„In dem Brief vom Montagabend verkündet Bouteflika, dass er eigentlich gar kein fünftes Mandat wollte, weil er ja krank sei. Irgendjemand muss ihn also gezwungen haben: nämlich sein Clan. Ich vermute, dass dieser Brief von einem gegnerischen Clan innerhalb des Regimes geschrieben wurde, um den Bouteflika-Clan zurückzudrängen und weitermachen zu können ohne diesen schon verbrannten Clan des Präsidenten. Das ist ein Coup, eine Inszenierung. Bouteflika und sein Clan sind verbrannt. Der Präsident soll zum Rücktritt gezwungen werden, damit das Regime nicht verloren geht. Damit der Nächste weitermachen kann. (…)
Der neue Regierungschef, Noureddine Bedoui, und sein Vize Ramtane Lamamra sind weniger politische Menschen als vielmehr Leute, die ihren Job machen, Techniker des Regimes. Sie gehören nicht zum Kern des Bouteflika-Clans. Das gilt auch für Lakhdar Brahimi, der die ‚nationale Konferenz des Konsenses‘ organisieren soll. Nach außen verfügen sie über eine gewisse Legitimität – Brahimi ist als ehemaliger UN-Gesandter für Syrien weltweit bekannt – und nach innen sind sie nicht verbrannt. (…)
Ich gehe davon aus, dass die Geheimdienste, die Bouteflika in seinen Jahren an der Macht zurückgedrängt hat, versuchen, die Macht wieder an sich zu reißen. Möglicherweise auch Teile des Militärs, unabhängig davon, dass der Armeechef auf der Seite Bouteflikas steht. Das Volk will eine mit dem Regime verhandelte Transition, so wie in Polen Ende der 80er- und Anfang der 90er-Jahre. Ein radikaler Bruch, wie es in der DDR der Fall war, könnte in Algerien chaotisch verlaufen. Aber das Regime will eine gelenkte Transition, einen Wandel, den es selbst diktiert. (…) Wenn der Plan der Regierung, auf diese Weise aus der Krise zu kommen, nicht akzeptiert wird, kann es sein, dass das Militär sich stärker einmischt.“ (Rachid Ouaissa im Interview mit Jannis Hagmann: „Das Volk will den Sturz des Regimes“)