Erweiterte Suche

Geert-Wilders-Doku: Westdeutscher Rundfunk in Not

Von Stefan Frank

Geert-Wilders-Doku: Westdeutscher Rundfunk in NotDer Westdeutsche Rundfunk (WDR) hatte eine Woche mit ziemlich viel schlechter Presse. Dass mein am 14. März auf Mena Watch veröffentlichter Kommentar zu Joost van der Valks vom WDR sechs Tage zuvor ausgestrahlter antisemitischer Dokumentation über Geert Wilders („Holland in Not – Wer ist Geert Wilders?“) eine solche Lawine lostreten würde, war allerdings nicht zu erwarten gewesen, sondern ein besonders glücklicher Umstand.

Björn Stritzel, Politikredakteur der Bild, schickte ihn zum Bild-Blog, wo Moritz Tschermak sich mit dem Film beschäftigte und durch etliche Screenshots belegte, mit wie viel Eifer van der Valk israelische Fahnen, Kippas und Aufnahmen von religiösen Juden in seinen Film montiert hat. Dadurch wurden auch viele Journalisten auf den Film aufmerksam, die bis dahin noch keine regelmäßigen Leser von Mena Watch gewesen waren. Nun erschien eine Vielzahl von Berichten und zum Teil sehr kritischen Kommentaren, die dem WDR unangenehm sein dürften.

Unter der Überschrift „Verschwörungstheorie gefällig?“ beschrieb Michael Hanfeld in der FAZ die „antisemitische Konnotation“ des Films:

„Die Gleichung des Scheich Yasin zielt in die Richtung einer ‚jüdischen Weltverschwörung‘. Dass van der Valks Reise dahin geht, bekommt man sogar in der vom WDR nachbearbeiteten Version des Films mit. (…) Die Machart dieses Films lässt eigentlich keine Fragen offen. Doch brauchte der WDR zwei Anläufe, um zu verstehen, worum es geht. … Ein ‚missverständlicher Eindruck‘? Auch wer den Film in der polierten Fassung sieht, kann sich einen Reim darauf machen, was Joost van der Valk ausdrücken will.“

Die Reaktionen des WDR

Geert-Wilders-Doku: Westdeutscher Rundfunk in Not
Khalid Yasin

Der WDR verbreitete zwei hanebüchene Erklärungen. Die erste, über Twitter verbreitet, lautete:

„Der Film ‚Holland in Not – wer ist Geert Wilders‘ ist aus unserer Sicht nicht zu beanstanden. In der Tat hätte der Text einordnen müssen, dass der Prediger Yasin durchaus umstritten und in der Vergangenheit auch radikaler aufgetreten ist. Darüber hinaus teilen wir die in dem zitierten Blogeintrag erhobene Kritik nicht und weisen insbesondere den Vorwurf des Antisemitismus entschieden zurück.“

Obwohl er nicht zu beanstanden war, verschwand der Film in der Nacht von Donnerstag auf Freitag aus dem Archiv. Als er am Freitag wieder zugänglich gemacht wurde, war er mehr als drei Minuten kürzer. Dazu der „Hinweis“ des WDR:

„Dies ist eine geänderte Version des Films. Verzichtet wurde auf die Äußerungen des Scheichs Yasin, dessen Auftreten und Einordnung wir für problematisch halten. Den Vorwurf, in einer Passage des Films antisemitische Ressentiments zu schüren, weisen wir aber zurück. Die Passage stellt die Fakten korrekt dar. Gleichzeitig mussten wir aufgrund einiger Rückmeldungen feststellen, dass hier teilweise ein missverständlicher Eindruck entstehen kann. Wir haben die Kritik ernstgenommen und aus diesem Grund entschieden, den Film auch an dieser Stelle zu bearbeiten.“

Was wurde entfernt? Wie der WDR selbst sagt, der komplette Auftritt von Kopf-ab-Scheich Khalid Yasin, dessen „Auftreten und Einordnung“ der WDR nun für „problematisch“ hält. Im Film, das zur Erinnerung, war er so vorgestellt worden: „Extrem beliebt ist der Amerikaner bei jungen europäischen Muslimen. Er setzt sich gegen radikale Ideen ein. Geert Wilders sieht er kritisch.“ Gelöscht wurde auch der Satz: „Wenn man Geert Wilders und Israel im Internet sucht, ergibt das über eine halbe Million Einträge.“

