Wie in Oldenburg Israelhass, Antiamerikanismus, Geschichtsrevisionismus und Corona-Leugnung in einer trüben Melange zusammenfinden.
Klaus Thörner
Markus Fiedler, Biologie- und Musiklehrer an der Waldorfschule Oldenburg, ist als Verschwörungsideologe im Internet und auf Demonstrationen unterwegs. Seine Phantasmagorien erwachsen aus einer Obsession mit dem Internetlexikon Wikipedia, dessen Autoren er eine proamerikanische, proisraelische und gegen Verschwörungstheoretiker gerichtete Schlagseite zuschreibt.
Verschwörungstheoretischer Zirkel
Den Ausgangspunkt dieses Verschwörungswahns bildet eine Fixierung auf die Wikipedia-Seite des Schweizer Waldorfschülers und Verschwörungstheoretikers Daniele Ganser, die Fiedler immer wieder vergeblich zu beschönigen suchte, indem er z.B besagtem Ganser in seinen Internetserie „Geschichten aus Wikihausen“ und seinen abendfüllenden Dokumentarfilmen „Die dunkle Seite der Wikipedia“ (2015) und „Zensur“ (2016) des Öfteren ein Forum bot. Ganser stellt sowohl die islamistische Täterschaft bei 9/11 als auch die Täterschaft von Neonazis bei den Anschlägen auf das Münchner Oktoberfest 1980 in Frage und phantasiert stattdessen über die angebliche Täterschaft westlicher Geheimdienste.
Ohne jede kritische Kommentierung zeigt Fiedler im Film „Zensur“ Ausschnitte aus einer Diskussion Gansers mit dem rechtspopulistischen Journalisten Jürgen Elsässer und dem neonazistischen Chef der Wehrsportgruppe Hoffmann. In seinen beiden ‚Dokumentationsfilmen‘ begann Fiedler mit bis heute fortdauernden Hetzjagden auf proisraelische und proamerikanische Wikipedia-Autoren, die er ihrer Anonymität zu entreißen sucht.
Zu seinen größten Feindbildern erkor er neben den Regierungen der USA und Israels die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Erforschung von Parawissenschaften (GWUP), die Ruhrbarone, die Amadeu-Antonio-Stiftung und die Website Psiram, die über Esoteriker und Verschwörungstheoretiker aufklärt. All diese Gruppen und Blogs subsumiert er gemeinsam mit „den Antideutschen“ unter dem Begriff „Transatlantifa“, die von transatlantischen Think-Tanks stark gemacht worden sei und der gesamten Medienlandschaft ihren Willen aufzwinge.
In diesem Kontext verbreitet Fiedler die Wahnidee, in „transatlantischen Netzwerken wird ausgeklüngelt, wer, wann und wo auf welche Schaltposition kommt.“ Er behauptet, das Internetlexikon Wikipedia und die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland würden von Stellen in den USA und von Transatlantikern, d. h. von Menschen, die an guten und vertrauensvollen Kontakten mit den USA und Israel interessiert sind, unterwandert, wobei er halluziniert, dass dies alleine schon an der „ganz klar transatlantischen Schlagseite in den Medien, dazu zählen auch israelische Themen“ zu erkennen sei. [1] In diesem Zusammenhang bewirbt er auch das Buch des Marburger Verschwörungstheoretikers Hermann Ploppa „Die Macher hinter den Kulissen. Wie transatlantische Netzwerke heimlich die Demokratie unterwandern“ aus dem Jahr 2016. [2]
Dabei bewegt Fiedler sich selbst in einem Netzwerk aus Verschwörungsideologen, die sich immer wieder aufeinander beziehen, einander gegenseitig interviewen und füreinander werben. Dazu zählen der antisemitische Waldorfschüler und aus dem Radio Berlin-Brandenburg (RBB) entlassene Journalist Ken Jebsen und sein Blog KenFM, der frühere ZDF-Grafiker, 9/11-Truther und Betreiber von MainzFreeTV Bodo Schickedanz, der frühere ZDF– und Arte-Journalist und heutige Betreiber von Free21 Dirk Pohlmann, der esoterische Sender Nuoviso.tv, die NachDenkSeiten, der Blog Rubikon mit seinem Betreiber Jens Wernicke und der Verschwörungstheoretiker Ploppa – aktuell allesamt an vorderster Front gegen die Anti-Corona-Maßnahmen tätig.
