Die Hisbollah hat ihre Bereitschaft erklärt, mit dem libanesischen Präsidenten Gespräche über ihre Entwaffnung zu führen, allerdings nur unter der Bedingung, dass sich Israel zur Gänze aus dem Südlibanon zurückzieht.
Während die Forderungen nach einer Entwaffnung der libanesischen Hisbollah immer lauter werden, erklärte ein hochrangiges Hisbollah-Mitglied gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, die Gruppe sei bereit, mit dem libanesischen Präsidenten über eine Waffenniederlegung zu verhandeln, sollte sich Israel aus dem Südlibanon zurückziehen und seine Angriffe einstellen. Die vor Kurzem noch unvorstellbare Aussicht auf Gespräche über eine Entwaffnung der Hisbollah unterstreicht die dramatischen Verschiebungen des Machtgleichgewichts im Nahen Osten, seit Israel die vom Iran unterstützte Terrorgruppe vernichtend geschlagen hat.
Baldige Gespräche?
Der von den USA unterstützte Präsident Joseph Aoun, der bei seinem Amtsantritt im Januar geschworen hatte, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen, will nach Angaben dreier libanesischer Quellen baldige Beratungen mit der Hisbollah aufnehmen.
Der von Reuters zitierte Hisbollah-Funktionär bestätigte die Bereitschaft, im Rahmen einer nationalen Verteidigungsstrategie über das Waffenarsenal zu diskutieren, was jedoch den Abzug der israelischen Truppen von fünf Bergkuppen voraussetze: »Die Hisbollah ist bereit, die Frage ihrer Bewaffnung zu diskutieren, wenn Israel sich von den fünf Punkten zurückzieht [die es aus Sicherheitsgründen noch besetzt hält] und seine Aggressionen gegen die Libanesen einstellt.«
Kurz nach Erscheinen der Reuters-Meldung gab das Medienbüro der Hisbollah eine Erklärung ab, in der es hieß, die in »einigen Medien« veröffentlichten und »Hisbollah-Vertretern zugeschriebenen Behauptungen« seien »völlig falsch«.
Die Hisbollah lehnt seit Langem die Forderung ihrer Kritiker nach einer Entwaffnung ab und bezeichnet ihre Waffen als unerlässlich für die Verteidigung des Landes gegen Israel, während deren Gegner der Hisbollah vorhalten, den Libanon einseitig in Konflikte hineingezogen zu haben und ihr großes Waffenarsenal, das außerhalb der Kontrolle der Regierung liegt, den Staat unterminiert habe.
Ein von den USA vermittelter Waffenstillstand mit Israel verlangt von den Libanesischen Streitkräften, alle nicht genehmigten Militäreinrichtungen abzubauen und alle Waffen zu konfiszieren, beginnend in den Gebieten südlich des Litani, der etwa zwanzig Kilometer nördlich der israelischen Grenze verläuft. Laut zwei mit den Überlegungen der Hisbollah vertrauten Quellen erwäge die Organisation, der staatlichen Armee auch ihre stärksten Waffen, darunter Drohnen und Panzerabwehrraketen, die sich nördlich des Litani befinden, zu übergeben.
Forderung nach Zeitplan
Präsident Joseph Aoun fordert die Klärung der Entwaffnung im Rahmen eines Dialogs, da jeder gewaltsame Versuch einen Konflikt auslösen würde. Nachdem die Streitkräfte und die Sicherheitsdienste die staatliche Autorität auf den gesamten Libanon ausgeweitet hätten, würden derzeit Kommunikationskanäle mit den relevanten Akteuren geöffnet, um »mit der Prüfung der Übergabe der Waffen« an den Staat zu beginnen, erklärte eine libanesische Beamtin dies als einen Schritt zur Umsetzung der Politik Aouns.
Mehrere seiner Kollegen fordern für die Entwaffnung einen konkreten Zeitplan, so Minister Kamal Shehadi, welcher der Hisbollah-feindlichen Partei der Libanesischen Streitkräfte angehört. Shehadi nannte gegenüber Reuters sechs Monate als Zeitrahmen und verwies auf die Entwaffnung der Milizen nach dem libanesischen Bürgerkrieg als Präzedenzfall.
Ein Zeitplan mit strengen Fristen sei »die einzige Möglichkeit, unsere Mitbürger vor den wiederkehrenden Angriffen zu schützen, die Menschenleben kosten, die Wirtschaft belasten und Zerstörung verursachen«, sagte Shehadi. Er und weitere Minister hoffen auf die Unterstützung des gesamten Kabinetts, um den Verteidigungsminister unverzüglich mit der Ausarbeitung des Zeitplans zu beauftragen.
In einer Rede am 29. März offenbarte Hisbollah-Führer Naim Qassem, seine Gruppe sei südlich des Litani militärisch nicht mehr präsent und habe sich an die Waffenstillstandsvereinbarung gehalten, während Israel sie »jeden Tag« verletze. Die Hisbollah hat den libanesischen Staat in die Pflicht genommen, Israel zum Rückzug und zur Einstellung seiner Angriffe auf Stellungen der Hisbollah zu bewegen. Noch sei »Zeit für eine diplomatische Lösung«, so Qassem, aber »der Widerstand [sei] präsent und bereit« und könne auf »andere Optionen« zurückgreifen, sollte Israel sich nicht an die Vereinbarung halten.