Was der Krieg im Jemen mit einer Heuschreckenplage in Ostafrika zu tun hat

Unlängst wurde im Jemen der erste Corona-Fall offiziell bestätigt
Unlängst wurde im Jemen der erste Corona-Fall offiziell bestätigt (© Imago Images / Xinhua)

Unlängst wurde der erste Corona-Fall im Jemen offiziell bestätigt, doch es steht zu befürchten, dass die Dunkelziffer in dem kriegsgebeutelten Land viel höher liegt.

Der kriegsverwüstete Jemen war eines der letzten Länder, das bislang noch keinen offiziellen Corona Fall gemeldet hat. Damit ist jetzt Schluss: Seit ein paar Tagen gibt es auch dort den ersten positiv getesteten Jemeniten.

Angesichts der desaströsen Lage im Land stellt sich natürlich die Frage, wie viele Ansteckungen es in den letzten Wochen schon gegeben hat, denn bei einem völlig darniederliegenden Gesundheitssystem dürfte es sich wohl kaum um den wirklich ersten Fall handeln. Wer aus der von Jahren der Mangelernährung gezeichneten, teils chronisch kranken Bevölkerung nämlich hat schon die Möglichkeit, überhaupt noch einen Arzt aufzusuchen, und wenn, welche Ärzte können überhaupt Tests durchführen?

Seit Jahren wütet die Cholera im Jemen, bislang sollen sich mehr als zwei Millionen Menschen angesteckt haben, ohne dass es effektive Gegenmaßnahmen gegeben hätte.

Für Corona nicht gerüstet

Knapp vier Millionen, also ca. 15% der Bevölkerung sind Binnenvertriebebene, die allgemeine Lage ist inzwischen so katastrophal, dass laut Angaben der UN mehr als drei Viertel aller Jemeniten auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind, die sie allerdings nicht bekommen, weshalb im Land seit längerem eine Hungersnot herrscht. Erst kürzlich wieder mussten die Vereinten Nationen Hilfsprogramme zusammenstreichen, weil nicht genügend Gelder vorhanden waren.

Kaum ein Land dürfte also unvorbereiteter auf die Corona-Krise sein. Die Vertreterin der UNDP im Jemen fasst die Situation so zusammen:

„In einem Land mit über 30 Millionen Einwohnern kommen auf 10.000 Menschen drei Ärzte und sieben Krankenhausbetten. Nur 51 Prozent der Gesundheitseinrichtungen sind voll funktionsfähig und zwei Drittel der Jemeniten haben keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Bei begrenzter Testkapazität – mit nur drei Teststandorten in Sanaa, Aden und Mukalla – wird die Ausbreitung von COVID-19 unsägliches menschliches Leid bringen und das jemenitische Gesundheitssystem zusammenbrechen lassen.

Viele Jemeniten sind mit eingeschränkten oder unzureichenden Bedingungen konfrontiert, die sie einem größeren Risiko aussetzen und die Bereitschaft bzw. Möglichkeit untergraben, auf COVID-19 zu reagieren. (…)

Selbst etwas so scheinbar Einfaches wie Händewaschen ist im Jemen ein Luxus, da die Hälfte der Bevölkerung keinen Zugang zu einer sauberem Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene hat. Und soziale Distanzierung für arme Familien und die 3,6 Millionen Binnenvertriebenen, die an überfüllten Orten leben, scheint unmöglich.“

Waffenstillstand?

Wenig beeindrucken wird derweil die Konfliktparteien, die seit fünf Jahren im Land einen Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran ausfechten, wenn der UN-Sicherheitsrat – zum wievielten Male eigentlich? – zu einem Friedensabkommen aufruft, weil das Land „nicht gleichzeitig an zwei Fronten kämpfen kann: in einem Krieg und gegen eine Pandemie.“

Ganz im Gegenteil sieht es so aus, dass ähnlich wie zeitgleich in Libyen die Konflikte sogar noch weiter zu eskalieren drohen. Einmal mehr bekämpfen sich nämlich auch ehemalige Verbündete der Golfstaaten untereinander, längst geht es nicht mehr nur um einen Krieg gegen die vom Iran unterstützten Houthis:

