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Was haben US-Vizepräsidentin Harris und die Ben & Jerry’s Gründer gemeinsam?

Im Gazastreifen wird die antiisraelsiche Boykottaktion von Ben & Jerry's gefeiert
Im Gazastreifen wird die antiisraelsiche Boykottaktion von Ben & Jerry's gefeiert (© Imago Images / ZUMA Wire)

Es ist schon unglaublich, wie weit sich führende Geschäftsleute und Politiker dem Wokeismus verschreiben, und wie viel Unsinn sie dabei von sich geben. Gefährlich wird dieser Unsinn besonders dann, wenn er antisemitisch gefärbt ist und antisemitische Vorurteile verstärkt.

Zwei aktuelle Beispiele: Die Antworten des Ben & Jerry’s Gründerduos anlässlich eines Interviews auf Axios, und die Faselei der US-Vizepräsidentin Kamala Harris während ihres Gesprächs mit Studentinnen an der George Mason Universität in Virginia.

Der Ben & Jerry’s Boykott

Wie berichtet, hat Unilever nach den Unruhen zwischen Israel und der Hamas im vergangenen Mai angekündigt, das Unternehmen würde die Ben & Jerry’s Eiscreme nicht mehr in den, wie es in der Erklärung hieß, „besetzten palästinensischen Gebieten“ verkaufen.

Dieser Entschluss hat jede Menge empörter Gegenreaktionen verursacht. So hat beispielsweise der Staat Arizona eine 200 Million-Dollar Investition von Unilever abgezogen; andere Länder erwägen Ähnliches.

Die Erklärungen von Ben und Jerry

Die Politikreporterin Alexi McCammond von Axios hat nun die Gründer der beliebten Eiscreme zu der Kontroverse befragt. Warum sie den Boykott unterstützten, wollte sie von den beiden Herren wissen. Weil, so ihre Antwort, die West Bank-Siedlungen der von ihnen befürworteten Zwei-Staaten-Lösung im Wege stünden. Sie, Ben Cohen und Jerry Greenfield, würden sich auch im Business von ihrer sozial-politischen Verantwortung leiten lassen.

Zudem, so bekräftigten sie, handle es sich nicht um einen Boykott Israels. Schließlich wolle man die Eiscreme weiterhin innerhalb der Grenzen Israels von vor 1967 verkaufen. Dass eine solche Einschränkung, sprich der Boykott des Westjordanlands, in Israel illegal ist, war den beiden wohl entgangen.

Der Doppelstandard von Ben und Jerry

Warum, so fragte McCammond dann, würden sie gerade Israel auf die schwarze Liste setzen und nicht andere Staaten, die ihren liberalen Ansichten widersprächen, etwa Texas, ob der strengen Anti-Abtreibungsgesetze oder Georgia mit dem eingeschränkten Wahlrecht.

Darauf hatte Ben Cohen erst mal gar keine Antwort. Nach einiger Zeit kam dann stotternd Folgendes:

„Ich weiß nicht. Ich meine, es ist eine interessante Frage. Ich weiß nicht, was es bringen würde, wir arbeiten an diesen Themen, dem Wahlrecht, und… ich weiß nicht. Ich glaube, Sie haben da eine wirklich gute Frage gestellt, und ich meine, ich müsste mich hinsetzen und darüber nachdenken.“

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Wünschenswert wäre halt nur gewesen, er hätte schon nachgedacht, bevor er sich dazu entschlossen hat, Israel und andere Staaten mit zweierlei Maßen zu messen. Denn ein solcher Doppelstandard ist eines der Markenzeichen des israelbezogenen Antisemitismus.

Das soziale Engagement der Kamala Harris

Im Übrigen sind die Gründer der Eiscrememarke, in Sachen unsinnigem Wokismus, in prominenter Gesellschaft. Ihre ungewollte Komplizin: Kamala Harris. Die US-Vizepräsidentin setzt sich dafür ein, das politische und gesellschaftliche Engagement der „Führungskräfte von heute und morgen“ zu fördern. Aus diesem Grund fuhr sie kürzlich nach Virginia zur George Mason Universität und lud dort Studenten zu einem offenen Austausch ein.