Daran sieht man, wie der WDR, um nicht zugeben zu müssen, dass der Film ein antisemitisches Propagandastück ist, sich in Widersprüche verheddert. Stellt denn dieser Satz die „Fakten“ nicht „korrekt“ dar? Doch, tut er. Jeder kann es selbst nachprüfen. Warum also fiel dieser Satz der Zensur zum Opfer? Immer noch im Film enthalten ist dagegen folgende Passage:

„In seiner frühen politischen Karriere ist Wilders ein Mitglied in der Auslandsabteilung der VVD und auf Israel spezialisiert. Er besucht bei vielen Gelegenheiten deren Konsulat in Den Haag. [Im Bild: Israel-Fahne des Konsulats.] Es ist die Regelmäßigkeit dieser Besuche, die dazu führte, dass Wilders zeitweise vom niederländischen Sicherheitsdienst, dem AIVD, beobachtet wird. [Im Bild: Wilders mit Kippa als Tourist an der Klagemauer.]

Was der WDR hier als Tatsache vorbringt, beruht auf einer einzigen Quelle, einem Artikel in der niederländischen Tageszeitung de Volkskrant vom 2. Dezember 2016. Zu welchem Ergebnis diese Beobachtung kam – wenn sie denn überhaupt je stattgefunden hat: eine Bestätigung durch irgendeine namentlich zu nennende Person liefert der Bericht nicht; zudem wird betont, dass keine nachrichtendienstlichen Mittel eingesetzt worden seien –, geht daraus nicht hervor. Bemerkenswert ist der Artikel des Volkskrant übrigens, weil er eine Information liefert, die van der Valk und der WDR tunlichst verschweigen. Die Zeitung schreibt, im „Verhältnis zwischen Wilders und Israel“ habe es einen „Umschwung“ gegeben („Kentering in de relatie met Israël“): zum einen, weil Wilders PVV sich 2012 für ein Verbot des Schächtens ausgesprochen habe, das dann auch Gesetz wurde; zum anderen habe Wilders‘ „Weniger-weniger“ [Marokkaner]-Rede „jüdischen Organisationen“ „Schmerzen“ („pijn“) verursacht.

Diesen Zeitungsartikel muss van der Valk gelesen haben, denn aus ihm bezieht er ja seine Räuberpistole über den Geheimdienst; doch das, was nicht in das Bild der Verschwörung von Wilders und den Juden passt, das er und der WDR dem Zuschauer zeigen möchten, wird eben weggelassen.

 

Was hat der WDR gelöscht?

Geert-Wilders-Doku: Westdeutscher Rundfunk in Not
Moshav Tomer

Beim Israel-Teil des Films hat der WDR nun großzügig die Schere angesetzt, mit der skurrilen Folge, dass van der Valk sich eigens auf den Weg nach Moshav Tomer macht, weil Wilders dort ein Jahr verbracht hat – was, wie van der Valk vermutet, ein Schlüsselerlebnis gewesen sein muss, aus dem heraus Wilders‘ gesamtes späteres politisches Leben zu deuten sei –, dort aber niemals ankommt. Im neuen Kommentar fehlen die Stellen, die wir nachfolgend fettgedruckt haben:

„Wilders macht kein Geheimnis aus seiner großen Zuneigung zu Israel. Er hat eine jüdische Großmutter und eine jüdische Frau. Er lebte sogar eine Weile als Jugendlicher im Heiligen Land. In Israel ist er beliebt und er hat Zugang zu einigen der führenden Politiker des Landes.“

Den Zuschauern vorenthalten wird die gesamte Episode in Moshav Tomer, die in der Ursprungsfassung so eingeleitet wurde:

 „Nach dem Schulabschluss zog der junge Geert hier in eine israelische Bauernsiedlung namens Moshav Tomer. Das ist der Ort, wo Wilders in seinen Zwanzigern für länger als ein Jahr lebte, abgeschirmt von palästinensischen Dörfern in der Nähe.“

Gestrichen ist also auch das Gespräch van der Valks mit der Verwalterin Helen Gordon. Warum? Weil sie anders als die anderen Juden im Film – durchweg Männer – kein bisschen gefährlich wirkt?

