Das BDS National Committee (BNC), eine Art Zentralkomitee der BDS-Organisation, in dem die palästinensischen Terrororganisationen Fatah, Hamas, PFLP etc. vertreten sind, hat sich von dem »Boston Mapping Project«distanziert.
Wie Mena-Watch im Juni berichtete, hatte die Anti-Israel-Gruppe BDS Boston letzten Monat im Internet eine visualisierte Zielliste von Bostoner Firmen, Stiftungen, Zeitungen und Politikern publiziert, die sie wegen der von ihr vermuteten Unterstützung Israels anklagt und zu deren »Demontage« sie aufruft.
Auch die Adressen der Ziele wurden veröffentlicht, zudem wurden angebliche Verbindungen zu anderen Akteuren, darunter Stiftungen, Firmen, NGOs, Regierungsbehörden, Krankenhäuser und Polizeistationen, auf mehreren Landkarten verzeichnet. Darum ist vom »Bostoner Kartierungsprojekt« (Boston Mapping Project) die Rede. Neben Organisationen werden auch Individuen an den Pranger gestellt, wie etwa der Gouverneur von Massachusetts, Charlie Baker (Republikaner) sowie Senatorin Elizabeth Warren und Senator Ed Markey (beide Demokraten).
Etliche Kongressabgeordnete hatten harsche öffentliche Kritik an der Karte geübt und ihre Entfernung aus dem Internet gefordert. Zudem hatte das FBI angekündigt, die Website beobachten zu wollen: Das FBI wisse von der Website und arbeite daran, weitere Informationen darüber zu sammeln, sagte der für Boston zuständige FBI-Spezialagent Joseph Bonavolonta bei einer Pressekonferenz Mitte Juni. Bislang seien in öffentlich zugänglichen Quellen allerdings »keine direkten Gewaltdrohungen« verzeichnet, die in Zusammenhang mit dem Mapping Project stünden.
Urheber Jisr Collective?
Der Urheber des Mapping Projects ist anonym. Der australische Pro-Israel-Blogger David Lange hat aber plausibel begründet, warum er sehr wahrscheinlich identisch ist mit einer radikalen Anti-Israel-Splittergruppe, die sich Jisr Collectivenennt: Beide benutzen in ihrer Selbstbeschreibung die gleichen Ausdrücke (»Multigenerationenkollektiv«), beide weisen darauf hin, dass sie »keine Spenden annehmen«, beide wenden sich »gegen Imperialismus und Zionismus«.
Zudem war BDS Boston der erste Follower des Jisr Collectivesauf Twitter. Auf dessen Website findet man folgende Selbstdarstellung:
»Jisr Collective ist ein antiimperialistisches Diaspora-Medienkollektiv. Wir möchten eine Informationsbrücke (Jisr/جسر) für die Diasporagemeinschaft sein, um die lange antiimperialistische politische Arbeit und das Denken der Region hervorzuheben. Wir glauben, dass diese Arbeit notwendig ist, um dem entgegenzuwirken, was man nur als zunehmende Normalisierung im Verhältnis zu Imperialismus und Zionismus in unseren Gemeinschaften in der westlichen Diaspora bezeichnen kann.«
Zwischen dem Jisr Collective und dem BDS Nationalkomitee BNC gibt es nun Streit. Um mit etwaigen zukünftigen Gewalttaten nicht in Verbindung gebracht zu werden, hat sich der BNC vom Mapping Project distanziert und gefordert, BDS Boston müsse sich ebenfalls davon distanzieren oder aber auf die »Marke« BDS verzichten. Auf Twitter teilte die BDS-Führung am 22. Juni mit:
»Die BDS-Bewegung hat keine Verbindung zum Kartierungsprojekt in Boston, Massachusetts, und unterstützt es nicht.«
Als Reaktion darauf unterstellte das Jisr Collective dem BNC in einem auf seiner Website veröffentlichten Text, »dem Druck zionistischer Forderungen« nachgegeben zu haben. Die Erklärung des BNC sei »liberal, normalisierend und beschwichtigend«.
