Das neue Buch von Sarah Cohen-Fantl Wie alles begann und sich jetzt wiederholt. Meine jüdische Familiengeschichte ist kein Familienroman, sondern eine leise, eindringliche Chronik von Verlust, Weitergabe und Wiederaneignung.
Es beginnt mit einem Koffer. Einem Fundstück aus Auschwitz, das für Sarah Cohen-Fantl zum Ausgangspunkt einer tiefgehenden Spurensuche wird und zu der Frage führt, wer sie selbst ist, in einer Welt, in der sich Geschichte manchmal schneller wiederholen kann, als man glauben möchte. Die Autorin, Enkelin eines Holocaust-Überlebenden, rekonstruiert die Geschichte ihrer Familie, die einst zum jüdischen Bürgertum gehörte: gebildet, angesehen, weltoffen, und die in den Jahren der Shoa fast vollständig ausgelöscht wurde.
Doch das Buch erzählt auch von dem, was geblieben ist. Von Spuren, Erinnerungen, von einer Identität, die über Generationen hinweg wieder zusammengesetzt werden muss, aus Bruchstücken, Erzählungen, Archivfotos und eigenen Fragen, die von der Autorin mit journalistischer Präzision und publizistischem Gespür zu einem dichten Narrativ verbunden werden.
Doppelte Perspektive
Geschrieben ist das Buch mit einer poetischen Klarheit, die das Unsagbare nicht überhöht, sondern ihm Raum gibt. Ihre Sprache ist zart und zugleich analytisch, wie ein Gespräch zwischen Erinnerung und Gegenwart. Immer wieder verknüpft Cohen-Fantl das Gestern mit dem Heute, das familiäre Trauma mit der politischen Realität Israels.
Besonders eindrücklich sind ihre Reflexionen über den 7. Oktober 2023 und die Wucht, mit der die alten Ängste in der Gegenwart wieder aufbrechen. Dieser Bezug zur Gegenwart zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch: Mit der Hamas, welche die Traumata der Vergangenheit zu Waffen macht, und einer Mehrheitsgesellschaft, die in ihrem Wegsehen Geschichte wiederholt.
Dass die Autorin heute in Israel lebt und zuvor in Deutschland aufgewachsen ist, verleiht dem Werk eine doppelte Perspektive. Sie kennt das Land der Täter ebenso wie das Land der Zuflucht. So wird Wie alles begann und sich jetzt wiederholt zu einer sehr persönlichen Geschichte. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, was »Nie wieder« bedeutet, wenn Antisemitismus erneut um sich greift, und wie sich jüdisches Leben zwischen Erinnerungspflicht und alltäglicher Bedrohung behauptet.
Sarah Cohen-Fantl gelingt damit ein Werk, das gleichermaßen Zeugnis und Selbstbehauptung ist. Ein Buch, das unbequem bleibt, weil es bewegt. Und das zum Handeln auffordert.
Der Mena-Talk mit Sarah Cohen-Fantl erscheint morgen hier.