Gemeinsam ist ihnen neben der Verbreitung von Verschwörungstheorien ihr Hass auf die Regierungen der USA und Israels sowie ihr Geschichtsrevisionismus. Sie verbreiten die Lüge, nicht die Deutschen, sondern die USA seien hauptverantwortlich für den Nationalsozialismus. Kolportiert wird dies u. a. in Ploppas‘ Buch „Hitlers amerikanische Lehrer. Die Eliten der USA als Geburtshelfer der Nazi-Bewegung“ von 2008.
Geschichtsrevisionismus, Antiamerikanismus, …
In seiner Internetserie „Geschichten aus Wikihausen“ machte Fiedler sich mit Neonazis gemein, indem er die Opferzahlen der Bombardierung Dresdens durch die britische Royal Air Force im Februar 1945 auf etwa 200.000 Personen hochphantasiert, obwohl die seriöse Forschung heute von nicht mehr als 25.000 ausgeht. Zudem verharmlost er den Nationalsozialismus und zieht geschichtsrevisionistische Vergleiche.
So lobten Fiedler und sein „Wikihausen“-Kompagnon Pohlmann die Aussage des Kabarettisten Uwe Steimle:„Die USA und Israel zetteln Kriege an und wir müssen den Scheiß bezahlen“, um ihren Zuschauern dann mit zustimmender Kommentierung die unsägliche Aussage Steimles: „Es gab Zeiten, da wurde man wenigstens noch gefragt: Wollt Ihr den totalen Krieg. Und was machen die Amerikaner?“ [3] zu präsentieren. Damit verweisen Fiedler, Pohlmann und Steimle, die sich für friedensbewegt halten, wohlwollend auf die bekannte Frage: „Wollt Ihr den totalen Krieg“ von NS-Propagandaminister Goebbels und dämonisieren im selben Atemzug die Regierungen der USA zu schlimmeren Kriegstreibern als die Nazis.
Die aktuelle Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien stellt Fiedler auf eine Stufe mit der Nazi-Presse und behauptet, dass ein Großteil der heutigen Tageszeitungen zu unerträglichen Hetzblättern geworden sei. Auf sie würden – indem sie „intolerant, dogmatisch, unsachlich, hasserfüllt und einen medialen Vernichtungsfeldzug gegen Andersdenkende führen“ – zumindest teilweise die Charakterzüge der Nazis zutreffen.
In seinem Artikel „Der Niedergang der deutschen Leitmedien“ auf dem Internet-Blog Free21 seines Kompagnons Pohlmann bestreitet Fiedler nicht nur die Täterschaft islamistischer Terroristen beim Anschlag auf die Twin-Towers des WTC am 11.9.2001 in New York, sondern auch auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo im Januar 2015 in Paris sowie beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin im Dezember 2016. Die Zurückweisung der Behauptung, „dass islamistischer Terror eine Erfindung der westlichen Geheimdienste ist“, bezeichnet Fiedler als „groben Unfug.“ Dass er diesen Verschwörungswahn für wahr hält, zeigt sich auch, wenn als Hauptverantwortliche dieses Terrors US-amerikanische Neokonservative verdächtigt, die mit „9/11 als Argument“ operieren würden, „um einen ewig andauernden Krieg gegen den ‚Terror‘ zu legitimieren.“ [4]
… und Israelhass
Einen guten Freund nennt Fiedler Rolf Verleger, einen bundesweit bekannten Propagandisten, der antisemitischen und antiisraelischen Kampagne „Boycott, Divestment, Sanctions (BDS)“. Verleger schiebt der Politik Israels die Verantwortung für die aktuelle Welle des Antisemitismus in Europa zu. [5] Antisemitische Parolen auf Demonstrationen hält er für „Ausbrüche von verständlicher Empörung“ [6] und Kippa-Träger sind für ihn selbst schuld, wenn sie angegriffen werden. Eine Distanzierung Fiedlers von diesen Aussagen seines Freundes, von dem er sich Empfehlungsschreiben ausstellen lässt, ist nicht bekannt.
