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Warum Emirate und Saudis den USA die Gefolgschaft im Ukraine-Krieg verweigern

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und der emiratische Kronprinz Mohammed bin Zayed
Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und der emiratische Kronprinz Mohammed bin Zayed (© Imago Images / Xinhua)

Nachdem die USA nach wie vor an einer Erneuerung des Atomdeals mit dem Iran arbeiten, distanzieren sich Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zunehmend vom US-Präsidenten.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine haben es Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) vermieden, eine klare Position zu dem Konflikt zu beziehen und sich der Haltung ihres mächtigen Verbündeten USA anzuschließen, wie man es vielleicht von ihnen vermutet hätte.

Die offiziellen Erklärungen, die von den beiden Ländern veröffentlicht wurden, waren sehr diplomatisch formuliert und riefen beide Seiten des Konflikts dazu auf, ihrer Differenzen durch Dialog und nicht mit Waffengewalt zu lösen.

Diese zurückhaltende Position spiegelt sich laut einer Analyse des Middle East Media Research Institute (MEMRI) auch in den staatlichen Medien beider Staaten wider, die davon absehen, Russland und sein Vorgehen scharf zu kritisieren.

Der Grund für diese Weigerung, Russland zu verurteilen, liegt nicht nur an den wachsenden politischen, militärischen und wirtschaftlichen Verbindungen, die beide Länder mit Moskau unterhalten. Auch die Einschätzung Abu Dhabis und Riads, Moskau könnte in der sich verändernden internationalen Ordnung eine stärkere Rolle spielen, sind für diese Haltung ausschlaggebend.

Einer der zentralen Gründe sind jedoch die angespannten Beziehungen der Golfstaaten zur Regierung von US-Präsident Joe Biden, für die vor allem Bidens unbedingter Wille verantwortlich ist, einen Atomdeal mit dem Iran abzuschließen.

Diesen Deal halten sowohl die Saudis als auch die VAE zu Recht für eine Katastrophe, weil er nicht nur Milliarden in die Taschen der Iraner spülen und ihnen so die Verstärkung ihrer terroristischen Aktivitäten im Nahen Osten und gegen die Golfstaaten selbst ermöglichen würde, sondern dem Iran den Weg zur Atombombe bereiten würde, sobald die Beschränkungen gegen sein Atomprogramm aufgrund der Sunset Clauses auslaufen.

Dementsprechend verschärften sich Spannungen zwischen den VAE und Saudi-Arabien auf der einen und den USA auf der anderen Seite mit dem Fortschreiten der Wiener Atomverhandlungen immer mehr. Die beiden Golfstaaten haben wiederholt ihrer Enttäuschung darüber Ausdruck gegeben, was sie als Verrat empfinden, mit dem die USA ihre Verbündeten angesichts der iranischen Drohungen im Stich lassen.

Ein deutliches Zeichen dieser Spannungen ist das Beharren der Golfstaaten darauf, die – nicht zuletzt mit Russland geschlossenen – OPEC-Vereinbarungen aufrechtzuerhalten und die Erdölfördermengen nicht zu erhöhen; sehr zum Ärger der USA, die mit solch einer Erhöhung dem Anstieg der Ölpreise entgegenwirken möchten.

Am 3. März erklärte der emiratische Botschafter in Washington, Yousef Al-Otaiba, in einem ungewöhnlich scharfen Statement, die Beziehungen zwischen den Golfstaaten und den USA seien »gerade einem harten Stresstest« ausgesetzt.

Am selben Tag veröffentlichte das amerikanische Magazin The Atlantic ein Interview mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman, in dem er in ebenfalls ungewöhnlich scharfen Formulierungen sagte, niemand habe das Recht, sich in interne Angelegenheiten Saudi-Arabiens einzumischen. Auch deutet er die Bereitschaft seines Landes an, die Beziehungen zu den USA zu reduzieren und stattdessen jene zu China auszubauen.