»Zionistische Gruppen« seien »alarmiert« von dem »Enthusiasmus«, mit dem »Städte« (sic!) in den USA sich angeblich daran machten, ihrerseits ähnliche Kartierungsprojekte zu entwickeln. Dann folgt ein Abschnitt über »sieben Taktiken«, die das »BNC anwendet, um die Führung über den palästinensischen Kampf zu monopolisieren«. Die Erklärung des Jisr Collective ist also ein direkter Angriff einer BDS-Splittergruppe auf die BDS-Kommandanten.
Was steckt dahinter?
David Lange vermutet, dass das Jisr Collective vom Iran gesteuert wird. Diesen Verdacht begründet er mit mehreren Beobachtungen: Regelmäßig verbreitet das Jisr Collectiveüber seine sozialen Medien offizielle Propagandaverlautbarungen des iranischen Regimes. Obwohl die Autoren vorgeben, Araber zu sein, machten sie auffällige Fehler, die laut einem Experten kein arabischer Muttersprachler machen würde. Sogar das arabische Logo der Gruppe enthalte einen Fehler.
Die Domain der Website sei bei dem US-Unternehmen Namecheap registriert, das einen Server auf Island betreibt und damit wirbt, persönliche Informationen seiner Kunden wie Name, Adresse, Telefonnummer und E-Mail-Adresse geheim zu halten. Namecheap akzeptiert auch Bitcoin als Währung, sodass Kunden selbst gegenüber Namecheap anonym bleiben können. Lange kommentiert:
»Laut Jennifer Dyer, einer pensionierten Geheimdienstoffizierin der US Navy, ist das ein klassischer Hinweis darauf, dass jemand eine umfassende Vorbereitung getroffen hat, um eine Gruppe wie diese als Strohmann zu betreiben.«
Lange gibt zu, dass dies keine schlagenden Beweise seien, keine smoking gun. Aber eine plausible Theorie.
Bostoner Juden im Visier des Iran?
Nehmen wir an, es ist so, dass das iranische Regime hinter dem Mapping Projectsteckt. Was würde daraus folgen? Es könnte entweder bedeuten, dass das iranische Regime versucht, Einfluss auf die BDS-Kampagne zu nehmen. Es könnte aber auch der Vorbereitung eines Terroranschlags dienen.
Das iranische Regime hat eine lange Geschichte von gezielten Morden und großen Terroranschlägen im Westen. Es entspricht aber nicht dem Stil dieses Regimes, sich öffentlich dazu zu bekennen. Denkbar wäre also, dass das iranische Regime plant, Anschläge auf jüdische Einrichtungen im Großraum Boston zu verüben und es so aussehen zu lassen, als seien die Täter vom Mapping Project inspirierte BDS-Aktivisten – Lone Wolf Terrorism.
Unwahrscheinlich? Man braucht nicht lange nach Belegen für diese Hypothese zu suchen. Im Mai machte FBI-Direktor Christopher Wray öffentlich, dass es 2021 einen iranischen Hackerangriff auf ein damals nicht näher bezeichnetes Kinderkrankenhaus gab. Am 1. Juni, einige Tage vor der Veröffentlichung des Mapping Projects, konkretisierte Wray, um welches Krankenhaus es sich handelte: das Kinderkrankenhaus Boston. Auch im Mapping Project wird ein Krankenhaus als Ziel genannt, wenn auch ein anderes, nämlich das Massachusetts General Hospital (MGH). Ihm wird vorgeworfen, »100 Millionen Dollar« vom Pentagon erhalten zu haben.
Der iranische Hackerangriff auf das Bostoner Kinderkrankenhaus könnte dem Ziel gedient haben, Informationen über jüdische Kinder und deren Familien zu beschaffen. Boston beherbergt die viertgrößte jüdische Gemeinde der Vereinigten Staaten. Nach einer Schätzung von 2015 leben im Großraum Boston 248.000 Juden, das sind sieben Prozent der Bevölkerung.