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Massaker der Hamas: Viele Thailänder und Nepalesen unter den Opfern

Leichen thailändischer Arbeiter kommen nach dem Hamas-Massaker am Flughafen in Bangkok an
Leichen thailändischer Arbeiter kommen nach dem Hamas-Massaker am Flughafen in Bangkok an (Imago Images / SOPA Images)

In Israels landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten Tausende Thailänder und Nepalesen, viele von ihnen in Gemeinden in der Nähe des Gazastreifens, wo ein großer Teil des israelischen Gemüses angebaut wird. Auch sie wurden Opfer des terroristischen Überfalls der Hamas.

Die ersten Leichen der von der Hamas bei ihrem Massaker im Süden Israels getöteten Thailänder wurden am Freitag nach Thailand zurückgebracht. Wie die englischsprachige Bangkok Post auf ihrer Website berichtete, landete der EL-AL-Flug LY083 mit acht der Mordopfer um halb zehn Uhr Ortszeit am Flughafen Suvarnabhumi in der Provinz Salut Prakan. Am Flughafen fand eine Trauerzeremonie statt. Anschließend wurden die Särge in die jeweiligen Heimatorte der Opfer gebracht. Vor dem Abflug am Donnerstag hatte auch am israelischen Flughafen Ben-Gurion eine Trauerzeremonie stattgefunden.

Bis zum Überfall der Hamas arbeiteten rund 30.000 Thailänder in der israelischen Landwirtschaft, davon etwa fünftausend in Gemeinden in der Nähe des Gazastreifens, wo ein großer Teil des israelischen Gemüses angebaut wird. Laut Bangkok Post ermordete die Hamas am 7. Oktober 28 Thailänder; sechzehn überlebten verletzt, siebzehn wurden von der Hamas in den Gazastreifen verschleppt. Zudem wurden zehn Landwirtschaftsstudenten aus Nepal ermordet, vier verletzt und einer in den Gazastreifen verschleppt.

Die Nepalesen hatten sich im Rahmen des 2013 begonnenen bilateralen Projekts Sana Kishan für landwirtschaftliches Training in Israel aufgehalten. Dort wollten sie lernen, wie man auch mit relativ geringer Nutzfläche gute Ernten zur Ernährung der Bevölkerung erzielen kann.

Sue Surkes, eine Reporterin der englischsprachigen israelischen Nachrichtenwebsite Times of Israelsprach mit der in Thailand aufgewachsenen Psychologin Leila Djemal aus Tel Aviv. Djemal spricht fließend Thailändisch und begann wenige Tage nach dem Massaker, zwischen den thailändischen Arbeitern und den Hebräisch sprechenden Israelis zu dolmetschen. Der Reporterin erzählte sie einiges von dem, was jene Thailänder, die inzwischen zurück in ihrer Heimat sind, ihr vor ihrer Abreise berichtet hatten.

Versteckt unter Kuhdung oder Leichen

Im Kibbutz Alumim, der weniger als vier Kilometer von der Grenze zum Gazastreifen entfernt liegt, lebten 41 ausländische Arbeiter, davon 24 aus Thailand und 17 Landwirtschaftsstudenten aus Nepal. Am 7. Oktober wurden hier neun Thailänder getötet, einer verletzt und vier von bewaffneten Hamas-Männern entführt. Von den nepalesischen Studenten wurden zehn erschossen, vier verletzt und einer entführt.

Die thailändischen Männer in Alumim hatten entweder in den Hühnerställen, den Kuhställen, den Gemüsefeldern, den Orangenhainen oder dem Packhaus gearbeitet. Im Gegensatz zu anderen Gemeinden, die während des Hamas-Angriffs zerstört wurden, blieb Alumim laut Times of Israel großteils unversehrt – mit Ausnahme des Areals, in dem die ausländischen Arbeiter gewohnt hatten. In dieses drangen die Terroristen zuerst ein und brannten es nieder. Die Thailänder und die Nepalesen hatten ihre Wohnräume und Küchen neben den Ställen, die näher an der Grenze zum Gazastreifen lagen als der Rest des Kibbuz.

