Ein Demokrat mit Naheverhältnis zu Islamisten

Von Stefan Frank

2017 finden in Europa etliche wichtige Wahlen statt, da mag eine parteiinterne Kür in Amerika eher unwichtig scheinen. Und hatten wir davon dieses Jahr nicht schon mehr als genug? Trotzdem sollte man die Abstimmung über den Vorsitz des Democratic National Committee (DNC), der nationalen Organisation der Demokratischen Partei in den Vereinigten Staaten, nicht für unwichtig halten.

ellisonGerade angesichts der neuen politischen Lage, wo nach der Wahlniederlage Hillary Clintons und dem Ende der Ära Obama bei den Demokraten ein personeller und programmatischer Neustart unumgänglich wird, wird der Vorsitzende des DNC (der in den acht Jahren der Regierung Obamas recht wenig Einfluss hatte) wohl als Kopf und Sprachrohr der Demokraten fungieren und die Weichen für den Wahlkampf zum Senat 2018 und für die Präsidentschaftswahlen 2020 stellen. Er wird ein wichtiges Wort mitzureden haben darüber, was die künftigen Themen der Partei sein werden und wer 2020 gegen Präsident Donald Trump antritt.

Als aussichtsreichster Kandidat gilt Keith Ellison aus dem Bundesstaat Minnesota. Mit den Senatoren Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Chuck Schumer haben sich drei der einflussreichsten Wortführer der Demokraten für den 53 Jahre alten, aus Detroit stammenden Ellison ausgesprochen, was ihn anfänglich zum haushohen Favoriten auf das Amt machte.

Ellison ist Abgeordneter im Repräsentantenhaus und war 2006 der erste Muslim, der in den Kongress gewählt wurde. Derzeit ist er einer von zwei Kongressabgeordneten muslimischen Glaubens. Früher war Ellison römisch-katholisch; zum Islam konvertiert ist er wohl nicht nur, weil ihn der Koran überzeugt hat, sondern auch aus politischen Gründen – im Zuge seiner Begeisterung für Louis Farrakhans Bewegung Nation of Islam.

farrakhanDie ist auch der Grund, warum Ellison in der letzten Zeit viel schlechte Presse hat: Nation of Islam ist eine dezidiert antisemitische Bewegung. Farrakhan verbreitete nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 das Gerücht, jüdische Angestellte seien an jenem Tag nicht zur Arbeit erschienen, weil sie von Israel gewarnt worden seien. „Israelis wussten vorab von den Anschlägen“, so Farrakhan. „Die Juden“, glaubt er zudem, „fürchten Amerika nicht, weil sie es nämlich von innen kontrollieren“.

Ellison hat sich von Farrakhan ausdrücklich distanziert und bedauert heute, ihn Mitte der Neunziger Jahre unterstützt zu haben. In einem Brief an die Rabbinische Versammlung – dem internationalen Verband konservativer Rabbiner –, der diese Woche in amerikanischen Zeitungen veröffentlicht wurde, schreibt er: „Damals habe ich den Antisemitismus Farrakhans nicht begriffen. Es fiel mir schwer, zu sehen, dass der Kampf für die Gleichheit von Afro-Amerikanern zu Hass auf andere missbraucht werden kann, insbesondere Antisemitismus.“ Als ihm aufgefallen sei, dass Farrakhan „hasserfüllte Äußerungen“ über andere Gruppen, darunter die jüdische Gemeinde, gemacht habe, habe er sich von ihm abgewandt.

Doch gerade diesen Monat wurden einige Äußerungen und Taten Ellisons bekannt, die aus jüngerer Zeit stammen, lange nach seiner Mitgliedschaft in der Nation of Islam. Wie mehrere amerikanische Zeitungen übereinstimmend berichten, soll auf dem Mitschnitt einer Rede, die Ellison 2010 auf einer Spendengala gehalten hat, zu hören sein, wie er sagt: „Die Außenpolitik der Vereinigten Staaten wird davon bestimmt, was für ein Land mit sieben Millionen Einwohnern gut oder schlecht ist. Eine Region mit 350 Millionen richtet alles nach einem Land mit sieben Millionen aus. Ergibt das Sinn? Ist das logisch? Richtig? Wenn die Amerikaner, die ihre Wurzeln in den 350 Millionen haben, sich beteiligen, wird sich alles ändern.“