Wegzensiert wurde der Satz: „Wilders war nicht immer ein Blondschopf, beweist ein Foto.“ Das muss van der Valk schmerzen: Die Entdeckung, dass Wilders in Wahrheit lockige braune Haare und jüdische Vorfahren hat, wird er für eine der größten Leistungen seiner Recherchen gehalten haben. Die Stelle lautet nun so: „Van der Valk will mehr darüber wissen, welchen Einfluss Israel auf Wilders’  Ideen hatte [Im Bild: betende Juden an der Klagemauer.] und beschließt, dorthin zu reisen.“ (33:35) Jetzt wären die gut zwei Minuten über Moshav Tomer gekommen. Stattdessen schließt es nun holprig an:

„Van der Valks Reise geht weiter [!] zu einer jüdischen Siedlung, wo er einen Mann trifft, der eine große Inspiration für Wilders war: Ariyeh Eldad, ein israelischer Ex-Parlamentarier. Wie Wilders hat Eldad seine eigene extreme Lösung [Im Bild: zwischen zwei Bäumen an einer Leine aufgehängte Israelfahne.] für die Probleme der Region. In Israel sollten demnach nur Juden wohnen, das benachbarte Jordanien Heimat für Palästinenser werden.“

Eldad ist der Gründer einer rechten Splitterpartei, die nicht in der Knesset vertreten ist, weil sie bei den Parlamentswahlen an der 2-Prozent-Hürde scheiterte. Warum Eldad für den wesentlich erfolgreicheren Wilders eine „große Inspiration“ gewesen sein soll, erfährt der Zuschauer nicht. Es geht wohl einfach darum, einen weiteren bösen Juden zu zeigen. Über „Robert“, den jüdischen Kampfsportler, heißt es im Film immer noch: „Robert gehört zu einer Organisation, die die extremste Form von Zionismus propagiert; sie glaubt, dass Muslime Europa in ein Eurabien verwandeln wollen.“ (28:24)

 

Ein paar Fragen an den WDR

Die folgenden Fragen sollen den Verantwortlichen des WDR zu der Reflexion verhelfen, die sie bislang vermieden haben:

  1. Sie reden von der „extremsten Form des Zionismus“. Wissen Sie, was der Begriff bedeutet? Ist Zionismus in Ihren Augen etwas Schlechtes? Vielleicht eine Art Rassismus, so, wie in der berüchtigten UN-Resolution von 1975, die 1991 von der Generalversammlung widerrufen wurde?
  2. Wilders hat also jüdische Unterstützer. Gibt es auch Nichtjuden, die ihn unterstützen? Wenn ja, in welchem Größenverhältnis stehen die beiden Gruppen zueinander? Warum wird von keinem Wilders-Anhänger gesagt: „Er ist Christ“ oder „Er ist Atheist“ – wohl aber: „Er ist Jude“?
  3. Was sollen die Fotos, die Wilders mit Kippa zeigen, beweisen? Wenn sie nichts beweisen, warum werden sie dann gezeigt?
  4. Angenommen, Wilders hätte in seiner Jugend ein Jahr auf einem Bauernhof in Österreich verbracht. Wäre das Filmteam dann auch dorthin gereist, um zu untersuchen, wie dies sein politisches Denken geprägt hat?

Auch in der geschnittenen Fassung benennt der Film es immer noch als van der Valks Ziel, herauszufinden, „welchen Einfluss Israel auf Wilders’ Ideen hatte“. Die Antwort auf die ominöse Frage erfährt man indessen nicht. Mit der jüdischen Weltverschwörung verhält es sich nämlich so: Man braucht sie nicht zu beweisen, Andeutungen zu machen, genügt. Es reicht, dass Juden zu Wort kommen, die Wilders loben und man im Bild israelische Flaggen und Männer mit schwarzen Hüten sieht. Besonders drollig: Dort, wo es heißt: „Wegen Beteiligung an Bombenattentaten auf sowjetische Ziele in New York wurde Chaim Ben Pessach zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt“ (in Minute 29:26 der zensierten Fassung) ist ein religiöser Jude mittleren Alters mit schwarzem Hut zu sehen, der auf seinem Smartphone tippt. Zündet er gerade eine Bombe?