Die Spannungen verschärften sich erneut am 8. März, als berichtet wurde, dass sowohl Mohammed bin Salman als auch der emiratische Kronprinz Mohammed bin Zayed sich geweigert hatten, Telefonanrufe von US-Präsident Biden entgegenzunehmen, in denen dieser sie um die Erhöhung ihrer Ölfördermengen bitten wollte. Auch ein Besuch des britischen Premierministers Boris Johnson am 16. März brachte keine Entspannung, als die beiden Golfstaaten danach erklärten, auch weiterhin an den OPEC-Vereinbarungen festhalten zu wollen.

Am 18. März schließlich empfingen die Vereinigten Arabischen Emirate den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu einem offiziellen Staatsbesuch, was als offener Affront gegen die USA gewertet werden muss, die sich gegen jede Maßnahme aussprechen, durch die Assads Herrschaft international wieder legitimiert werden könnte.

Wie MEMRI berichtet, schrieb die emiratische Tageszeitung Al-Arab über den Besuch Assads in Abu Dhabi, dieser sende den USA die Botschaft, die VAE wählten ihre Positionen auf der Grundlage ihrer eigenen Interessen, ohne sich dabei um Washingtons Haltung zu kümmern; genauso, wie die USA ihre Positionen auf der Basis eigener Interessen einnehmen, ohne vorher eine diesbezügliche Stellungnahme Abu Dhabis einzuholen.

Der Politikanalyst und Herausgeber der Online-Tageszeitung Raialyoum, ’Abd Al-Bari ’Atwan, kommentierte, die zwei Hauptverbündeten der USA am Persischen Golf hätten gegen die amerikanische Hegemonie zu rebellieren begonnen und würden sich langsam der russisch-chinesischen Achse annähern, deren Einfluss stetig zunehme.

Die Weigerung, den Telefonanruf von Joe Biden anzunehmen, sei nicht weniger gewesen als »ein Schlag ins Gesicht« des US-Präsidenten, der bestätige, dass die Emirate und die Saudis »begonnen haben, sich aus der Vormundschaft der USA zu befreien, um ihre Beziehungen mit den Supermächten, speziell mit den USA, auf die Basis von Gleichheit und gegenseitigem Respekt anstatt von Unterwerfung und Unterordnung zu stellen«.

Wie MEMRI ausführt, sind solche Aussagen keine vereinzelten Meinungsäußerungen, sondern ziehen sich durch die gesamte arabische Presse am Golf. So hieße es in vielen Artikeln, dass die USA den Emiraten und Saudi-Arabien seit einem Jahr, dem Amtsantritt Joe Bidens, feindlich gegenüberstünden und ihnen mit Arroganz und Verachtung begegneten, was die beiden Länder nicht mehr länger hinzunehmen bereit seien.

Der Hauptgrund für die Spannungen und die mangelnde Bereitschaft der Golfstaaten, sich im Ukraine-Krieg auf die Seite der USA zu stellen, sei die amerikanische Missachtung ihrer durch den Iran und seine Politik bedrohten Sicherheitsinteressen. Stattdessen arbeiteten die USA in Übergehung aller Sorgen seiner nahöstlichen Verbündeten weiter an der Erneuerung des Atomdeals mit dem Terror-Regime in Teheran.

Das von Joe Biden betriebene Appeasement gegenüber dem Iran drücke sich in Aktionen aus wie der Rücknahme der Huthi-Einstufung als Terrororganisation, der Gleichgültigkeit gegenüber den Huthi-Raketenangriffen auf Saudi-Arabien und die VAE oder der Rücknahme des Deals zum Verkauf von F-35-Kampfjets an die Emirate.

Angesichts dieser Politik könnten, so der Tenor vieler Artikel, die Golfstaaten nicht mehr auf die Unterstützung durch die USA zählen und ihre Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen in deren Hände legen, weswegen sie begonnen hätten, ihre Beziehungen zu Russland und China zu intensivieren.

Die USA könnten nicht erwarten, dass sie an ihrem Wirtschaftskrieg gegen Russland teilnehmen, wenn Washington sich weigere, ihnen bei der vom Iran, »dem Russland der Region des Nahen Ostens«, ausgehenden Bedrohung beizustehen: »Gemeinsame Interessen müssen auf Gegenseitigkeit aufbauen, ansonsten existieren sie nicht.«

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