Eine französische Journalistin, die im zuletzt in die Schlagzeilen geratenen Viertel Seine-Saint-Denis lebt, wollte herausfinden, was die örtlichen Jugendlichen über die Terroranschläge von Paris denken. Konnten die Bilder des Blutbades „sie tatsächlich vollkommen kalt lassen und nicht doch zumindest den Anflug von Ekel hervorrufen oder eine Identifizierungen mit den Opfern?“ Was Alexandra Lavastine im Bistro um die Ecke erlebte, entsprach jedoch nicht ganz ihren Hoffnungen darauf, dass die IS-Terroristen doch auch in den Augen der Jugendlichen in ihrem Viertel zu weit gegangen sein müssten. Da kein Muslim ein Mörder sein könne, so wurde ihre erklärt, müssten andere dahinter stecken. Die Attentate seien in Wahrheit ein Komplott gegen den Islam. Genauso wie die Gaskammern eine „zionistische Erfindung“ gewesen seien und der Mossad hinter dem 11. September stecke, sei auch dieses Mal klar, wer schuld ist: „Die Riesen-Schweine, die Barbaren und Kriminellen, die man mit der Kalaschnikow abknallen sollte, das sind die Juden!“ Keiner der Anwesenden sei bereit gewesen, „auch nur eine Träne zu vergießen, nicht mal die allerkleinste, für die Toten und Verwundeten der vergangenen Nacht. Es herrscht absolute Gefühllosigkeit und Gleichgültigkeit.“ Lavastines Bericht gibt einen gleichermaßen lesenswerten wie erschütternden Einblick in das Versagen der französischen Gesellschaft gegenüber dem antisemitischen und islamistischen Hass, der sich in Orten wie Saint-Denis ungehindert ausbreiten konnte.
