Erweiterte Suche

Die Kindersoldaten des UNO-Palästinenserhilfswerks UNRWA (Teil 2)

Kindersoldaten: Sommerlager der Fatah bei Nablus im Westjordanland
Kindersoldaten: Sommerlager der Fatah bei Nablus im Westjordanland (Imago Images / Xinhua)

Kindersoldaten sind für die vermeintliche Kinderschutzorganisation Defense of Children International Palestine (DCI-P) kein Thema, über das man reden möchte

Dass islamistische Terrororganisationen Kindersoldaten rekrutieren, ist hinlänglich bekannt. So heißt es etwa in einem Bericht des UN-Generalsekretärs aus dem Jahr 2017 über Boko Haram in Nigeria: »Kinder wurden in direkten Kampfhandlungen zum Anbringen von improvisierten Sprengsätzen und zum Niederbrennen von Schulen und Häusern sowie in unterstützenden Funktionen etwa als Köche, Boten und Späher eingesetzt. Berichten zufolge wurden Kinder auch als menschliche Schutzschilde eingesetzt, um Boko Haram-Kämpfer während militärischer Operationen zu schützen. … Vor allem von Mitte 2014 bis zum Ende des Berichtzeitraums wurden Kinder, einschließlich Mädchen im Alter von zehn Jahren, von Boko Haram für Selbstmordanschläge eingesetzt.«

Die Organisation Human Rights Watch berichtete 2014 über Kindersoldaten im syrischen Bürgerkrieg. Jungen im Alter von fünfzehn Jahren würden als Kämpfer und Kinder im Alter von vierzehn Jahren als Unterstützer eingesetzt. »Einige Kinder, die an den Kämpfen teilnahmen, wurden festgenommen oder im Kampf getötet. Die befragten Jungen kämpften an der Front, spionierten feindliche Truppen aus, fungierten als Scharfschützen, behandelten Verwundete auf den Schlachtfeldern und brachten Munition und andere Hilfsgüter zu den Gefechten, während diese tobten.«

Das Interesse der UNO und von Menschen- und Kinderrechtsorganisationen am Thema Kindersoldaten lässt hingegen schlagartig nach, sobald es um palästinensische Kinder geht, die als Kindersoldaten missbraucht und als Kanonenfutter von Organisationen wie der Hamas verfeuert werden. Fragt man bei Human Rights Watch oder Terre des Hommes danach, stößt man auf eine Mauer des Schweigens und offenkundiges Desinteresse. 

Organisation für die Rechte von Kindersoldaten

Dabei werden immer wieder Fälle bekannt, in denen palästinensische Teenager unter achtzehn Jahren Terroranschläge oder Angriffe auf israelische Soldaten verüben. Jebril Mohammad Kamal al-Lada war ein palästinensischer Kindersoldat. Er wurde nur siebzehn Jahre alt, als er am 1. Mai 2023 bei einem frühmorgendlichen Gefecht zwischen der israelischen Armee und Hamas-Terroristen im Flüchtlingslager Aqabat Jabr bei Jericho getötet wurde, nachdem er zuvor auf Soldaten geschossen hatte.

Die Terrororganisation DFLP lobte den Siebzehnjährigen als »Helden«, der »verhindern wollte, dass die Besatzung das Lager Aqabat Jabr stürmt«. Die Hamas bezeichnete al-Lada als »Kämpfer und Märtyrer«. Glückwünsche zu seinem Tod (»Ehre sei den Märtyrern«) kamen auch von der Fatah und der PFLP. Die Jerusalemer Organisation NGO Monitor hat den Fall dokumentiert und dabei aufgezeigt, wie al-Lada sich während der Monate vor seinem Tod in den sozialen Medien mit einem Sturmgewehr präsentierte und auf Facebook seinen »Märtyrertod« ankündigte.

Etwas anders wird der Fall von Defense of Children International Palestine (DCI-P) dargestellt, einer vermeintlichen Kinderrechtsorganisation, die Gelder von Regierungen aus EU-Ländern erhält. Auf der Website heißt es: »Jebril Mohammad Said Kamal, 17, wurde am 1. Mai gegen 6:45 Uhr im Flüchtlingslager Aqabat Jabr in der Nähe der Stadt Jericho im besetzten Westjordanland von israelischen Streitkräften mit scharfer Munition in den Kopf geschossen, wie aus Unterlagen hervorgeht, die von Defense for Children International – Palestine gesammelt wurden.

