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World Holocaust Forum in Jerusalem: Wo bleiben die Überlebenden des Holocaust?

Logo des World Holocaust Forum 2020
Logo des World Holocaust Forum 2020 (Quelle: Yad Vashem)

Am 23. Januar findet in Jerusalem das fünfte World Holocaust Forum statt. Die Veranstaltung wird unter dem Motto „Erinnerung an den Holocaust, Kampf dem Antisemitismus“ vom Präsidenten des European Jewish Congress, Dr. Moshe Kantor, in Zusammenarbeit mit Yad Vashem organisiert und steht unter der Schirmherrschaft des israelischen Präsidenten Reuben „Ruvi“ Rivlin. Staatsoberhäupter und führende Persönlichkeiten, darunter Prince Charles, Emanuel Macron, Nancy Pelosi, Mike Pence, Vladmir Putin und Frank-Walter Steinmeier, haben ihre Anwesenheit angekündigt. Ein historisches Ereignis für Israel! Trotzdem gibt es kritische Stimmen.

Zum 75. Mal jährt sich diese Woche der Tag der Befreiung von Auschwitz, und Yad Vashem nimmt das Datum zum Anlass um das, laut Außenminister Israel Katz, „größte Ereignis seit der Staatsgründung“ zu veranstalten. Könige, Präsidenten und Premierminister aus 46 Ländern kommen nach Jerusalem, um der Vergangenheit zu gedenken aber auch um ein Signal für die Gegenwart und Zukunft zu setzen.

Spannung und Enthusiasmus …

Der Wert der Veranstaltung geht, laut Harel Tuli, weit über die vielen prominenten Besucher hinaus. Es sei die Botschaft, die zähle, erklärt der Generaldirektor der Rivlin-Residenz, der für diverse Nebenereignisse und Empfänge und den damit verbundenen logistischen und sicherheitstechnischen Herausforderungen verantwortlich zeichnet.

Die führenden Persönlichkeiten wüssten, wie wichtig es sei dem galoppierenden Antisemitismus Einhalt zu gebieten, zumal er nicht nur ein Problem für Juden und Israel darstelle, sondern für die gesamte Gesellschaft, in der er entstünde. Mit ihrer Anwesenheit beim Forum würden die Vertreter der diversen Länder einerseits ihrer heimischen Bevölkerung ihren Widerstand gegen den Antisemitismus kundtun und andererseits den jüdischen Gemeinden ihre Unterstützung und Loyalität zusichern, so Tuli weiter.

Anzahl und Identität der Besucher scheinen aber doch eine wichtige Rolle zu spielen. „Mit jedem von ihnen wächst die Macht der Veranstaltung”, erklät Lior Haiat. Schließlich würden „einige der wichtigsten Menschen der Welt teilnehmen“, so der Sprecher des Außenministeriums. Moshe Kantor scheint, ihm beizupflichten. „Wir hoffen, bei der Veranstaltung eine internationale Initiative im Kampf gegen den Antisemitismus zu starten”, erklärt der bekannte Philanthrop und Veranstaltungsorganisator in einem Gespräch mit der Jerusalem Post.

Zu diesem Zweck sei es erforderlich, eine moralische Mehrzahl an führenden Persönlichkeiten nach Jerusalem zu bringen und ein gemeinsames Vorgehen gegen den Judenhass zu beschließen. Jedes, Jahr, so Kantor weiter, kämen führende Politiker nach Davos, um den Status der globalen Wirtschaft zu diskutieren und nach München, um über internationale Sicherheitsfragen zu konferieren. „Bislang gab es aber kein Forum, um die Fragen der Moral weltweit zu erörtern und gesellschaftliche Probleme und Herausforderungen zu lösen.” Die Welt bräuchte einen Ort, an dem man über diese Themen sprechen könnte, und er meine, Israel, der jüdische Staat und besonders Yad Vashem wären am besten dafür geeignet.