„Die mit den Vereinigten Arabischen Emiraten verbündeten Separatisten im Südjemen haben vor einem ‚bevorstehenden Krieg‘ gegen von den Saudis unterstützte Söldner gewarnt, die im Namen der von der UNO anerkannten jemenitischen Regierung mit Sitz in Riad kämpfen. (…)

In einer Erklärung des Südlichen Übergansrates hieß es, dieser habe ausländische Botschafter und den UN-Gesandten Martin Griffiths darüber informiert, dass ‚der Ausbruch eines Krieges unmittelbar bevorsteht‘.

Auch ein vor einer Woche ausgehandelter Waffenstillstand mit den Houthis zeigt bislang nicht die erhoffte Wirkung, die Kämpfe gehen weiter.

Angesichts fallender Ölpreise und der Corona Epidemie scheint Saudi-Arabien zunehmend der Appetit an der kostspieligen und wenig erfolgreichen Intervention im Nachbarland vergangen zu sein. Die Houthis dagegen sehen sich nun auf der Siegerstraße und haben deshalb keinen Grund die Kämpfe einzustellen. Denn das Leid der Bevölkerung interessiert in diesem Konflikt ohnehin keinen, und wie es aussieht, wird 2020 für die Jemeniten noch desaströser als die Jahre zuvor es schon waren. In Pandemie-Zeiten interessiert ihr Schicksal noch weniger, als es immer schon tat.

Ungewöhnliche Auswirkung des Jemenkriegs

Dass ein Krieg wie der im Jemen noch ganz andere verheerende Folgen haben kann, spüren gerade die Menschen in Ostafrika am eigenen Leibe, die dieser Tage nicht nur unter Ausgangssperren zu leiden haben, die in Ländern der sogenannten Dritten Welt weit schnellere und existentiellere Auswirkungen gerade auf arme Bevölkerungsschichten haben.

Seit Monaten kämpfen Äthiopien, Somalia und Kenia auch noch mit einer gigantischen Heuschreckenplage, die die Lebensgrundlage von Millionen Menschen zerstört oder zu zerstören droht. Hilflos müssen sie zusehen, wie sich die gefräßigen Insekten immer weiter vermehren. Und neben dem Klimawandel ist es vor allem der Krieg im Jemen, der Schuld an der Plage hat:

Die aktuelle Krise ist eine Folge des Jemen-Kriegs und mehrerer schwerer Stürme. Im Mai 2018 brachte der Zyklon ‚Mekunu‘ Regen in die Wüste Rub al-Chali an der Grenze zwischen Saudi-Arabien, Oman und Jemen. Im feuchten Sand hatten die dort lebenden Heuschrecken dann optimale Brutbedingungen.

Die Bekämpfung der Heuschrecken (wurde) durch den Jemen-Krieg erschwert. Der Chef des jemenitischen Heuschreckenprogramms Adel al-Shaibani sitzt in der von Huthi-Rebellen kontrollierten Hauptstadt Sanaa. Der britischen Zeitung The Guardian sagte Shaibani: ‚Vor dem Krieg konnten wir ganz Jemen gut erreichen.‘

Doch das hat sich geändert: ‚Trotz unserer Anstrengungen sind einige Gebiete aus Sicherheitsgründen außerhalb unserer Kontrolle – Gebiete entlang der Grenze zu Saudi-Arabien. Dort trat der Heuschrecken-Ausbruch auf, Schwärme formten sich und bewegten sich dann in andere Gebiete.‘

Welche Auswirkungen diese Mischung aus einer durch die Corona-Krise verursachten schweren Wirtschaftskrise zusammen mit von Heuschrecken leer gefressenen Anbaugebieten auf Ostafrika haben wird, möchte man sich deshalb eigentlich gar nicht vorstellen.

Alleine aus Somalia wird berichtet, dass schon im Januar alle Vorräte des Landes an Sorghum-Hirse und Mais zerstört seien, im benachbarten Kenia seien bereits 30% der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche zerstört.

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