in Ihrem gestrigen Kurier-Artikel über die Präsidentschaftswahl im Iran stellen sie die zwei aussichtsreichsten Kandidaten vor. Sie bezeichnen Ebrahim Raisi als einen der „radikalsten und brutalsten Anführer der islamischen Revolution“ und heben seine vermutliche Verantwortung für „tausende Hinrichtungen“ in den 1980er Jahren hervor. Demgegenüber fehlt aber jeder Hinweis auf die Posten, die Raisis Konkurrent, der amtierende Präsident Hassan Rohani, im Laufe seiner langen Karriere für das islamistische Regime eingenommen hat. Tatsächlich übte Rohani, ein Mann der ersten Stunde, der einst Khomeini ins Exil gefolgt und nach der islamischen Revolution wieder in den Iran zurückgekehrt war, u.a. als Mitglied des Obersten Verteidigungsrates und als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates im Sicherheits- und Repressionsapparat des Regimes weitaus wichtigere Funktionen aus als sein Konkurrent Raisi.
Sie bezeichnen Rohani als „liberale(n) Kleriker“ bzw. als „liberal (und) westlich orientiert“. Ich kann nicht nachvollziehen, wie Sie jemanden als „liberal“ charakterisieren können, der Mitverantwortung an der Ermordung von Oppositionellen trug oder – wie Rohani im Jahr 1999 – die Todesstrafe für protestierende Studenten forderte. Darüber hinaus bieten Sie Ihren Lesern ein völlig verzerrtes Bild der politischen Realität im islamischen Gottesstaat: Ein liberal und westlich orientierter Politiker hat im Iran überhaupt nicht die Möglichkeit, für ein politisches Amt zu kandidieren, sondern er würde (wie bei der aktuellen Präsidentschaftswahl über 6000 Bewerber) vom Wächterrat von der Kandidatenliste gestrichen werden und für lange Jahre im Gefängnis verschwinden. Die Wahl zwischen Raisi und Rohani war eine zwischen zwei Flügeln desselben unterdrückerischen Regimes. Ich weiß nicht, welchen Nutzen es haben soll, diesen simplen Umstand zu beschönigen und einen falschen Eindruck von der Natur des islamistischen Regimes zu erwecken.
Mit freundlichen Grüßen,
Mag. Florian Markl
Mena Watch – der unabhängige Nahost-Thinktank