Die Familien der Opfer werden von Agenten der Sicherheitsdienste überwacht, die verhindern wollen, dass sie ausländischen Zeitungen Interviews geben.
Maryam Dehkordi, Iran Wire
„Als wir hörten, dass das Flugzeug abgestürzt war, stürzte auch die Welt über unseren Köpfen zusammen. Als uns allerdings die Nachricht erreichte, dass das Flugzeug nicht aufgrund technischer Probleme abgestürzt war, und dass unsere Lieben gestorben sind, weil eine Rakete darauf abgefeuert wurde, war es nicht nur Traurigkeit, die uns umbrachte, sondern auch Wut. Anstelle von Sympathie erhalten wir nun mehrmals täglich Anrufe und Textnachrichten, in denen wir davor gewarnt werden, mit den Medien zu kommunizieren oder ihnen Bilder zu senden.“ Mit diesen Worten beschreibt die Mutter eines Opfers des Ukrainian Airlines-Fluges 752, was sie durchmachen muss. (…)
Die trauernde Mutter – die darum gebeten hat, ihren Namen nicht preiszugeben, weil sie von den Sicherheitsbehörden bedroht wurde – sagte, Agenten hätten sie mehrmals kontaktiert, nachdem bekannt geworden war, dass eine Rakete das Flugzeug abgeschossen hatte. Sie wollten sie überreden, iranischen Medien Interviews zu geben. „Sie sagten: ‚Komm und sprich mit unseren eigenen Medien, nicht mit den regimefeindlichen Medien‘“, erzählt sie. „Ich sagte: ‚Sie möchten, dass ich sage, dass es Amerikas Schuld war? Sie werden niemals erleben, dass ich das Geschehene schön rede.’“ (…)
In den letzten Tagen wurde in einer Reihe von Meldungen berichtet, dass die Familien der Opfer von den Sicherheitsbehörden bedroht und eingeschüchtert worden sind. Laut den Berichten wurde ihnen gesagt, dass sie, wenn sie die Überreste ihrer Lieben erhalten wollen, keine Interviews mit persischsprachigen Medien außerhalb des Iran geben dürfen. (…)
Viele Familien sagen, dass jede ihrer Bewegungen überwacht wird, und die Sicherheitskräfte sogar in ihre privaten Trauerzeremonien eingreifen und bedrohliche Anrufe tätigen, ohne einen Hauch von Mitgefühl zu zeigen. (…) Nach Angaben von [einem Familienmitglied eines anderen Opfers] wurden die Familie während der Trauerzeremonien mehrmals von unbekannten Rufnummern aus angerufen und dazu aufgefordert, persischsprachige Medien außerhalb des Iran darum zu bitten, die Fotos ihrer Angehörigen von deren Homepages zu entfernen. Sie sagte, dass die Anrufe „zweifellos zeigen, dass wir überwacht wurden.“ (…)
Die Drohungen und Einschüchterungen sind nichts Neues für die Familien der Opfer verschiedener von der iranischen Regierung begangener Missetaten. Während der landesweiten Proteste im November, bei denen viele iranische Bürger getötet, verletzt oder verhaftet wurden, wurden die meisten Familien, die sich dazu entschlossen hatten, nicht zu schweigen und Gerechtigkeit zu fordern, von den Sicherheitsbehörden belästigt und bedroht. (…)
Diese Behandlung von Seiten der Sicherheitsbehörden ist nicht nur auf die Familienangehörigen beschränkt, die bei den Protesten im November oder beim Abschuss des ukrainischen Verkehrsflugzeugs getötet wurden. Es gibt viele Berichte über Gewalt gegen die Versammlungen zum Gedenken an die Opfer in verschiedenen iranischen Städten. Die angezündeten Kerzen wurden von den Sicherheitskräften zertreten und die Trauernden wurden gefragt: „Warum hast Du keine Kerzen angezündet, als Soleimani den Märtyrertod erlitt?“