Etwas anders wird der Fall von Defense of Children International Palestine (DCI-P) dargestellt, einer vermeintlichen Kinderrechtsorganisation, die Gelder von Regierungen aus EU-Ländern erhält. Auf der Website heißt es: »Jebril Mohammad Said Kamal, 17, wurde am 1. Mai gegen 6:45 Uhr im Flüchtlingslager Aqabat Jabr in der Nähe der Stadt Jericho im besetzten Westjordanland von israelischen Streitkräften mit scharfer Munition in den Kopf geschossen, wie aus Unterlagen hervorgeht, die von Defense for Children International – Palestine gesammelt wurden.«

Israelische Spezialeinheiten seien »gegen sechs Uhr morgens in das Flüchtlingslager ein, um Verhaftungen vorzunehmen, gefolgt von israelischen Soldaten gegen 6:30 Uhr, als sich palästinensische Bewohner den israelischen Kräften entgegenstellten. Nach einem Schuss in den Kopf wurde Jebril in das Regierungskrankenhaus von Jericho gebracht, wo die Ärzte ihn gegen 7:15 Uhr für tot erklärten.« Kein Hinweis darauf, dass der Teenager aktiv an einem Gefecht teilgenommen hatte. Stattdessen zieht DCI-P folgendes Fazit: »Die israelischen Streitkräfte gehen mit tödlicher Gewalt gegen palästinensische Kinder vor, und zwar unter Umständen, die einer außergerichtlichen oder vorsätzlichen Tötung gleichkommen.«

Israel wird also die Schuld dafür gegeben, dass Terrororganisationen Minderjährige rekrutieren, um sie auf israelische Soldaten schießen zu lassen. Interessant ist, dass DCI-P nicht immer den Einsatz palästinensischer Kindersoldaten verschweigt wie im Fall des sechzehnjährigen Abdullah Imad Sa’d Abu Hasan, der am 22. September 2023 in Ramallah getötet wurde: »Israelische Streitkräfte haben heute früh im nördlichen besetzten Westjordanland einen 16-jährigen palästinensischen Jungen erschossen, nachdem dieser auf die in der Nähe stationierten israelischen Streitkräfte gefeuert hatte.«

»Gegen drei Uhr morgens« sei er »von einem Scharfschützen« getötet worden, als die israelischen Streitkräfte im palästinensischen Dorf Kafr Dan westlich von Dschenin nach Waffen suchten. DCI-P weiter: »Abdullah kam in der Nähe an, trug eine Waffe bei sich und begann aus einer Entfernung von vierhundert Metern auf die Militärfahrzeuge zu schießen, die in dem Gebiet stationiert waren, so die von DCI-P gesammelten Informationen. Während Abdullah auf die Streitkräfte schoss, traf ihn ein israelischer Scharfschütze, der in einem im Bau befindlichen Haus in etwa 700 Metern Entfernung stationiert war, mit einer einzigen Kugel.«

Der Junge habe eine Schusswunde im Unterleib erlitten, die Kugel sei durch seinen Rücken ausgetreten. Er sei noch etwa zwanzig Meter weit gekrochen, bevor er in einem zivilen Fahrzeug zu einem palästinensischen Krankenwagen transportiert wurde, der ihn ins Ibn-Sina-Krankenhaus in Dschenin brachte, wo er bei seiner Ankunft für tot erklärt wurde. Ayed Abu Eqtaish, eine Direktorin von DCI-P, kommentierte diesen Fall mit den Worten»Die israelischen Streitkräfte missachten systematisch die Verpflichtungen und internationalen Normen in Bezug auf das Recht auf Leben, weil sie für Kriegsverbrechen fast völlig straffrei bleiben.«

Auch hier gab es keinerlei Kritik am Einsatz eines Kindersoldaten, obwohl Abdullah erst sechzehn Jahre alt war und offenbar zum Scharfschützen ausgebildet wurde. Dass ausgerechnet Israel in diesem tragischen Fall seinen »Verpflichtungen und internationalen Normen« nicht nachgekommen sei, steht in Widerspruch zu der darauffolgenden Passage der Pressemitteilung: »Vor etwa zwei Monaten erhielt Abdullah einen Anruf von einem israelischen Geheimdienstoffizier, der ihn aufforderte, sich zu stellen und ihm drohte, ihn zu töten, wenn er dies nicht täte, so Abdullahs Vater.« Damit ist klargestellt, dass es hier nicht um einen Teenager handelt, der unbeaufsichtigt ohne Wissen der Eltern das Jagdgewehr des Vaters entwendete, um aus jugendlichem Übermut Schüsse abzufeuern. 