Der Vorsitzende der Anti-Defamation League (ADL), Jonathan A. Greenblatt, verurteilte Anfang Dezember diese Äußerungen. Sie seien „zutiefst verstörend und disqualifizierend“. „Seine Wortwahl impliziert, dass die Außenpolitik der USA nicht auf dem gründet, was für Amerika das Beste ist, sondern auf religiösen oder nationalen Sonderinteressen. Zudem lassen seine Worte, ob absichtlich oder nicht, das uralte Stereotyp von der jüdischen Kontrolle über unsere Regierung anklingen: ein bösartiger Mythos, den es immer noch in einigen Teilen der Welt gibt, wo die Intoleranz gedeiht, der aber in offenen Gesellschaften wie der der USA keinen Platz hat.“

Ellisons Einlassung, so Greenblatt weiter, stünde zudem im Widerspruch zum Parteiprogramm der Demokraten, in dem es heißt: „Ein starkes und sicheres Israel ist von vitalem Interesse für die Vereinigten Staaten, da wir übergreifende strategische Interessen und die gemeinsamen Werte von Demokratie, Gleichheit, Toleranz und Pluralismus teilen.“ Was sagt Ellison selbst zu seiner damaligen Rede? Diese sei von einem „antimuslimischen Extremisten“ „selektiv zusammengeschnitten“ und „aus dem Zusammenhang gerissen“ worden, teilte er über Twitter mit.

omeishWie Amerikas renommierte jüdische Zeitung Algemeiner berichtet, hielt Ellison seine umstrittene Rede auf einer Veranstaltung, die von Esam Omeish organisiert wurde, einem früheren Präsidenten der Muslim American Society (MAS), der von seinem Amt in einem Einwanderungsausschuss in Virginia zurücktreten musste, nachdem bekanntgeworden war, dass er bei einer Ansprache zum „Al-Quds-Tag“ die Palästinenser dafür gepriesen hatte, dass sie „den Weg des Dschihad wählen … um Euer Land zu befreien“.

Überhaupt scheint sich Ellison, auch lange nach seiner Trennung von Farrakhan, immer noch gern in der Nähe von Islamisten herumzutreiben. Ende November wurde bekannt, dass er bei einer Saudi-Arabien-Reise im Jahr 2008 einen Prediger traf, der den „Dschihad“ gegen Israel und US-Truppen im Irak unterstützt, sowie den Präsidenten einer Bank, die Millionen von US-Dollar an palästinensische Terroristen überweist.

Kurzfristig abgesagt hat Ellison hingegen seine geplante Teilnahme an der Jahresversammlung der Muslim American Society (MAS) – Islamic Circle of North America (ICNA), die vom 26. bis 28. Dezember in Chicago stattfindet. Dort hätte er am 27. Dezember eine Rede halten sollen. Andere Redner sind etwa Osama Abu-Irshaid, der nationale Vorsitzende der American Muslims for Palestine, der kürzlich auf Facebook schrieb, die Hamas sei eine „Befreiungsarmee“, und Siraj Wahhaj, der mit dem Anschlag auf das World Trade Center im Jahr 1993 in Verbindung gebracht wird.

Ellison hat wohl gemerkt, dass solche Auftritte seine Chancen verringern, der neue starke Mann der Demokraten zu werden. Doch dass er in der Vergangenheit die Nähe radikaler Islamisten gesucht hat, das lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Damit würde er für seine Partei keinen Neustart verkörpern, sondern wäre eher eine Altlast, ähnlich dem britischen Labour-Vorsitzenden Jeremy Corbyn, dessen Linksradikalismus und Sympathien für Terroristen der Hamas und Hisbollah ihn für einen Großteil der Briten unwählbar machen. Das scheint auch einem Teil der Demokraten zu dämmern. Mitte Dezember kündigte Arbeitsminister Tom Perez seine Kandidatur für den Vorsitz des DNC an. Barack Obama stellte sich umgehend deutlich hinter Perez, was einmal mehr die Spaltung der Demokratischen Partei zeigt. Obama, so hatte die New York Times im November berichtet, fühle Unbehagen angesichts eines möglichen Wahlerfolgs Ellisons. „Einige Demokraten in Obamas Umkreis und darüber hinaus sagen, Ellison in das Amt zu befördern, würde gewissermaßen bedeuten, die Partei an Senator Bernie Sanders aus Vermont zu übergeben“, so das Blatt.

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