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Inflationsrate im Iran auf 120 Prozent geschätzt

Iranischer Abgeordneter beziffert Inflation viel höher als offiziell verkündet
Iranischer Abgeordneter beziffert Inflation viel höher als offiziell verkündet (© Imago Images / Pond5)

Ein iranischer Abgeordneter erklärte am Samstag, die jährliche Inflationsrate liege bei 120 Prozent und nicht bei sechzig oder siebzig, wie von verschiedenen Politikern und Wissenschaftlern behauptet.

Gholamreza Nouri Ghezeljeh sagte gegenüber der Website Rouydad24, die von einigen Regimefunktionären – die gleichzeitig behaupten, die steigenden Preise unter Kontrolle zu haben –, angegebenen noch niedrigeren Inflationszahlen in der Höhe von etwa vierzig Prozent seien lediglich deren Fantasie entsprungen. Nichtsdestotrotz vermeldet die iranische Regierung, die Inflationsrate bei etwa vierzig Prozent unter Kontrolle gebracht zu haben. Wie Ghezeljeh jedoch sagte, kann die hohe Inflation vor den Menschen nicht verborgen werden, da sie beim täglichen Einkauf besonders offensichtlich ist.

Die Zahlenspiele würden das Problem der iranischen Wirtschaft nicht lösen, kritisierte Ghezaljeh und fügte hinzu, dass »das Herunterspielen wirtschaftlicher Probleme das Misstrauen der Menschen gegenüber der Regierung noch verstärkt. Zu behaupten, die Inflation sei unter Kontrolle, während die Menschen den Druck der steigenden Preise spüren, wird kein Problem lösen.«

Indes machte der ehemalige Abgeordnete Gholam Ali Jafarzadeh Imanabadi den iranischen Präsidenten für die wirtschaftliche Notlage verantwortlich, als er sagte, Ebrahim Raisi sei »direkt schuld an der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Volkes« und sich darüber beklagte, dass »Raisi ständig Befehle erteilt«, aber nicht erkennen wolle, dass diese Befehle nicht funktionieren. 

Imanabadi behauptete auch, der Oberste Führer Ali Khamenei habe der Regierung die Erlaubnis erteilt, mit dem Westen eine Vereinbarung über das Atomabkommen von 2015 zu schließen, um die wirtschaftlichen Probleme des Landes durch die Aufhebung der US-Sanktionen zu lösen. Die ultrakonservativen Mitglieder der Paydari-Partei in der Regierung hätten ein solches Abkommen jedoch verhindert. 

Laut dem ehemaligen Abgeordneten sei ein Atomabkommen in den letzten Monaten der Präsidentschaft des ehemaligen Präsidenten Hassan Rouhani in greifbarer Nähe gewesen, da die Vereinigten Staaten bereit gewesen seien, ein solches abzuschließen. Nach seiner gewonnenen Präsidentenwahl im Juni 2021 habe Raisi jedoch Anti-US-Parolen ausgegeben und ein neues Verhandlungsteam gebildet, das sich als zu ineffizient erwies, um die Verhandlungen voranzubringen.

Regierung belügt das Volk

Auch hätten – nach Imanabadi – nicht die US-Sanktionen das derzeitige wirtschaftliche Problem im Iran verursacht: »Es waren Raisis Ineffizienz und sein Ressentiment gegen die Vereinigten Staaten, die die Iraner ins Elend gestürzt haben, obwohl der frühere Außenminister Javad Zarif ihn gewarnt hatte, dass sich die günstige diplomatische Situation in einigen Monaten ändern würde.«

Allerdings ist nicht klar, ob Imanabadis Behauptung, Khamenei habe grünes Licht für ein Abkommen gegeben, der Wahrheit entspricht. Die Entwicklungen während der Verhandlungen Mitte der 2010er Jahre und in den vergangenen zwei Jahren zeigen nämlich, dass Khameneis Büro jedes Detail der Gespräche genau verfolgt und es letztlich Khamenei selbst ist, der die Entscheidungen trifft.

Zuvor hatte mit Jalal Mahmoudzadeh ein weiterer Abgeordneter gesagt, dass »die Regierung dem Volk in die Augen schaut und es dabei belügt«. Während sich die Regierung mit der Verbesserung der Wirtschaftsindikatoren brüste, seien immer mehr Iraner gezwungen, in Zelten, Parks oder auf der Straße zu leben, da sie sich vor allem in den Großstädten weder ein Haus noch eine Wohnung mehr leisten können. 

Alle von Raisi und anderen Staatsfunktionären vorgelegten Statistiken und Wirtschaftszahlen seien unrealistisch. So sei interessant zu beobachten, sagte Mahmoudzadeh weiter, »dass die Aussagen des Präsidenten im Widerspruch zu den Zahlen stehen, die das iranische Statistikzentrum seiner eigenen Regierung veröffentlicht hat«.

Jüngst erklärte der iranische Wirtschaftswissenschaftler Vahid Shaghaghi Shahri gegenüber der Zeitung Etemad, »die Regierung hat in den letzten acht Jahren Öl im Wert von 531 Milliarden Dollar verkauft, jedoch ohne Arbeitsplätze zu schaffen, weil Beschäftigung ein Ergebnis von Produktivität und Investitionen ist – zwei Faktoren, die im Iran nicht vorhanden waren.« Der Iran hat in den vergangenen fünfzig Jahren Öl im Wert von  1,4 Billionen Euro verkauft, »aber das Ergebnis war nichts anderes als eine nicht wettbewerbsfähige, monopolisierte, halbstaatliche Wirtschaft, die wie eine Karikatur einer realen Wirtschaft aussieht«. 

Die von ihm genannte Zahl bezieht sich hauptsächlich auf die Öleinnahmen während der Herrschaft der Islamischen Republik, da die Ölpreise in den 1970er Jahren viel niedriger waren. Shahri warf dem Iran vor, seine Entwicklung sei in den 2010er Jahren zum Stillstand gekommen. Die wirtschaftlichen Herausforderungen des Irans seien durch eine bestimmte Denkschule verursacht worden, argumentierte er, womit er vermutlich auf den religiösen Fundamentalismus und eine von Antiamerikanismus geprägte Fremdenfeindlichkeit anspielte. Daher sei es unmöglich, die Wirtschaftskrise mit demselben Ansatz zu lösen, der sie erst verursacht habe.

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