Nein, Abdullah Imad Sa’d Abu Hasan war beim israelischen Geheimdienst offenbar als Scharfschütze und Mitglied einer Terrororganisation aktenkundig. Und er war gewarnt worden, wovon der Vater nach eigener Aussage wusste, aber offenbar nichts unternahm, um zu verhindern, dass sein sechzehnjähriger Sohn mitten in der Nacht das Haus verließ, um als Terrorist auf Soldaten zu schießen. Vielleicht hatte er seinen Sohn an die Terroristen verkauft, falls er nicht selbst von diesen unter Druck gesetzt und erpresst wurde. In den Meldungen von DCI-P gibt es jedenfalls keine Kritik an der Praxis, dass Minderjährige von Terrororganisationen als Kindersoldaten rekrutiert werden.

Tabu Kindersoldaten

Über all dies würde ich gerne mit DCI-P sprechen, komme ich aber gleich auf das Thema, werde ich wahrscheinlich keine Antwort erhalten. Also beginne ich mit etwas Unverfänglichem: Per Mail frage ich, wie viele der von israelischen Soldaten und Polizisten getöteten palästinensischen Kinder und Jugendlichen Jungen und wie viele Mädchen sind. Außerdem frage ich nach der Verteilung der Todesfälle nach Altersgruppen. 

Direktorin Ayed Abu Eqtaish antwortet schnell und weist mich auf die Statistiken hin, die das DCI-P auf seiner Website veröffentlicht wie zum Beispiel eine über die Altersgruppen. Im heurigen Jahr sind demnach bis zum 7. Oktober 119 minderjährige Palästinenser getötet worden. Die meisten, nämlich 65, waren sechzehn oder siebzehn Jahre alt, 44 zwischen dreizehn und fünfzehn und elf jünger als dreizehn Jahre. 

Nach Geschlecht aufgeschlüsselt ist die Statistik nicht, was für meine Forschung bedauerlich ist, wüsste ich doch gerne, wie viele der Getöteten aktiv an Gefechten teilgenommen hatten. Sollten die Daten zeigen, dass fast ausschließlich männliche Jugendliche getötet wurden, wäre das kein Beweis, könnte aber ein Hinweis darauf sein, dass die Getöteten Nachwuchsmitglieder von Terrorgruppen waren, die sich bei den Kämpfern aufhielten oder sogar aktiv an Gefechten teilgenommen hatten. Tatsächlich ist auf der Website auch eine Statistik aufgelistet über die Zahl jener palästinensischen Kinder, die getötet wurden, als sie in »Feindseligkeiten verwickelt« waren. 

Leider wird diese Statistik seit dem Jahr 2018 nicht mehr geführt, und schon seit 2015 zeigte sie nur Nullsummen an: Keine Kinder »bei Feindseligkeiten« getötet – angeblich. Aber Abdullah Imad Sa’d Abu Hasan und Nasrallah Abdulafu Abdulfatah Qawasmeh müssten in dieser Statistik auftauchen, würden sie noch geführt. Ich frage Ayed: »Ist es üblich, dass palästinensische Jugendliche unter achtzehn Jahren Schusswaffen tragen und benutzen? Wissen Sie etwas darüber, woher sie die Waffen haben? Hat DCI-P irgendwelche Ermittlungen dazu durchgeführt?«

Ayed antwortet seither nicht mehr. Kindersoldaten sind für die vermeintliche Kinderschutzorganisation kein Thema, über das man reden möchte. Fern davon, eine Organisation zu sein, die sich für die Rechte von palästinensischen Kindern stark macht, ist DCI-P ein Verein, der den Einsatz von Kindersoldaten durch Schweigen legitimiert und den Tod der Minderjährigen propagandistisch ausschlachtet statt etwas dagegen zu unternehmen, dass sie überhaupt als Terroristen rekrutiert und in Gefechten verheizt werden.

Zu den Geldgebern dieser dubiosen Organisation zählen laut der Organisation NGO Monitor die Europäische Union, Italien, die Niederlande, Broederlijk Delen (Belgien), Rockefeller Brothers Fund, Save the Children und UNICEF. Zwischen 2019 und 2021 überwies die EU 2,5 Mio. Euro für ein DCI-P-Programm zum Schutz von palästinensischen Kindern in Konflikten an eine Organisation, die es nicht schafft, den Einsatz von palästinensischen Kindersoldaten zu verurteilen.

Teil 1 der Miniserie findet sich hier, Teil 3 ist hier veröffentlicht. 

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!