Israel hat keine andere Wahl, als das Hamas-Regime zu stürzen und seine Terrorarmee zu zerschlagen – und was danach kommt, muss ebenfalls bedacht werden.
Yaakov Lappin
Seit dem Massenmord, den die Hamas-Todesschwadronen am Samstag in nahe des Gazastreifens gelegenen Gemeinden im Süden des Landes verübten, fliegt Israel beispiellose Luftangriffe auf Hamas-Ziele im Gazastreifen. Allerdings ist klar, dass dies nur das Vorspiel für weitere Maßnahmen ist.
Das Sicherheitskabinett wird von den israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) eine Reihe von Optionen für die Art, den Umfang und die Ziele der Militäroperation erhalten haben, die Israel als Antwort auf die Hamas-Gräueltaten wählen wird. In der Zwischenzeit werden die Forderungen nach einer Untersuchung der katastrophalen Versäumnisse bei der Aufklärung und der Einsatzbereitschaft der Truppen an der Grenze bis nach dem Krieg zurückgestellt werden.
Keine andere Chance
Wie auch immer sich das Sicherheitskabinett letztlich entscheiden wird, es wird eine größere Bodenoffensive anordnen müssen, um das Hamas-Regime und seine Terrorarmee vernichtend zu schlagen – als Antwort auf die schrecklichen Kriegsverbrechen, die sie über israelische Gemeinden im Süden des Landes gebracht hat. Jedes andere Vorgehen würde Israels strategische Position im Nahen Osten untergraben und der Hisbollah, dem Iran und anderen Gegnern grünes Licht für einen Angriff geben.
Das Sicherheitskabinett veröffentlichte am Sonntag eine Erklärung, nachdem es getagt und eine Reihe operativer Entscheidungen getroffen hatte: Ziel sei, »die Zerstörung der militärischen Ressourcen und Regierungseinrichtungen der Hamas und des Islamischen Dschihads in einer Weise zu erreichen, die deren Fähigkeit und Bereitschaft, die Bürger Israels zu bedrohen und anzugreifen, für viele Jahre ausschließt«.
Allein das Einlösen dieser Erklärung setzt eine Bodenoperation voraus, da keines dieser Ziele nur aus der Luft erreicht werden kann. Daher ziehen die IDF entlang der Grenze zum Gazastreifen Panzer-, Artillerie- und Infanterieverbände zusammen, während sie auf weitere Anweisungen warten. Da die letzte Verteidigungsphase der Rückeroberung des Südens durch die IDF am Montag abgeschlossen wurde, geht es bei den momentanen Entscheidungen des Kabinetts eher um langfristige Maßnahmen.
Die Säuberung des Gazastreifens vom militärischen Flügel der Hamas, den von Mohammed Deif angeführten Al-Qassam-Brigaden, und ihrem von Yahya Sinwar geleiteten Regierungsapparat wird wahrscheinlich viele Wochen und Monate dauern. Es wird ein intensiver Kampf in den Städten stattfinden, bei dem Straße um Straße gekämpft werden wird, um die Terrorkommandos in ihren Bunkern, Tunneln und mehrstöckigen Gebäuden zu zerschlagen.
Zum Vergleich: Die Operation Defensive Shield, die Israel 2002 nach einer mörderischen Welle palästinensischer Selbstmordattentate und Schussangriffe in der Westbank gestartet wurde, dauerte etwa drei Jahre.
Und danach?
Israel wird auch an den Tag nach einer möglichen Bodenoperation in Gaza denken müssen. Eine Möglichkeit wäre, nach den ersten Wochen und Monaten der Operation eine israelische Militärverwaltung in Gaza zu installieren. Eine zweite Option wäre, sich nach einigen Monaten aus dem Küstenstreifen zurückzuziehen, aber weiterhin grenzüberschreitende Angriffe und Luftangriffe durchzuführen, um die Hamas am Wiederaufbau ihrer Streitkräfte zu hindern.
Die erste Option, eine Militärverwaltung, scheint die wahrscheinlichere, da das Szenario eines Rückzugs, der es der Hamas ermöglichen würde, ihr Haupt wieder zu erheben, unter dem Eindruck des Massakers vom Samstag undenkbar erscheint. Eine kurzfristige Übernahme des Gazastreifens durch Mahmoud Abbas’ Fatah ist nicht realistisch, da sie nicht »auf israelischen Panzern« in den Gazastreifen zurückkehren und ihre Legitimität verlieren will.
Langfristig könnte jedoch ein gewisses Maß an palästinensischer Autonomie im Gazastreifen erreicht werden, verbunden mit einer IDF-Präsenz und voller Handlungsfreiheit, um den Aufstieg einer neuen islamistisch-dschihadistischen Terrorarmee zu verhindern. Das liegt jedoch zu weit in der Zukunft, um jetzt darüber nachzudenken; zunächst steht der bevorstehende Krieg im Mittelpunkt der Überlegungen.
Eine völlig andere Tragweite
Der Übergangscharakter der gegenwärtigen Situation wurde am Montagmorgen vom internationalen Sprecher der IDF, Richard Hecht, zum Ausdruck gebracht, indem er erklärte: »Das Ausmaß dieser Sache ist völlig anders.« Zu diesem Zeitpunkt hatten die IDF bereits mehr als tausend Ziele im Gazastreifen angegriffen und waren noch immer mit der Räumung von sieben bis acht Gebieten im Süden Israels beschäftigt, in denen sich nach wie vor Terroristen aufhielten. Im Zuge der Militäraktion wurden hunderte Terroristen getötet, sowohl in Israel als auch im Gazastreifen.
Die IDF haben vier Divisionen – und damit eine enorme Menge an militärischen Kräften – in den Süden verlegt, um ihre Verteidigungsstellung zu vervollständigen, wobei sie einräumen, dass die Phase der Neutralisierung der Terrorkommandos länger gedauert hat als ursprünglich angenommen. Die Luftangriffe konzentrierten sich unterdessen auf die Gaza-Regionen Beit Hanoun und Shajiah im Norden bzw. Osten des Küstenstreifens, die von der Hamas als Aufmarschgebiete für ihre Todesschwadronen genutzt worden waren, als sie versuchten, nach Israel zu gelangen.
Zusätzlich zu den vier in den Süden geschickten Divisionen konzentrierten die IDF ihre Mobilisierungsbemühungen auch auf den Norden des Landes an der Grenze zum Libanon und verlegten gleichzeitig etliche Bataillone innerhalb Israels, um ein Szenario wie bei der Operation Guardian of the Walls zu verhindern, bei der es zu massiven internen Unruhen in arabisch-israelischen Gebieten gekommen war.
Yaakov Lappin ist Korrespondent und Analyst für militärische Angelegenheiten in Israel. Er ist hausinterner Analyst am MirYam-Institut, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Alma-Forschungs- und Bildungszentrum und am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien an der Bar-Ilan-Universität sowie Autor von Virtual Caliphate – Exposing the Islamist State on the Internet. (Der Artikel erschien auf Englisch beim Jewish News Syndicate. Übersetzung von Alexander Gruber.)