Leila Djemal erzählte: »Ich habe mit den beiden Arbeitern gesprochen, die die Hamas-Terroristen zuerst kommen sahen. Die Terroristen schossen auf das Tor und dann auf die Türen zu den Wohnräumen.«

Einem der beiden Thailänder sei es gelungen, den Kugeln am Fenster auszuweichen und in einen kleinen Raum zu rennen, in dem sich ein Kühlschrank befand. Als die Hamas begann, auf diesen kleinen Raum zu schießen, kletterte er auf den Kühlschrank und blieb dort bis zum nächsten Morgen um fünf Uhr. Dann konnte er in die Kibbuz-Schule fliehen, die inzwischen gesichert worden war. »Er hörte, wie sie schossen und schossen und ›Allahu Akbar‹ riefen«, so Djemal weiter. »Die Terroristen drangen in die Küche der nepalesischen Arbeiter ein, erschossen alle und begannen dann, die Küche zu durchwühlen.«

Ein anderer Mann, Ekarin Supapak, der seit zweieinhalb Jahren im Kibbuz arbeitete, sei in die Küche geflüchtet, um dem Rauch des in Brand gesetzten Wohnbereichs zu entgehen. Dort legte er sich zwischen die Leichen der getöteten Nepalesen und Thailänder. Die Sicherheitsleute des Kibbuz hatten den Opfern offenbar gesagt, dass sie in die Küche gehen sollten, weil es dort angeblich sicherer sei. »Ihnen allen war in den Kopf geschossen worden«, erzählt Djemal.

»Er [Ekarin] lag in Blut und Wasser, weil es eine Art Überschwemmung gab, vielleicht von einem geplatzten Wasserrohr. … Ekarin verließ den Raum, als der Rauch zu stark wurde und er einen Freund aus einem Schlafzimmer um Hilfe schreien hörte. Der Freund sagte, auf ihn sei geschossen worden. Ekarin hielt seine Hand, als er starb.«

Ein anderer der Arbeiter sei aus dem thailändischen Wohnbereich zu den Kuhställen gerannt. »Dort vergrub er sich in Kuhdung, sodass nur noch seine Augen und seine Nase zu sehen waren, und versteckte sich dort mehrere Stunden lang, während um ihn herum weiter geschossen wurde.« Die zehn überlebenden thailändischen Männer wurden schließlich am Sonntag um siebzehn Uhr aus dem Kibbuz gebracht.

Überlebende kehren heim

Nach Angaben der thailändischen Regierung haben sich in der Botschaft in Tel Aviv mehr als fünftausend Thailänder gemeldet, die Israel verlassen und in ihre Heimat zurückkehren wollen. Die meisten der Thailänder, die in Israel arbeiten, sind Männer. Zum größten Teil stammen sie aus dem besonders armen Nordosten Thailands. Ein Monatslohn von über tausend Euro, den sie in Israel erhalten, ist um ein Vielfaches dessen mehr, das sie in Thailand verdienen könnten. »Die Arbeiter können mit einer großen Geldsumme in Thai-Baht nach Hause kommen. Sie können alle Schulden abbezahlen und sogar ein neues Haus für ihre Familien bauen«, sagte ein Mitarbeiter des thailändischen Arbeitsministeriums der japanischen Nachrichtenagentur Nikkei.

Über die Ankunft von aus Israel heimkehrenden Arbeitern in Bangkok berichtete am 12. Oktober die Nachrichtenagentur AFP. Yanisa Thaweekaew, deren Sohn Supipat Kongkaew seit letztem Jahr auf einer israelischen Avocado-Farm gearbeitet hatte, sagte, sie habe seit Tagen nicht mehr geschlafen. »Mein Sohn ist alles für mich. Ich war besorgt. Er ist der einzige Sohn, den ich habe«, sagte sie gegenüber AFP. »Ich habe jeden Tag geweint, weil ich wusste, dass er in der roten Zone [in der Nähe des Gazastreifens] lebt.«