Der Waldorf-Lehrer Fiedler verbreitet ähnliche antiisraelische Hassparolen wie Verleger. So bezeichnet er gemeinsam mit seinem Kompagnon Pohlmann ein israelisches Hochsicherheitsgefängnis, in dem Mörder, Attentäter und antisemitische Terroristen inhaftiert sind, als „israelisches Foltergefängnis“, in dem systematisch vergewaltigt werden würde, weswegen die beiden es auch das „israelische Guantanamo“ nennen. [7]
Israelische Sicherheitskräfte und Politiker, die die Bevölkerung vor antisemitischem Terror schützen, beschimpft Fiedler als „Psychopathen“. [8] Mit Pohlmann phantasiert er, dass der jüdische Staat mit seinen Geheimdiensten systematisch das Internet zu seinen Gunsten zensiere, eine konzertierte Beeinflussung von Wikipedia betreibe und das Internet mit proisraelischen Inhalten überflute: „Sie müssen das Internet beherrschen.“ [9] Und im Duett mit Ken Jebsen mutmaßt er, es sei doch „komisch“, dass eine Party für den „Wikipedianer des Jahres“ in Tel Aviv stattgefunden habe. [10] Wenig überraschend leugnet Fiedler andererseits die Bedrohung Israels durch das iranische Mullah-Regime.
Corona-Leugnung …
Seit dem Frühjahr nimmt der Verschwörungswahn Fiedlers noch größere Geschwindigkeit auf. In einer Art „Protokolle der Weisen von Zion reloaded“ halluziniert er die gesamte Corona-Krise zum Komplott – inszeniert von der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die als Drahtzieher in einem Netzwerk gemeinsam mit den Finanziers George Soros und Warren Buffet sowie der US-amerikanischen John-Hopkins-Universität und der Pharmaindustrie, die Anti-Corona-Politik der Bundesregierung und die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien bestimmen würden, um davon zu profitieren. [11]
Mit dem auf dem Logo der Kampagne „Gib Aids keine Chance“ basierenden Slogan „Gib Gates keine Chance setzt Fiedler den Microsoft-Gründer mit einer ansteckenden Krankheit gleich [12], während er die Corona-Pandemie selbst verharmlost. Der Waldorf-Lehrer wendet sich gegen die Maskenpflicht [13] und gegen Impfungen. [14] Menschen, die sich impfen lassen wollen, diffamiert er In sozialdarwinistischer Weise. [15]
Seine antiamerikanischen und antiisraelischen Phantasmen sowie seine aktuellen Mythen über die ‚Hintermänner‘ der Anti-Corona-Maßnahmen verbreitet er in enger Übereinstimmung mit dem bundesweit wohl bekanntesten Verschwörungsblogger und Jebsen. Fiedler rühmt sich, den Internet-Suchdienst Google gemeinsam mit seinem Anwalt per Gerichtsbeschluss dazu gezwungen zu haben, einen verschwörungstheoretischen Beitrag von Jebsen unter dem Titel „Corona-Diktatur“ wieder freizuschalten. [16] Eines von Jebsens Videos über die angeblichen Machenschaften der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung in der Corona-Krise lukrierte im Frühjahr innerhalb weniger Tage 5 Millionen Aufrufe.
Mittlerweile betätigt sich Fiedler auch selbst als Redner auf den Demos der Corona-Leugner, etwa am 22. August 2020 in Flensburg. Dort suggerierte er u. a. in geheimnistuerischer Wese, dass Bill Gates noch irgendetwas Dubioses vorhabe. [16]
… und Angst vor der Israel-Lobby
Die Amadeu-Antonio-Stiftung, die in Bildungsprogrammen über Antisemitismus, Rassismus und Verschwörungstheorien aufklärt und aktiv gegen Hate-Speech im Internet vorgeht, wird von Fiedler mit der Scientology-Sekte gleichgesetzt, während er versucht, Unterrichtsbesuche ihrer Mitarbeiter zu unterbinden. [18] Selbst die Bundeszentrale für politische Bildung bezeichnet der Lehrer als Organisation zur Meinungsmanipulation. [19]
Aktuell halluziniert er in seiner Anwaltspost, Freundinnen und Freunde Israels würden bundesweit eine konzertierte Kampagne zur Diskreditierung der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen führen. Dabei diskreditieren sich diese Demos durch die Verbreitung antisemitischer und verschwörungsideologischer Inhalte, durch die Nichteinhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen und durch die Beteiligung von Identitären, Reichsbürgern, Pegida- und AfD-Anhängern sowie Neonazis von selbst.
