An denkwürdigen Reaktionen auf den amerikanischen „Peace to Prosperity“-Friedensplan fehlt es wahrlich nicht. Arabische und europäische Staaten begrüßen ihn erst, lehnen ihn aber dann gleich wieder ab. Palästinenserführer Abbas verteufelt ihn, ohne ihn überhaupt gelesen zu haben. Und der eine oder andere israelische Politiker klagt, er sei zu Israelfreundlich. Am absurdesten ist aber wohl die Reaktion der israelischen Araber, die sich zwar stolz als Palästinenser identifizieren, den Plan aber erzürnt verwerfen, weil er ihnen die Möglichkeit einräumt, einem künftigen palästinensischen Staat anzugehören.
Bei den arabischen Einwohnern Israels kommt der trumpsche Friedensplan gar nicht gut an. Besonders wütend macht sie ein vorsichtig formulierter Vorschlag zu den zehn arabischen Gemeinden, die sich im sogenannten „Dreieck“, sprich einem dreieckigen Gebiet innerhalb Israels an der Grenze zum Westjordanland, befinden. Dort wohnen derzeit knapp 300.000 israelische Araber.
Im O-Ton klingt der Vorschlag wie folgt:
„Die Gemeinden, die sich größtenteils als Palästinenser identifizieren, sollten ursprünglich während der Verhandlungen über die Waffenstillstandslinie von 1949 unter jordanische Kontrolle kommen, wurden aber letztendlich von Israel aus sicherheitstechnischen Gründen, die mittlerweile nicht mehr aktuell sind, beibehalten. Vorbehaltlich der Zustimmung der Parteien, erwägt [der Friedensplan] die Möglichkeit, die Grenzen Israels neu zu ziehen, so dass die Dreiecksgemeinden Teil des Staates Palästina werden.”
Kein Zwang. Keine Umsiedlung
Betont wird explizit, dass es sich hier nicht um eine Umsiedlung handelt. Die Gemeinden würden, wenn – und nur wenn – die Betroffenen einverstanden wären, lediglich ihren Status ändern und künftig nicht mehr zu Israel, sondern zu Palästina gehören. Nun möchte man meinen, ein solches Angebot würde im Dreieck auf offene Ohren stoßen, zumal viele lokale Einwohner die „Besatzung“ Israels lautstark beklagen. Allein, die israelischen Palästinenser schäumen vor Wut.
Palästinenser sein aber nicht palästinensischer Staatsbürger werden
Der Vorschlag sei ein „Albtraum“, verkündet Shuaa Massarweh Mansour und spricht von einer neuerlichen „Nakba“, also einem katastrophalen Massenexodus, zu dem es niemals kommen dürfe. Dass hier niemand gezwungen und auch niemand ausgesiedelt wird, scheint dem Bürgermeister von Taibeh im Eifer des Gefechts entgangen zu sein.
Auch die Vertreter der mächtigen „Joint List“-Partei, die die israelischen Araber in der Knesset repräsentieren und die drittstärkste Fraktion im israelischen Parlament stellen, reagieren mit Wut und mehr oder minder verhaltenen Drohungen auf den Friedensplan. Er würde lediglich die „Besatzung und den Konflikt, aber auch den Kreislauf der Gewalt perpetuieren“, so beispielsweise der Abgeordnete Youssef Jabareen.
Israelis bleiben und die palästinensische Fahne schwenken
Das übergeordnete arabische Überwachungs-Komitee forderte denn letztes Wochenende auch zu Massendemonstrationen gegen den Friedensplan auf. Tausende israelische Araber gingen auf die Straße, um lautstark gegen einen potentiellen Staatsbürgerschaftstransfer zu protestieren. Sie wollten Israelis bleiben, das sei ihr Recht. Klar.
Absurd war daran nur, dass viele, unter anderem auch arabische Politiker, die (wohlgemerkt!) im israelischen Parlament sitzen, bei dem Protest beherzt die palästinensische Fahne schwenkten.
Wirtschaftliche und politische Gründe
Warum aber wollen die Einwohner des „Dreiecks“, deren Loyalität so offensichtlich der palästinensischen Causa gilt, partout nicht die palästinensische Staatsbürgerschaft annehmen. Oder anderes gefragt? Warum wollen sie nicht auf ihren israelischen Pass verzichten?
Manche Beobachter meinen, es läge an der Freiheit, die sie in einer von der Palästinensischen Autonomiebehörde, die seit 14 Jahren keine Wahlen mehr abhielten ließ, geführten Region nicht hätten – von Terrororganisationen wie der Hamas ganz zu schweigen. Zudem würden sie auch die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile, die Israel ihnen böte, nicht aufgeben wollen.
„Welcher vernünftige Mensch würde schon von einem Staat mit einem Pro-Kopf-Einkommen von über 40.000 USD zu einem anderen mit einem Pro-Kopf Einkommen von unter 2.000 USD wechseln wollen“, fragt Gershon Baskin in der Jerusalem Post. Es sei, so der Gründer des Israel/Palestine Center for Research and Information, aber nicht nur eine finanzielle Frage. Die palästinensischen Bürger Israels hätten in den letzten 70 Jahren moderne Institutionen, wie Gesundheitsdienste, Krankenhäuser, Sozialversicherungen und Schulen schätzen gelernt und würden sie auch künftig nicht missen wollen.
Der Vorsitzende der Partei Israel Beiteinu, Avigdor Lieberman, der einen Staatsbürgerschaftstransfer für die israelischen Palästinenser schon früher vorgeschlagen hat, sieht den Protest zynischer. Der Aufruhr im Dreieck sei „beunruhigend“, so Lieberman. Die Einwohner würden israelische Staatsbürger sein wollen, dabei aber mit Flaggen der Palästinensischen Autonomiebehörde protestieren. Diese Absurdität sei inakzeptabel und müsse gestoppt werden. „Sie wollen bleiben und uns von innen zerstören“, warnt Liberman.
Keine Vision. Leider
Aktuelle Ereignisse scheinen, dem kämpferischen Politiker leider nicht Unrecht zu geben. Schließlich waren es überwiegend israelische Araber, die letzten Donnerstag die Terrorattentate in Jerusalem verübt haben.
Wie schade, dabei wären es gerade sie, die maßgeblich daran beteiligt sein könnten, die „Vision”, wie der Friedensplan von seinen Architekten definiert wird, zur Wirklichkeit zu machen. Denn es sind sie, die mit vorleben könnten, wie zwei Völker, zwei Kulturen und zwei Staaten in der verschlungenen Geographie, die die Realität nun einmal vorgibt, in Frieden und Wohlstand koexistieren könnten.