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Abbas‘ Favorit für Nachfolge scheitert an sich selbst

Abbas‘ ehemaliger Wunschnachfolger Hussein al-Sheikh mit dem deutschen Gesandten in Ramallah, Oliver Ovcha
Abbas‘ ehemaliger Wunschnachfolger Hussein al-Sheikh mit dem deutschen Gesandten in Ramallah, Oliver Ovcha (© Imago Images / ZUMA Wire)

Da Hussein al-Sheikh offensichtlich ins politische Abseits geraten ist, wird der Kampf um die Nachfolge von Palästinenserführer Mahmoud Abbas noch komplizierter – und wahrscheinlich blutiger.

Yoni Ben Menachem

Am 31. Dezember berief Mahmoud Abbas eine Sitzung der Fatah-Führung ein, um eine an die Öffentlichkeit gekommene Audioaufnahme seines engen Mitarbeiters Hussein al-Sheikh zu besprechen, in der er den Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde sowie andere hochrangige Fatah-Persönlichkeiten heftig kritisierte.

Al-Sheikh, der bei dem Treffen anwesend war, leugnete die Äußerungen nicht, die der Hamas-Nachrichtenagentur Shehab offenbar von hochrangigen Fatah-Funktionären zugespielt worden waren.

Während al-Sheikh Berichten zufolge seinen engsten Vertrauten erklärt hatte, die durchgesickerten Bemerkungen würden seiner Beziehung zu Abbas nicht schaden, sind andere Fatah-Funktionäre der Ansicht, zwischen den beiden sei eine tiefe Kluft entstanden und Abbas zeige al-Sheikh die kalte Schulter.

Der Vorfall ist eine Fortsetzung der internen Machtkämpfe in der Fatah um die Frage, wer Abbas’ Nachfolger wird. Der Hauptverlierer scheint al-Sheikh selbst zu sein. Fatah-Quellen verlauten, seine »große Klappe« habe ihm »sehr geschadet«, wodurch seine Chancen auf die Nachfolge von Abbas »nahe Null« gesunken sind.

Hauptnutznießer der undichten Stelle sind die hochrangigen Fatah-Funktionäre Jabril Rajoub, Mahmoud al-Aloul, Majed Faraj und Mohammad Dahlan, der aus der Fatah-Bewegung ausgeschlossen wurde, aber nach Abbas’ Tod zurückkehren möchte. Ein weiterer Profiteuer ist Tawfik al-Tirawi, ein Gegner von Hussein al-Sheikh, der verdächtigt wird, Dokumente eines Ausschusses, der die Umstände von Jassir Arafats Tod untersuchte, weitergegeben zu haben. Aus den Akten ging hervor, dass Abbas sehr daran interessiert war, Arafat loszuwerden. Fatah-Quellen behaupten, al-Sheikh habe Abbas davon überzeugt, Sanktionen gegen al-Tirawi zu verhängen.

Diese Episode ist möglicherweise nicht das Ende der Affäre, vielleicht gelangen auch noch weitere Aufnahmen von Fatah-Funktionären an die Presse.

Mahmoud Abbas ist mit den Entwicklungen jedenfalls recht zufrieden; umgeben von ehrgeizigen Funktionären verfolgt er offenbar den Ansatz »teile und herrsche«, um seine Ziele zu erreichen. Abbas teilte seinen Vertrauten mit, entgegen Medienberichten al-Sheikh nie zu seinem offiziellen Nachfolger bestimmt zu haben und sein Nachfolger erst im Rahmen allgemeiner Wahlen im Westjordanland und im Gazastreifen gewählt werde. Al-Sheikhs Beziehungen zu seinem politischen Verbündeten Majed Faraj wurden durch den Vorfall ebenfalls zerstört, da Faraj Mahmoud al-Aloul als Abbas’ Nachfolger unterstützt.

Besorgnis bei politischen Beobachtern

Sicherheitsbeamte in Israel und die CIA sind besorgt über die Entwicklungen. Al-Sheikh, der von ihnen als möglicher Nachfolger akzeptiert wurde, hat seinen Status verloren, und der Kampf um die Nachfolge ist noch komplizierter geworden. So wie die Dinge jetzt stehen, wird man nicht umhin kommen, einen Nachfolger für Abbas durch Wahlen zu bestimmen. Dies bedeutet einen blutigen Kampf vor Ort zwischen den verschiedenen Fatah-Milizen und die Möglichkeit, dass der von der Hamas unterstützte Kandidat, der die Wahlen gewinnt, zum Präsidenten der Palästinensischen Behörde gewählt wird.

Fatah-Generalsekretär Jabril Rajoub rief die Fatah-Aktivisten diese Woche auf, sich zu vereinen und ihre Differenzen beizulegen. Hochrangige Fatah-Vertreter verhandeln derzeit über eine Aufteilung der Befugnisse von Abbas auf drei Posten, die bis zu den Präsidentschaftswahlen vorübergehend von Fatah-Vertretern besetzt werden sollen.

Al-Sheikh wird weiterhin als Generalsekretär des Exekutivkomitees der PLO und als Minister für zivile Angelegenheiten fungieren und damit die Beziehungen zu Israel und der amerikanischen Regierung aufrechterhalten, gilt aber bei Abbas und auf der palästinensischen Straße als verbrannt. Der Kampf um die Nachfolge in der Palästinensischen Autonomiebehörde ist noch lange nicht beendet, und es werden weitere beunruhigende Kämpfe an der Spitze der Fatah erwartet.

Yoni Ben Menachem, langjähriger Kommentator arabischer und diplomatischer Angelegenheiten für den israelischen Rundfunk und das Fernsehen, ist leitender Nahost-Analyst des Jerusalem Center for Public Affairs und war als Generaldirektor und Chefredakteur der israelischen Rundfunkbehörde tätig. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)

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