 

Nazis begeistert

Geert-Wilders-Doku: Westdeutscher Rundfunk in NotWie man sich denken kann, waren Nazis und Islamisten nach der Erstausstrahlung des Films in der britischen BBC begeistert und sahen sich in ihrer Weltanschauung bestätigt. Sie verbreiten den Film auch jetzt noch weiter im Internet und stellen ihre antisemitischen Kommentare dazu. Auf YouTube findet man die komplette Israel-Episode der BBC-Fassung unter der Überschrift: „Extremistische Juden & Israelis finanzieren Rassisten Geert Wilders, um Islam zu bekämpfen“. Einer der Kommentare darunter lautet: „Dies zeigt das wahre Gesicht von ‚White-Pride’-Organisationen, die alle von zionistischen Juden mit ihrer versteckten Agenda gesponsert werden. Die einzige Lösung ist eine nationalsozialistische Lösung, objektive Rassengesellschaft.“ Ein anderer schreibt: „Zionisten bringen Nationen in Verschuldung, 99 Prozent der Juden gehören zu diesem Plan. Muslime verkaufen uns Öl, wir überziehen sie mit Kriegen und Anschuldigungen. Wem schenkst du Glauben?“ Ein User mit dem Namen „Justice 4 Palestine“ schreibt: „Zionistischer rassistischer Sklave.“

Ein Link zu der YouTube-Seite mit van der Valks Film findet sich auch auf einem antijüdischen Verschwörungsblog, dessen Slogan lautet: „Die JUDEN planen, die Weißen auszurotten. Welchen verdammten Teil daran verstehst du nicht?“ Dort fragt ein Leser, ob Wilders nicht vielleicht den Juden auf den Leim gegangen sei: „Er wäre nicht der erste Dummkopf, der auf Judenpropaganda reinfällt. Würde Wilders die nötige Zeit aufwenden, um über den Judenschwindel zu recherchieren und entsprechende öffentliche Verlautbarungen abgeben – z.B. dass die Masseneinwanderung ein Trojanisches Pferd der Juden und eine Fassade für jüdische Eroberungskriege im Nahen Osten ist –, würden sie ihn noch morgen vor Mittag um die Ecke bringen.“ Ein anderer erwidert: „Außer, dass Wilders Halbjude und dazu noch Halbasiate ist. Er hat sogar Zeit im Kibbuz verbracht!“ Ein Blogger, der offenbar genauso gründlich recherchiert wie Joost van der Valk, weiß es genau: „Geert Wilders‘ Großmutter mütterlicherseits, Johanna Meijer, war Jüdin. Der Großvater mütterlicherseits von Herrn Wilders hat Johanna Meijer in Indonesien während der Kolonialzeit geheiratet. Offenbar war die Meijer-Familie eine bekannte niederländisch-jüdische Familie in Indonesien. Meijer = Meyer. Geert Wilders ist ein weiterer tollwütiger Zionist.“

Lauter Kommentare von Leuten, die Joost van der Valks Film gesehen haben. Würde man der Masche von van der Valk und dem WDR folgen, wonach die Tatsache, das der eine den anderen lobt, schon ein Anzeichen einer Verbindung, wenn nicht gar Verschwörung ist, dann böten diese Zuschauerkommentare Stoff für eine ganze Dokumentation darüber, wer „hinter“ van der Valk und dem WDR steckt. Das wäre natürlich Quatsch, so wie der WDR-Film Quatsch ist. Wie begeistert Nazis und Islamisten ihn weiterverbreiten, sollte dem WDR jedoch zu denken geben. Wird es aber natürlich nicht.

Für das Verfahren, oberflächliche kosmetische Veränderungen an einer Sache vorzunehmen, im nutzlosen Bestreben, deren wahren Charakter zu verschleiern, haben die Amerikaner einen Ausdruck: to put lipstick on a pig – einem Schwein Lippenstift auftragen. Genau das hat der WDR gemacht.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!