Bald jährt sich der Jahrestag des Beginns der Proteste nach dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini. Entsprechend fürchten Irans Machthaber in Teheran neue Demonstrationen.
Für ein paar Wochen sah es vergangenes Jahr, zumindest mit einer Portion Hoffnung beigemischt, so aus, als ob der neuen Protestbewegung im Iran vielleicht gelingen könnte, woran ihre Vorgänger regelmäßig gescheitert waren: Dem Mullah-Regime sein wohlverdientes Ende zu bereiten.
Leider gelang dies erneut nicht, teils, weil die notwendige internationale Unterstützung einmal mehr ausblieb, teils, weil die friedlichen Protestierenden dem Gewaltapparat des Regimes nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatten, und es immer noch genügend Nutznießer des Regimes gibt, die an seinem weiteren Fortbestehen ein existenzielles Interesse haben.
Und doch sitzt, was da im vergangenen Jahr geschah, dem maroden Regime, dem inzwischen, Umfragen bestätigen es jedes Monat, jedwede Legitimation fehlt, in den Knochen. Es hat Angst und handelt aus Angst, weshalb gerade eine neue Repressionswelle durchs Land rollt, um all jene einzuschüchtern, die es wagen könnten, diesen Jahrestag auf der Straße zu begehen. So haben die Behörden einen Monat vor dem ersten Jahrestag von Mahsa Aminis Tod, der die landesweiten Proteste ausgelöst hatte, mindestens ein Dutzend Frauen- und Menschenrechtsaktivisten verhaftet.
Druck auf Dissidenten
»Die iranischen Behörden wenden ihr übliches Vorgehen an, um im Vorfeld des Todestages von Mahsa Amini maximalen Druck auf friedliche Dissidenten auszuüben«, schrieb die Human Rights Watch-Forscherin Tara Sepehri Far in einem am Samstag veröffentlichten Bericht. »Die willkürlichen Verhaftungen von einem Dutzend Aktivisten zielen darauf ab, die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der anhaltenden Straflosigkeit und den anhaltenden Rechtsverletzungen zu unterdrücken.«
Die Menschenrechtsorganisation berichtete von zwölf Verhaftungen in der Provinz Gilan im Norden des Landes in der vergangenen Woche, denen vorgeworfen wurde, »die Sicherheit zu stören«.
Am Samstag meldete auch die Menschrechts-NGO Hengaw die Verhaftung von zwei kurdischen Frauen. Die von Hengaw als »ehemalige kurdische politische Gefangene« bezeichnete Khadijeh Mehdipour wurde verhaftet und ins Gefängnis von Ilam gebracht, wo sie eine dreimonatige Haftstrafe wegen »Verbreitung von Unwahrheiten« verbüßen muss. Ghazaleh Zare, die sich für obdachlose Kinder einsetzt, war bereits Ende Juli festgenommen worden und befindet sich nach wie vor unter unbekanntem Vorwurf in Haft.
Auch Iran International stellte fest, dass die Islamische Republik seine Einschüchterungskampagne in den vergangenen Wochen verstärkt hat, um potenzielle Unruhen zu verhindern, indem es Bürger- und Menschenrechtsaktivisten und Studenten inhaftierte und die Familien von Demonstranten, die bei der Niederschlagung ums Leben gekommen waren, schikanierte, wie aus mehreren Provinzen, darunter Teheran, Gilan, Kordestan, West-Azarbaijan und Isfahan berichtet wird. Das Geheimdienstministerium und der Geheimdienst der Revolutionsgarde haben sich an Personen gewandt, die während der Proteste verhaftet wurden und diese davor gewarnt, am Jahrestag der Protestbewegung an Demonstrationen teilzunehmen, so Quellen im Iran, die mit Iran International sprachen.
Der Text erschien ursprünglich bei Jungleblog.
Wir erleben in #Iran gerade massive Verhaftungswellen gegen Aktivist*innen und Angehörigen von Ermordeten. Das Regime will vor dem Jahrestag der Ermordung von Jina #MahsaAmini einschüchtern, um neue Proteste zu verhindern. Schaut hin!
— Daniela Sepehri (she/her) (@daniela_sepehri) August 23, 2023