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Der Fall Rushdie: Ein Todesurteil als Wendepunkt

Der Fall Rushdie: Ein Todesurteil als Wendepunkt
Illegale Ausgabe einer persischen Version der “Satanischen Verse” von Salman Rushdie. Quelle: Olaf Simons/Wikimedia Commons.

„Seit der Rushdie-Affäre gibt es einen Riss, der die Linke spaltet. Zwar gehört Religionskritik zu ihrem vornehmsten, heute aber mehr oder weniger vergessenem Erbe. Gleichzeitig begreifen viele Linke auf der Suche nach einem revolutionären Subjekt die Muslime ausschließlich als bedrohte Minderheit beziehungsweise als passives Opfer des Kolonialismus und Imperialismus. Daraus erklärt sich die bis heute bei vielen Linken festzustellende heimliche Sympathie für den Islamismus. Für linke Intellektuelle wie Salman Rushdie war das nach der Fatwa der nächste Schock: Er selbst wurde für viele britische Linke zum Verräter, der sich gar von Margaret Thatcher beschützen lassen musste.

Während der Rushdie-Affäre stellte sich heraus, dass es nicht viele Menschen gab, die universalistische Positionen nicht nur gegenüber der christlichen Religion oder kommunistischen Unterdrückungsapparaten, sondern auch gegenüber der islamischen Religion hochhielten. Dabei hat Rushdie doch die gleichen Ansprüche wie ein verfolgter Christ. Ein halbes Jahr zuvor hatte man ja kein Problem damit, Martin Scorseses’ Jesus-Film gegen christliche Fundamentalisten zu verteidigen. Bei Rushdie gab es diese Einigkeit nicht.

Große Teile der europäischen Linken schwenkten damals um von einer sozialen hin zu einer kulturalistischen Deutung von Gesellschaft. Das gilt bis heute und gewinnt in meiner Wahrnehmung auch immer mehr an Bedeutung. Symbolisch steht die Todes-Fatwa deshalb auch für den cultural turn in der politischen Debatte.

Insofern war das Jahr 1989 eine Zeitenwende im doppelten Sinne: mit dem Mauerfall und Khomeinis Fatwa als zentralen, auch sehr symbolischen Ereignissen. Heute müsste die Öffentlichkeit universalistische Religionskritik neu lernen. Denn etwa bei der Debatte um die Mohammed-Karikaturen 2005 zeigte sich das gleiche Muster wie bei der Rushdie-Affäre: Im Namen des Respekts hat sich – mit Ausnahme der Welt – kein bedeutendes Medium getraut, die Karikaturen zu zeigen.“ (Der ehemalige taz-Redakteur und Mitgründer des Online-Portals Perlentaucher Thierry Chervel im Interview mit der Jungle World: „Die Fatwa besteht bis heute“)

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