Wie Internetplattformen zum modernen Sklavenhandel beitragen

Wegweiser nach Kuwait (Quelle: Bob McCaffrey)
Wegweiser nach Kuwait (Quelle: Bob McCaffrey, CC BY-SA 2.0)

In Kuwait werden Sklavinnen für Haushaltsdienste in sozialen Netzwerken angeboten und über Smartphoneapps gehandelt. Das hat eine Undercoverrecherche der arabischen Nachrichtenredaktion der BBC zutage gebracht.

Dieser Schwarzmarkt „boome“, so die BBC. „Fährt man auf den Straßen Kuwaits, wird man keine dieser Frauen sehen“, heißt es in dem Bericht. „Sie sind hinter verschlossenen Türen, ihrer Grundrechte beraubt, können nicht gehen und sind dem Risiko ausgesetzt, an den Höchstbieter verkauft zu werden. Nimmt man ein Smartphone zur Hand, kann man durch Tausende Bilder von ihnen scrollen, sortiert nach ‚Rasse‘ und käuflich für ein paar Tausend Dollar.“

Der Handel werde dann etwa über die Plattform Instagram abgewickelt (die zum Facebook-Konzern gehört). Mit speziellen Hashtags würden die Angebote gefunden, Verhandlungen liefen über private Nachrichten, die von einem Smartphone aufs andere verschickt werden. „Andere Angebote werden auf Apps beworben, die von Google Play und Apples App Store genehmigt und zur Verfügung gestellt werden, sowie auf den eigenen Websites der E-Commerce-Plattformen“, so die BBC.

„Sponsoren“-System als Grundlage eines Internetsklavenmarkts

„Was sie da tun, ist Förderung eines Internetsklavenmarkts“, sagte Urmila Bhoola, die UN-Sonderberichterstatterin für gegenwärtige Formen von Sklaverei, gegenüber dem Reporter. „Wenn Google, Apple, Facebook oder irgendwelche anderen Unternehmen solche Apps anbieten, müssen sie zur Rechenschaft gezogen werden.“

Auf Anfrage der BBC teilte Facebook mit, eines der fraglichen Hashtags verboten zu haben. Von Google und Apple hieß es, sie arbeiteten gemeinsam mit App-Entwicklern daran, illegale Aktivitäten zu unterbinden. Der illegale Handel sei „ein klarer Verstoß“ gegen die von den Unternehmen erlassenen Regeln für App-Entwickler und -Nutzer – dennoch gebe es auch jetzt noch viele derartige Angebote auf Instagram und bei Apps von Apple und Google, so die BBC. Neun von zehn kuwaitischen Haushalten haben laut der BBC eine Hausangestellte.

Diese kommen meist aus den ärmsten Ländern der Welt, in der Hoffnung, Geld nach Hause schicken zu können und werden oft von professionellen Werbern mit falschen Versprechungen gelockt – etwa mit der Aussicht auf konkrete Arbeitsstellen, die gar nicht existieren.

Sind sie in Kuwait, unterliegen sie wie auch in anderen Golfstaaten einem „Sponsoren“-System, was bedeutet, das ihr legaler Aufenthalt an einen einzelnen Arbeitgeber oder Geldgeber hängt, dem sie oft ihren Pass aushändigen müssen. Der Arbeitsmigrant darf nicht in das Land einreisen, den Arbeitsplatz wechseln oder das Land verlassen, ohne zuvor die ausdrückliche schriftliche Genehmigung des „Sponsors“ eingeholt zu haben. Das öffnet die Tür für Ausbeutung, unmenschliche Arbeitsbedingungen und andere Formen des Missbrauchs, wie etwa Zwangsarbeit oder Zwangsprostitution, lange Arbeitstage ohne Pause, Freiheitsberaubung, nicht ausgezahlte Löhne, sexuelle und andere Gewalt.

Schwierige Rechtslage

Dagegen vorzugehen, ist schwierig: Die Arbeitsverträge sind oft nicht in der Sprache der Arbeitsmigranten verfasst, zudem müssen diese fürchten, selbst wegen Verstößen gegen das Aufenthaltsrecht bestraft zu werden.

Das US-Außenministerium hat Kuwait in seinem diesjährigen Bericht über globalen Menschenhandel einige Verbesserungen bei der Eindämmung von sklavereiähnlichen Arbeitsverhältnissen bescheinigt. So seien Unterkünfte errichtet worden, wohin sich Migranten flüchten könnten und von wo aus sie in ihre Heimatländer zurückkehren könnten. Die Staatsanwaltschaft sei in einigen – wenigen – Fällen gegen Menschenhandel und Freiheitsberaubung vorgegangen. Allerdings fehle es an Vertraulichkeit, was die Opfer dem Risiko von Racheakten aussetze. In der Regel würden Fälle, bei denen Menschen über mehr als drei Monate lang ihren Pass oder Lohn nicht bekommen, lediglich als Ordnungswidrigkeit behandelt oder vor Schlichtern verhandelt.

Wegen der großen Gefahren, denen vor allem Frauen ausgesetzt sind, die als Gastarbeiterinnen nach Kuwait reisen, untersagen viele Staaten Afrikas und Asiens ihren Staatsbürgerinnen, Arbeitsverhältnisse in dem Emirat anzunehmen. Der Bericht des US-Außenministers nennt Bangladesch, Bhutan, den Tschad, Äthiopien, Ghana, Guinea, Indonesien, Kenia, Madagaskar, Malawi, Nepal, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Tansania, Togo, Uganda und Simbabwe.

