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Corona-Krise: So baut Israel jetzt sein Schulsystem um

Trotz Vorsorgemaßnahmen ging die Wiederöffnung der Schulen in Israel nicht gut aus. (imago images/ZUMA Wire)
Trotz Vorsorgemaßnahmen ging die Wiederöffnung der Schulen in Israel nicht gut aus. (imago images/ZUMA Wire)

Nach der Wiederöffnung der israelischen Schulen schossen die Corona-Infektionszahlen in die Höhe. Im Herbst müssen neue Wege beschritten werden.

In Israel wird zurzeit intensiv darüber diskutiert, wie das Schulsystem ab 1. September so gestaltet werden kann, dass es keine Ansteckungsgefahr gibt. Nachdem Israel bereits im Mai die Klassenzimmer wieder geöffnet hatte, schossen in einer Schule in Jerusalem die Ansteckungszahlen in die Höhe. Das Virus breitete sich in den Familien der Schüler rasend schnell, sodass binnen kurzer Zeit Hunderte Schüler, Lehrer und Verwandte infiziert waren – manche sprachen vom möglicherweise größten schulischen Corona-Cluster weltweit. Hunderte Schulen, die gerade erst ihren Betrieb wieder aufgenommen hatten, wurden wieder geschlossen.

Da sich ein solches Szenario im Herbst auf keinen Fall wiederholen soll, läuft die Suche nach Lösungen. Ein wichtiger Punkt besteht darin, kleinere Klassen zu schaffen; bisher wurden bis zu 38 Schüler in eine Klasse gesteckt. Der Unterricht soll teilweise in der Schule und teilweise zu Hause vor dem Computer stattfinden, trotz der Schwierigkeiten, die diese Form des selbstständigeren Lernens manchen Schülern bereitet.

Kleinere Klassen bringen aber Probleme mit sich, die noch gelöst werden müssen. Klar ist beispielsweise, dass mehr Lehrpersonal benötigt wird, wenn dieselbe Anzahl an Schülern auf kleinere Klassen aufgeteilt wird. Doch bis Anfang September ist nicht mehr viel Zeit, um das Personal entsprechend aufzustocken: Israel bräuchte rund 15.000 weitere Lehrende. „Lehrer sind keine Babysitter, ihre Arbeit kann nicht in einem Moment gelernt werden“, gibt Ruti Anzel, Leiter der Abteilung für Grundschulen in Tel Aviv, zu bedenken. Ins Auge gefasst werden Schnell-Trainingsprogramme, um Lehrpersonal auszubilden und für das kommende Schuljahr vorzubereiten.

Dafür will die Regierung 4,2 Milliarden Shekel (1,2 Milliarden Dollar) aufbringen. Angedacht werden u.a. kostenlose Trainingsprogramme, die Tausenden von Neuanstellungen sollen gleichzeitig dazu dienen, die hohe Arbeitslosenrate zu senken. Außerdem soll verstärkt auf neu Eingewanderte zurückgegriffen werden, die in ihren Herkunftsländern schon unterrichtet hatten, bisher aber an der Bürokratie daran gescheitert waren, ihre Diplome in Israel anerkannt zu bekommen. Die israelische Pilotenvereinigung will fast 1000 ihrer Mitglieder zu Lehrern umschulen, die momentan wegen des eingestellten Flugverkehrs keine Arbeit haben.

Die Verwendung neuer Technologien, die mit dem Unterricht zu Hause einhergeht, stellt auch manche Lehrer vor neue Herausforderungen. „Wir begannen die gleiche Sprache zu sprechen wie die Studierenden“, so Eli Dudai von der Gil Rabin Schule in Sderot. Viele Lehrer mussten sich unter großem Zeitaufwand erst an die neuen Technologien gewöhnen, mit denen ihre Schüler oftmals viel vertrauter sind.

Eine virtuelle Schule

Ab Herbst soll es womöglich in Israel auch die erste komplett virtuelle Schule geben. Vom siebenten bis zum zwölften Lernjahr soll unterrichtet werden, ohne dass herkömmliche Schulbücher und Schulgebäude verwendet werden. Kreiert wurde das Projekt von Moshe Kinley Tur-Paz und Paz Cohen. Sie führen zurzeit Gespräche mit privaten Investoren und philanthropischen Institutionen, um das notwendige Budget von sieben Millionen Shekel (zwei Millionen Dollar) aufzubringen.

Die Klassen sollen auf 12 Schüler beschränkt werden. Diese müssen keine Schulbücher kaufen und werden von den Spendern mit Laptops ausgestattet. Das würde auch der Problematik entgegenwirken, dass rund 20% der in Israel lebenden Kinder keinen Zugang zu Computern, geschweige denn zum Internet haben. In den Lehrplan sollen auch soziale Aktivitäten und Freiwilligendienste integriert werden. Soweit das Bildungsministerium zustimmt, soll nächstes Schuljahr ein Pilotprojekt starten. Das Bildungsmodell orientiert sich an ähnlichen Schulen in den USA, Kanada und Australien.

Wie genau das neue Schuljahr aussehen wird, wird sich in den nächsten Wochen zeigen müssen – und wohl oder übel auch von der noch nicht abschätzbaren Entwicklung der Corona-Ansteckungszahlen stark beeinflusst werden. Fest steht jedenfalls, dass Innovation, Kreativität und Modernität gefragt sind, um neue Modelle des Unterrichtens und Lernens zu kreieren.

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