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Javad Zarif: Die Charmeoffensive des iranischen Außenministers

Javad Zarif: Die Charmeoffensive des iranischen Außenministers„Der iranische Außenminister Javad Zarif hat fast sein gesamtes Leben als Erwachsener damit zugebracht, ein Regime zu vertreten, das politische Gefangene foltert, ganze Religionen verbietet und Kinder für Kriege jenseits seiner Landesgrenzen rekrutiert. So ist es nicht allzu überraschend, dass seine Moraltheorie nicht übermäßig ausgefeilt ist. ‚Die Millionen Flüchtlinge, die in Syrien ihre Häuser verlassen, fliehen nicht vor einem Mann, einer Sekte oder einer Regierung’, schrieb Zarif in einem 2800 Worte zählenden Aufsatz, der [am 9. Oktober] in The Atlantic veröffentlicht wurde. ‚Sie fliehen vor Krieg und Terror.’ Es scheint merkwürdig, wenn ein Spitzendiplomat über Krieg und Terror spricht, als existierten diese irgendwie unabhängig von den Handlungen der Machthaber, Sekten und Regierungen. Wozu wären Außenminister denn gut, wenn Kriege der menschlichen Kontrolle ebenso wenig unterworfen wären wie Erdbeben oder Orkane? Darum geht es ihm aber auch nicht wirklich. In dem vorangehenden Satz behauptet Zarif, ‚Terrorgruppen’ in Syrien seien ‚zu einem bestimmten Zeitpunkt direkt oder indirekt von manchen unserer Nachbarn und in manchen Fällen von den USA finanziert und bewaffnet’ worden. Zarif zufolge sind Krieg und Terror politische Mittel, Könige dagegen nur die Sklaven der Geschichte. Setzt man kurz die Suchfunktion ein, lässt sich dieser Widerspruch leicht erklären: Der Name Bashar al-Assad taucht in dem gesamten Aufsatz kein einziges Mal auf. (…)

Angesichts seines Lebenslaufs genießt Zarif in den USA ein erstaunliches Ansehen. Infolge der Abkehr der Trump-Administration vom Atomabkommen wird er womöglich als einer der führenden Verteidiger des Obama-Vermächtnisses gesehen. Vielleicht ist die Erklärung auch viel einfacher: Zarif spricht gut englisch und schreibt differenziert klingende Plattitüden. Er ist das, was leichtgläubige Zuhörer sich wohl unter einem klugen Außenpolitiker vorstellen. Bei einem Vortrag vor der Asia Society am 27. September konnte man Zarif in betörender Hochform erleben. Dort schaffte er es, fest aber agil zu erscheinen und stand in Sachen Timing und Präsentation einem Schauspieler in Nichts nach. Er gab zahlreiche Absurditäten oder – weniger großzügig ausgedrückt – Lügen zum Besten. ‚Im Gegensatz zu Ihren Verbündeten in der Region leitet sich unsere Macht und Legitimität vom Volk ab’, erklärte der Außenminister eines Landes, zu dessen eigenen ‚Verbündeten in der Region’ das Assad-Regime gehört und dessen Regierung von Freedom House unumwunden als ‚unfrei’ eingestuft wurde. ‚Wir leiten unsere Legitimität nicht von den wunderbaren militärischen Ausrüstungsgegenständen ab, die wir von den USA erhalten.’ Dieser Satz saß: Das halbe Auditorium reagierte auf die Spitze mit spontanem Applaus. (…)

Aus dem Munde eines iranischen Regierungsvertreters überraschen derartige Äußerungen nicht. Psychologisch gesehen sind sie dennoch interessant. Wie Zarifs Agnostizismus in Bezug auf die Frage, ob der Holocaust tatsächlich stattfand oder nicht, deuten die peinlicheren Teile seines Vortrags vor der Asia Society darauf hin, worum es ihm wirklich geht. Er verteidigt nicht nur die Politik des Regimes, sondern glaubt auch inbrünstig an dessen weitergehende Mission und Bedeutung. (…) Doch Zarif glaubt, dass ihm allerhand nachgesehen wird, und bislang hat er recht behalten. ‚Der Iran wird … seinen Weg des Dialogs und des gegenseitigen Respekts und Verständnisses fortsetzen’, schreibt er am Ende seines Aufsatzes in The Atlantic.“ (Armin Rosen: „Javad Zarif’s Charm Offensive“)

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