Klima der Straflosigkeit

Gegen Menschenhandel müsse mit den entsprechenden Gesetzen vorgegangen werden, mahnt das State Department. Auf „zahlreichen Schlüsselgebieten“ halte Kuwaits Regierung Mindeststandards nicht ein. Wenn Hausangestellte und andere Wanderarbeitnehmer Beschwerden einreichten, reagierten die Behörden darauf lediglich mit der Einsetzung von Schiedsverfahren und der Verhängung von Bußgeldern, statt solche Fälle als strafbaren Menschenhandel zu behandeln und Gerichtsverfahren einzuleiten.

Solange die Regierung die Menschenhändler nicht mit strengen Strafen strafrechtlich zur Rechenschaft ziehe, erhalte sie ein „Klima der Straflosigkeit“, das Täter nicht vor zukünftigen Verbrechen abschrecke. Kuwaits Regierung, so der Bericht weiter, „wendet keine der üblichen Verfahren an, um selbst Opfer zu identifizieren und setzte die Inhaftierung, Verfolgung und Abschiebung von Opfern des Menschenhandels fort, einschließlich derer, die vor Zwangsarbeit flohen“.

Kommt es in den Fällen, die vor kuwaitischen Schiedsgerichten landen, nicht zu einer Einigung, werden diese an Arbeitsgerichte weitergeleitet oder, wenn es um schwere Straftaten wie Körperverletzung geht, direkt an die Staatsanwaltschaft. Viele Missbrauchsfälle werden aus Mangel an Beweisen oder Zeugen nicht verfolgt.

In der Folge werden nur schwerwiegende Fälle von Misshandlung von Hausangestellten – in der Regel mit schwerwiegenden Körperverletzungen oder Todesfolge – strafrechtlich verfolgt. Dies geschieht dann meist wegen Verstößen gegen andere Strafgesetze wie etwa Körperverletzung, nicht aber wegen Menschenhandels. Obwohl das Einbehalten von Arbeitspässen nach kuwaitischem Recht verboten ist, ist diese Praxis laut dem US State Department nach wie vor weit verbreitet.

Wie eine Ware verkauft

Wie Internetplattformen zum modernen Sklavenhandel beitragen
Quelle: Enact

Die von Interpol unterstützte Organisation ENACT, die sich mit Aufklärung gegen organisierte Kriminalität in Afrika einsetzt, beschreibt auf ihrer Website, wie die Anwerbung in Kamerun funktioniert. In den meisten Fällen würden Frauen über Netzwerke angeworben. „In Städten wie Yaoundé und Douala werden Plakate, die solche Jobs bewerben, häufig an Orten wie Universitäten, Kirchen und anderen Orten gesehen, an denen gefährdete junge Frauen sich häufig aufhalten.“

Opfer müssten in der Regel zwischen 2.000 und 3.000 US-Dollar an verschiedene Akteure in der Kette zahlen, darunter Beamte der Polizei- und der Flughafenbehörde. Ein Polizeibeamter, den ENACT im Oktober 2018 befragte, schätzte, dass lokale Schmuggler im Laufe eines Jahres bis zu 150.000 US-Dollar verdienen können, wenn sie rund 50 Frauen an den Golf schicken. An dem Handel verdienen auch örtliche Behörden im Aufnahmeland. Diese Praxis hat schwerwiegende Folgen, so ENACT: Die Familien werden durch die hohen geforderten Summen wirtschaftlich ruiniert, die nach Kuwait und in andere Golfstaaten geschickten Frauen sind bei ihrer Rückkehr traumatisiert.

ENACT schildert den Fall einer kamerunischen Frau, die in Kuwait festgehalten wurde und 2017 nach Kamerun zurückkehrte. Sie erzählte, dass ein Polizeiinspektor in Kameruns Hauptstadt Yaoundé sie davon überzeugte, dass ein Beschäftigungsnetzwerk sie für ein monatliches Gehalt von 1.000 US-Dollar nach Kuwait bringen werde.

In Kuwait wurde sie von einer Agentur namens The Office aufgenommen, die sie bei einem sogenannten Sponsor unterbrachte. Schnell habe sie gemerkt, dass sie wie eine Ware verkauft worden war. Sie hatte das Glück, gehen zu können, musste The Office jedoch einen Betrag von 1.500 US-Dollar, den ihre Familie aufbrachte, für ihre ‚Freilassung’ zahlen. Wie die Frau berichtete, habe die kuwaitische Familie, für die sie arbeitete, sie auf Arabisch als „Sklavin“ bezeichnet.

Bleiben Sie informiert!
Mit unserem wöchentlichen Newsletter erhalten Sie alle aktuellen Analysen und Kommentare unserer Experten und Autoren sowie ein Editorial des Herausgebers.

Zeigen Sie bitte Ihre Wertschätzung. Spenden Sie jetzt mit Bank oder Kreditkarte oder direkt über Ihren PayPal Account. 

Mehr zu den Themen

Das könnte Sie auch interessieren

Wir sprechen Tachles!

Abonnieren Sie unseren Newsletter und erhalten Sie einen unabhängigen Blickzu den Geschehnissen im Nahen Osten.
Bonus: Wöchentliches Editorial unseres Herausgebers!

Nur einmal wöchentlich. Versprochen!