„In der Islamischen Republik Iran sind bekanntlich ‚Islamisten‘ an der Macht. Dem iranischen Rechtssystem liegt seit dem Sieg der ‚islamistisch‘ inspirierten Islamischen Revolution von 1979 die Scharia zugrunde. Die Scharia, auf die das iranische Recht gründet, ist nun aber, da eine islamistische Scharia nicht existiert, keine islamistische, sondern die traditionelle islamische. Auf der Grundlage eben dieser islamischen – nicht ‚islamistischen‘ – Scharia werden nach offiziellen Angaben der Islamischen Republik Iran jährlich zehntausende Mädchen zwischen zehn und vierzehn Jahren (immer wieder auch Mädchen unter neun Jahren) verheiratet. 1974, fünf Jahre vor der Islamischen Revolution, war im Iran das Heiratsalter für beide Geschlechter, internationalen Standards entsprechend, auf achtzehn Jahre erhöht worden. Wenige Jahre nach der Islamischen Revolution von 1979 wurde dann, auf der Grundlage der islamischen Scharia, das Mindestheiratsalter von Mädchen auf neun Jahre gesenkt.
Zu Beginn des neuen Jahrtausends schließlich beschloss das iranische Parlament auf Initiative von ‚reformislamistischen‘ Parteigängerinnen des damaligen Präsidenten Mohammad Khatami eine Erhöhung des Heiratsalters von Mädchen auf dreizehn Jahre. Man beachte: Hier setzten ‚Islamistinnen‘ eine bescheidene, progressive Reform (die Erhöhung des Heiratsalters von Mädchen von neun auf dreizehn Jahre) gegen den traditionellen Islam durch. (…) Allerdings ist es – die leicht zu erlangende Einwilligung eines ‚kompetenten Richters‘ vorausgesetzt – auch im Iran des Jahres 2017 durchaus möglich, Mädchen unter dreizehn, mitunter auch unter neun Jahren, zu heiraten: siehe oben. Auch zahllose andere gesetzlich festgeschriebene Menschrechtsverletzungen (Todesstrafen für Abtrünnige und Homosexuelle, Steinigung von ‚Ehebrecherinnen‘ et cetera) haben ihre Grundlage in der islamischen Scharia. Um einen aus dem Iran geflüchteten Bekannten, einen ehemaligen schiitischen Geistlichen, zu zitieren: ‚Unser Problem im Iran ist nicht der »Islamismus« – sondern die Scharia.‘“ (Sama Maani: „Unser Problem ist die Scharia – nicht der ‚Islamismus‘“)