Kantor erinnert an die erfolglose Konferenz von Evian und will die historische Ungerechtigkeit, die vor 81 Jahren von den Führern der Welt begangen wurde, ausgleichen. „Wenn internationale Leader sich uns anschließen, um das Böse zu besiegen, und den Antisemitismus zu bekämpfen, können wir eine sichere Welt für die ganze Menschheit schaffen”, so hofft Kantor.

Ein wichtiges Ziel, und die Teilnahme so vieler Persönlichkeiten ist vielversprechend. Kein Wunder, also, dass die Veranstaltung mit großer Spannung und viel Enthusiasmus erwartet wird. Es gibt aber auch Dissonanz.

… aber auch kritische Stimmen

So kam es im Vorfeld des Forums zu einem Zwist mit dem polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda, dem die Organisatoren nicht erlauben wollten, eine Ansprache zu halten. Begründung: Nur Vertreter der Befreier, also der alliierten Kräfte, wären dazu eingeladen worden. Beleidigt und wohl auch besorgt, dass andere Redner, den Anlass ungestört nutzen könnten, um Polen eine Hauptschuld am Holocaust zuzuschreiben, sagte Duda seine Anwesenheit kurzerhand ab.

Vor dem Kopf gestoßen reagiert auch Nachliel Dison, Chef der Vertreter der WJRO, World Jewish Restitution Organisation, der zur Veranstaltung nicht eingeladen wurde. „Ich kann nicht verstehen, wieso eine Organisation wie Yad Vashem sich nicht mit einem so wichtigen Thema, wie die Restitution gestohlenen Besitzes, auseinandersetzen will, zumal wir wissen, dass die Entwendung und die Weigerung zur Rückerstattung jüdischen Besitzes antisemitische Beweggründe hat”, wundert sich Dison.

Im gezielten Veranstaltungsprogramm gäbe es keinen Platz für spezifische Diskussionen zu diesem wichtigen Thema, weist Yad Vashem die Anschuldigung zurück. Zudem, so die Organisatoren einigermaßen lapidar, erfordere so ein einzigartiges Ereignis komplexe Sicherheits- und Logistikmaßnahmen und die Anzahl der eingeladenen Gäste sei, ob der vielen internationalen Teilnehmer und Delegationen, sehr klein. Man könne „nicht eines jeden Wünsche erfüllen, auch wenn sie noch so wichtig sind.”

Dieselbe Erklärung bekamen auch der ehemalige israelische Außenminister Silvan Shalom und sein UNO-Botschafter Dan Gilerman, die seinerzeit den Auschwitz Befreiungstag als weltweiten Gedenktag eingeführt hatten. Auch sie wurden nicht zu dem historischen Ereignis in Jerusalem eingeladen.

Wo bleiben die Überlebenden?

Ganz ohne Erklärung bleiben aber viele Holocaust-Überlebende, die bei dem fünften World Holocaust Forum ebenfalls außenvor stehen. Nur einige, so scheint es, und nur besonders gut vorzeigbare Vertreter dieser Gruppe, etwas der ehemalige israelische Oberrabbiner Israel Meier Lau und die Diplomatin Colette Avital, werden am Programm selbst teilnehmen. Andere, wenige, werden zu dem einen oder anderen Nebenempfang eingeladen oder stehen im Pressezentrum für Meetings und Interviews zur Verfügung. Über die genaue Anzahl der anwesenden Holocaust-Überlebenden hüllt sich Yad Vashem bislang in Schweigen.

Und so kommt es, dass der größte, der einzigartige Holocaust Remembrance Tag am 23. Januar in Jerusalem zwar mit hochkarätigen Besuchern aber weitgehend ohne die Hauptprotagonisten dieses denkwürdigen Datums stattfinden wird; dass Prince Charles und Macron, Pence und Pelosi zwar einander, aber kaum einem der schwergeprüften Betroffenen begegnen werden.

Sicher, alle Überlebenden einzuladen, käme einer logistischen Unmöglichkeit gleich, nur einige auszuwählen, ebenso. Es wäre aber wünschenswert gewesen, eine Lösung zu finden, die die Überlebenden in den Mittelpunkt stellt und ihnen den gebührenden Platz in dieser historischen Veranstaltung einräumt.

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