gegen das Wegwerfen von Plastik an den Stränden einschreitet. „Israelis muss manchmal auf die Finger geklopft werden, anders verstehen sie es leider nicht“, so Raphael. Außerdem wird gefordert, dass große Areale der Küste bis ins Meer hinein zu Naturschutzgebieten gemacht werden. Auf diesem Wege sollen Fischerei und große Motorboote an diesen Orten verboten werden. Bisher gibt es in Israel ein derartiges Naturschutzgebiet im Norden des Landes. Ziel von Umweltschutzgruppen ist es, sechs weitere Naturschutzgebiete zu schaffen und so große Teile der Küste Israels abzudecken.
Weltrekordversuch
Am Freitag unternahmen Mediterranen People und andere Organisationen den bisher größten Beach-Clean-Up der Welt organisieren, bei dem die teilnehmenden Freiwilligen Strände des Mittelmeeres, des Kinneret (See Genezareth) und des Roten Meeres reinigen. Geplant worden war die Veranstaltung ursprünglich schon für Juni als Event mit Musik, Tanz und Party, doch dem machte die Corona-Epidemie einen Strich durch die Rechnung. Jetzt wurde die Veranstaltung mit reduziertem Programm nachgeholt: Die Party fiel aus, stattdessen wurden lediglich die Strände aufgeräumt und in Kurzvorträgen über den Schutz der Meere und der Küste informiert. Und bei alledem wurde auf die Einhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen geachtet: Kleingruppen arbeiteten an Dutzenden verschiedenen Standorten, die Teilnehmer trugen Mund-Nasen-Schutz.
Ariel Shay, eine der Organisatorinnen von Plastic Free Israel, wies darauf hin, dass während des Corona-Lockdowns die Strände gesperrt wurden und deshalb erstmals seit langer Zeit sauber waren. Doch jetzt, da die Maßnahmen wieder gelockert werden, kehr auch der Müll an die Strände zurück – zu dem üblichen Abfall kommen jetzt auch noch zahlreiche Einwegmasken und Handschuhe dazu, die auf den Stränden liegenbleiben und ins Meer gelangen.