Somma Sae-ja war vor zwei Jahren nach Israel gezogen, um in der Landwirtschaft zu arbeiten. Er verlässt das Flugzeug im Rollstuhl, weil eine Gewehrkugel der Hamas seine Kniescheibe zerstört hat. »Ich konnte letzte Nacht nicht schlafen, so aufgeregt und besorgt war ich«, erzählte seine Frau Nantawan Sae-lee gegenüber AFP. »Wir haben nicht viel Geld, deshalb ist er nach Israel gegangen. Er ist ein wirklich guter Mann.«

Auch Sawiang Paelin aus Nong Khai, einer Stadt mit 50.000 Einwohnern an der Grenze zu Laos, wartete am Flughafen. Sie sagte, ihr Sohn habe durch seine Arbeit in Israel die ganze Familie ernähren können, dennoch sei sie dankbar, dass er nun zurück sei. »Kein Geldbetrag ist wichtiger als das Leben eines Menschen.«

Bangen um die Verschleppten

Auch in Thailand bangen nun Familien um von der Hamas verschleppte Angehörige. AFP hat einige der Angehörigen getroffen. Kanyarat Suriyasri, deren Ehemann Owat Suriyasri unter den Entführten ist, sprach von ihrem Entsetzen, als sie die Nachricht erfuhr. »Als ich hörte, dass er unter den von der Hamas entführten Geiseln ist, brach mir das Herz«, sagte sie gegenüber AFP. »Ich warte auf gute Nachrichten.«

Owat aus der Provinz Si Saket im Osten Thailands ist ein »sehr freundlicher, fürsorglicher und zufriedener Mann«, sagte sie. Er zog 2021 wegen der höheren Löhne nach Israel in der Hoffnung, ein besseres Haus für seine Frau und seine beiden Kinder bauen zu können. »Wir haben eine Menge Schulden, und im Ausland zu arbeiten ist besser bezahlt als in Thailand.« Sie sagte AFP, was sie ihrem Mann sagen würde, könnte sie ihn sehen: »›Ich habe dich vermisst, ich werde dich nie wieder weit weg lassen.‹ Ich würde ihn umarmen.«

Auch Wannida Ma-asas Ehemann Anucha Angkaew, ein Arbeiter auf einer Avocado-Farm, wurde in den Gazastreifen verschleppt. Sie sagt: »Ich bin am Boden zerstört. Ich habe mit ihm an dem Tag gesprochen, als er entführt wurde. Ich hatte einen Videoanruf mit ihm, bevor es passierte, und wir unterhielten uns ganz normal.« Trotz der Drohung der Hamas, ihre Gefangenen zu töten, hofft Wannida auf die sichere Rückkehr ihres Mannes. »Ich hoffe wirklich, dass er überlebt … Ich habe hundert Prozent Hoffnung. Ich verfolge geduldig die Nachrichten und warte auf gute Neuigkeiten.« Anucha, der eine Tochter hat, war im März 2022 aus seiner Heimatregion Udon Thani, einer landwirtschaftlichen Region im Nordosten Thailands, zum Arbeiten nach Israel umgezogen.

Jittawan Promsudorn sagte, ihre Familie habe den Kontakt zu ihrem Cousin Adisak Pengsuwan verloren, der seit März 2022 auf einem Bauernhof in der Region des Gazastreifens gearbeitet hatte. »Zuvor hatte er uns erzählt, dass alle seine Freunde erschossen worden waren, aber er hatte Glück und konnte in einen Bunker fliehen«, berichtete sie gegenüber AFP. »Er saß mit neunzehn anderen Thais in einem Bunker fest, aber es gab weder Essen noch Trinkwasser. Er erzählte uns, dass er nach draußen gehen wollte, um etwas zu essen und Wasser zu holen, aber um sein Leben fürchtete. Unsere Familie, vor allem seine Mutter, ist jetzt verzweifelt. Sie ruft mich jede Stunde an, ob ich etwas von ihrem Sohn gehört habe.«

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