„Reformer“ und „Hardliner“ im Iran: Dr. Jekyll und Mr. Hyde

„Ein ganzes Heer von Experten hat die Vereinigten Staaten dazu aufgefordert, nichts zu unternehmen. Die USA würden die Reformer schwächen, wenn sie die Proteste unterstützten, so ihr Argument. Mit den Demonstranten stimmen sie darin nicht überein. Diese riefen ‚Reformer! Hardliner! Das Spiel ist aus!’ Washington jagt also einer Option nach, an die die Iraner nicht mehr glauben. (…)

Diejenigen, die die Vereinigten Staaten zur Inaktivität aufrufen, missverstehen auch, wie und warum die Reformbewegung überhaupt ins Leben gerufen wurde. Sie meinen, man solle keinen Druck auf Teheran ausüben, weil jede Belastung den demokratischen Wandel behindern könnte. Betrachtet man allerdings die Geschichte des Iran seit der Islamischen Revolution, erweist sich das genaue Gegenteil als wahr. (…)

In den letzten Jahrzehnten wurden im Iran zweimal reformorientierte Präsidenten gewählt: Mohammad Khatami (1997) und Hassan Rohani (2013). Diese beiden politischen Facelifts waren das Ergebnis innen- und außenpolitischen Drucks. (…) Der Westen hat sich der Dichotomie von Reformern und Hardlinern verschrieben. Vielen erschien der Iran als ein manichäisches Universum, in dem das Gute (die Moderaten) gegen das Böse (die Hardliner) Krieg führt.

Bei dem spannenden politischen Drama im Iran jubelte ein Großteil der Welt den Reformern zu, die immer kurz davor zu stehen schienen, eine positive Veränderung herbeiführen zu können, es dann aber doch nie ganz schafften. Die Demonstranten der letzten Tage nahmen dagegen eine eindeutige Position ein: Die beiden politischen Kräfte, die einander seit langem zu bekriegen scheinen, sind in Wirklichkeit die zwei Gesichter ein- und desselben Dämonen. Sie sind Teherans Version von Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Nahostexperten porträtieren die Iraner oft als ein rätselhaftes Volk. Anders als die Amerikaner sind sie allemal. Doch wenn die Arbeitslosenquote bei mehr als 30 Prozent liegt, Frauen und die Angehörigen religiöser Minderheiten als Bürger zweiter Klasse behandelt werden, die Korruption der Regierung aus dem Ruder läuft und den Menschen die Grundrechte verwehrt werden, dann sind sie wie jedes andere Volk, das je gegen eine Tyrannei aufgestanden ist. Im Umgang mit einem Land, in dem Frauen im Bus hinten sitzen müssen und Bürger vor den Gerichten nicht gleich behandelt werden, sollten die Amerikaner sich weniger auf die Experten verlassen und eher den Lehren ihrer eigenen Geschichte Folge leisten.“

(Roya Hakakian: „Commentary: Why the U.S. should support Iran protester“)

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