Die Waldorfschule hat bisher auf zwei Briefe der Deutsch-Israelischen Gesellschaft AG Oldenburg zur Verbreitung von Verschwörungsideologien durch ihren Lehrer nicht geantwortet.
UPDATE:
Inzwischen erreichte uns die Nachricht (inkl. dieser Information der Bundes der Freien Waldorfschulen:
https://www.waldorfschule.de/artikel/bund-der-freien-waldorfschulen-fuer-einen-faktenbasierten-diskurs-zur-covid-19-pandemie-an-schulen), dass der im Bericht genannte Lehrer nicht mehr an dieser Waldorfschule tätig sei. Dies lässt sich allerdings nicht verifizieren, und der Autor des Berichts weist darauf hin, dass die Schulleitung auf Anfragen seinerseits nicht reagierte und sich auch der Presse gegenüber nicht geäußert habe.
Anmerkungen:
[1] Vgl. im Internet: Geschichten aus Wikihausen 27, Hassrede im Internet – Zweierlei Ma(as)ß, 14.08.2019, Minute 46:40-49:30.
[2] Im Internet: Geschichten aus Wikihausen 38, Corona-Shutdown, Wikipedia als Propagandainstrument der Regierung, 02.04.2020, Minute 49:00
[3] Vgl. im Internet: Geschichten aus Wikihausen 26, Rufmordkampagnen in Wikipedia und anderen Medien gegen Uwe Steimle, 10.07.2019.
[4] Im Internet: Free21, Markus Fiedler, Der Niedergang der deutschen Leitmedien, 8.2.2018.
[5] Vgl. im Internet: www.deutschlandfunk.de. Antiisraelische Proteste. Wer hat uns das denn eingebrockt? 22.07.2014. Tobias Armbruster im Interview mit Rolf Verleger.
[6] Jüdische Allgemeine, 21.8.2014.
[7] Im Internet: Geschichten aus Wikihausen 8. Israelisches Foltergefängnis in Wikipedia schöngeschrieben, 24.12.2018, Minute 36:00.
[8] Im Internet: Geschichten aus Wikihausen 39, Corona-Shutdown – Umgang des Mainstreams mit den Alternativen Medien, 24.04.2020, Minute 13:45.
[9] Vgl. im Internet: Geschichten aus Wikihausen 4: Konzertierte Beeinflussung der Wikipedia durch Hasbara, ACT.il, Unit8200, Camera!, Minuten 3:50, 10:00 und 12:45.
[10] Vgl. ebd. Minute 19:00 und KenFM im Gespräch mit Markus Fiedler, 16.02.2017, Minute 1:41:52.
[11] Vgl. im Internet: Geschichten aus Wikihausen 38, ab Minute 1:21_00.
[12] Ständig eingeblendet in seiner Sendung Geschichten aus Wikihausen 40, Eingriffe in den politischen Meinungskampf durch den Staat, 20.05.2020.
[13] Vgl. im Internet auf YouTube, Markus Fiedler, Initiative für Grundrechte-Demo, 22.08.2020.
[14] Vgl. im Internet: Geschichten aus Wikihausen 41, Minute 56:50.
[15] Vgl. im Internet: Nuoviso.tv, HomeOffice # 29, 28.5.2020, Minuten 1:31:40- 1:33:15
[16] Vgl. im Internet: Geschichten aus Wikihausen 41.
[17] Vgl. Im Internet auf Youtube, Markus Fiedler, Initiative für Grundrechte-Demo-22.08.2020, Minute 18.30.
[18] Vgl. im Internet: Nuoviso.tv, Der Psiram-Faktor #BarCode mit Markus Fiedler, Bodo Schickedanz, Robert Stein, 28.06.2017. Minute 50:00.
[19] Vgl. im Internet: Geschichten aus Wikihausen 40, Minute 1:02:25.