Haarsträubende Wortmeldung

Im Zuge dieses Treffen meldete sich eine Studentin mit folgender Meldung zu Wort:

„Ich sehe, dass es im Laufe des Sommers Proteste und Demonstrationen in astronomischen Zahlen zu Palästina gegeben hat, aber dann, vor ein paar Tagen, wurden Gelder bereitgestellt, um Israel weiterhin zu unterstützen, was mir im Herzen wehtut, weil es ein ethnischer Völkermord und eine Vertreibung von Menschen ist – das gleiche, was in Amerika passiert ist, und ich bin sicher, Sie sind sich dessen bewusst.“

Verblüffende Antwort

Kamala Harris hätte darauf auf vielfältige Weise reagieren können – entgeistert, streng, sachlich, geduldig. In jedem Fall aber hätte sie die Fakten richtigstellen müssen. Nein, Israel betreibt keinen ethnischen Völkermord. Nein, das Iron Dome Abwehrsystem ist keine Massenvernichtungsanlage. Nein, auch Amerika hat niemals einen Genozid betrieben.

All das hätte sie sagen müssen. Hat sie aber nicht. Im Gegenteil. Sie hat, während die Studentin sprach, wiederholt eifrig mit dem Kopf genickt und ihr dann versichert, wie froh sie über die Wortmeldung war. Dann schickte Amerikas Vizepräsidentin sich an, etwas von Meinungsfreiheit zu faseln:

„Wieder geht es darum, dass Ihre Stimme, Ihre Perspektive, Ihre Erfahrung, Ihre Wahrheit nicht unterdrückt werden kann und gehört werden muss, nicht wahr? Das ist eines der Dinge, für die wir in einer Demokratie kämpfen, nicht wahr? … Unser Ziel sollte Einheit sein, aber nicht Einheitlichkeit … Wahre Einheit bedeutet, dass jeder eine Stimme hat … und keine Stimme sollte dabei unterdrückt werden.“

Wahrheit und Wokismus

„Ihre Wahrheit“? Welche Wahrheit konnte Harris in all dem giftigen Quatsch entdecken? Objektiv wohl gar keine. Die Antwort der US-Vizepräsidentin klang eher wie ein Amalgam vorgefertigter Soundbytes, und wohlmeinende Beobachter würden sagen, sie habe sich einfach nicht konzentriert, habe nicht richtig hingehört.

Andere gehen strenger mit ihr ins Gericht. Michael Freund, von der Jerusalem Post etwa, vergleicht Kamala Harris mit Kellyanne Conway. Die Trump-PR-Beraterin hatte, als sie mit den Unwahrheiten ihres Bosses konfrontiert wurde, einmal erklärt, es handle sich nicht um Lügen, sondern um „alternative Fakten“. Diese Aussage erntete jede Menge Kritik und endlosen Spott.

Gut, Kamala Harris, hat ihre sagenhaft-unsinnige Reaktion später zurückgefahren. Sie und ihr Team beeilten sich zu versichern, die Politikerin stünde genau wie ihre Regierungskollegen unumstößlich zu Israel.

Jüdischsein ist kein Persilschein

Sowohl im Fall Ben & Jerry’s als auch beim Studententreffen mit Kamala Harris kommt der als sozialorientierte Israelkritik getarnte Antisemitismus zum Vorschein. Gefährlich wird er, wenn ihm nicht sofort und mit aller Härte entgegengewirkt wird. Abstoßend ist er besonders auch dann, wenn er dadurch legitimiert wird, dass Juden ihn durchgehen lassen oder sogar unterstützen.

Kamala Harris selbst ist zwar nicht jüdisch, dafür aber mit einem Juden verheiratet. Diese Tatsache stellt sie selbst immer wieder gerne heraus, möglicherweise um Stimmen zu gewinnen, und möglicherweise auch um über jeden Zweifel erhaben zu sein, sollte sie gegen Israels Interessen agieren. Klar ist nur, dass ihr die Nähe zum Judentum keinen automatischen Philosemitismus-Persilschein erteilt.

Ähnliches trifft auch auf Ben Cohen und Jerry Greenfield zu. Als die Reporterin sie im Interview fragte, wie es sich denn für sie anfühle, dass sie jetzt Antisemiten geschimpft werden, erwiderte Ben Cohen lakonisch: „total OK“. Auf den verblüfften Blick der Reporterin reagierte er dann mit einem phlegmatischen Achselzucken. Die Anschuldigung wäre „absurd“, weil er selber, seine Familie und seine Freunde Juden seien. Na bitte: als wäre das eine Erklärung, eine Absolution…

Nein, das Jüdischsein gibt Menschen keinen Freibrief für Antisemitismus. Im Übrigen, das Nichtjüdischsein auch nicht.

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