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Waffenruhe mit der Hisbollah: Saure Gesichter in Israel, aber Hoffnung auf eine neue Ära

Hisbollah-Anhänger in Beirut feiern den Waffenstillstand mit Israel als Sieg ihrer Terrorgruppe
Hisbollah-Anhänger in Beirut feiern den Waffenstillstand mit Israel als Sieg ihrer Terrorgruppe (© Imago Images / SNA)

Die militärische Dezimierung der libanesischen Terrormiliz Hisbollah und die weitgehende Zerschlagung der Hamas als militärische Formation könnte eine neue Ära für Israel bedeuten.

Am 8. Oktober 2023, einen Tag nach dem Angriff der palästinensischen Terrormiliz Hamas aus dem Süden, hat die Hisbollah Israel aus dem Norden angegriffen. Dank der Waffenruhe mit der libanesischen Terrormiliz, die in der Nacht auf heute in Kraft getreten ist (und weil die Hamas als militärische Formation schon längst zerschlagen wurde), können die Menschen in Israel erstmals nach fast vierzehn Monaten damit rechnen, einen Tag ohne Raketenalarm zu erleben.

Die israelischen Soldaten, die seit dem 1. Oktober auf der Suche nach Raketenwerfern, Waffenlagern und Tunnels in südlibanesischen Dörfern ihr Leben riskieren, werden heimkehren können. Und trotzdem gibt es in Israel jetzt keine Jubelstimmung, sondern eher saure Gesichter.

Skeptisch angesichts der sich abzeichnenden Waffenruhe hatten sich schon im Vorfeld große Teile der Opposition gezeigt, wobei Premier Benjamin Netanjahu fast paradoxerweise »von links« vorgeworfen wurde, er sei nicht aggressiv genug.

Israel dürfe »keine halbe Arbeit machen« und müsse »die Gelegenheit nützen, die Situation im Libanon zu verändern«, hatte etwa der Zentrumspolitiker Benny Gantz gefordert und sogar empfohlen, durch Angriffe nicht bloß auf Hisbollah-Einrichtungen, sondern auch auf staatliche libanesische Infrastruktur den Druck zu erhöhen. Laut Yair Golan, dem Chef der kleinen Linkspartei Die Demokraten, hat Israel nur ein »mittelmäßiges Abkommen« herausgeholt.

 Am lautesten ist die Kritik jener, von denen man annehmen würde, dass sie das dringendste Interesse an einer Waffenruhe haben müssten: die Bewohner jener grenznahen Ortschaften und Städtchen wie Kirjat Schmona oder Manara, die unter Dauerbeschuss lagen, aus denen Zehntausende Menschen fliehen mussten und wo Tausende Gebäude beschädigt oder zerstört wurden. Das Abkommen sei eine »Kapitulation Israels«, riefen sie wütend bei einer Demonstration in Tel Aviv, der Krieg müsse fortgesetzt werden, bis die Hisbollah ausgeschaltet sei. David Asulai, Bürgermeister von Israels nördlichster Gemeinde Metulla, sprach von einem »beschämenden Abkommen«, die Sicherheitsgarantien seien nicht ausreichend, um den Vertriebenen die Heimkehr zu ermöglichen: »Was am 7. Oktober im Süden passiert ist, wird jetzt hier passieren.«

Israel will sich auf sich selbst verlassen

Das Argument, dass das alles schon einmal da war und nicht funktioniert hat, hat in der Tat einiges Gewicht. Der sogenannte Zweite Libanonkrieg zwischen Israel und der Hisbollah im Sommer 2006 war durch eine Waffenruhe beendet worden, die gar in einem Beschluss des hehren UN-Sicherheitsrats festgeschrieben war. Der Grundgedanke der berühmt-berüchtigten Resolution 1701 war, dass sich im Südlibanon keine bewaffneten Hisbollah-Verbände aufhalten dürfen (und langfristig die Hisbollah im ganzen Libanon entwaffnet werden soll).

Durchsetzen und kontrollieren sollten das die reguläre Armee des Staates Libanon sowie die UNO-Truppe UNIFIL. Doch die libanesische Armee und die UNIFIL sind eine traurige Farce. Die Hisbollah hat in der Folge gemütlich und systematisch vor der Nase der »Kontrolleure« (und auch im Blickfeld der israelischen Grenzdörfer) geschätzt 150.000 Raketen positioniert und die vermutlich stärkste nichtstaatliche Armee der Welt aufgebaut.

Die jetzige Vereinbarung sieht aus wie eine Neuauflage von Resolution 1701. Wieder heißt es, die Hisbollah würde aus dem Südlibanon verschwinden und die reguläre Armee ihren Platz einnehmen. Wieder soll die UNIFIL dabei zuschauen.

Und doch soll aktuell alles anders werden, denn bei der Durchsetzung des Arrangements will und kann Israel sich jetzt auf sich selbst verlassen. Mehr oder weniger ausdrücklich ist vorgesehen, dass Israel sofort reagieren wird, wenn es eine Verletzung der Waffenruhe wahrnimmt. Gegen eine unmittelbare Bedrohung – etwa den Vorstoß eines Hisbollah-Kommandos, die Einleitung eines Raketenabschusses, aber auch einen Waffentransport – soll Israel eigenmächtig auf libanesischem Territorium militärisch eingreifen dürfen. Bei einer mittelbaren Bedrohung, die nicht augenblicklich vereitelt werden müsste, etwa beim Bau eines Tunnels, würde Israel zuerst bei einer internationalen Kommission, in der unter anderen die USA und Frankreich vertreten sein sollen, Beschwerde erheben und nötigenfalls erst danach eingreifen.

Grundsätzliche Änderung

Ob das in der Praxis funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Jetzt schon beginnen Libanesen, die aus den Dörfern im Süden geflohen sind, in ihre Häuser zurückzukehren – wie will Israel wissen, ob da nicht schon wieder Hisbollah-Terroristen darunter sind? Und wenn einmal längere Zeit Ruhe geherrscht hat, wird es den Israelis nicht so leichtfallen, wieder auf Knopfdruck einen militärischen Angriff zu starten.

Und doch besteht die Hoffnung, dass sich in der Region grundsätzlich etwas verändert hat. Die Lehre, die Israel aus dem 7. Oktober gezogen hat, bedeutet, dass unmittelbar an seinen Grenzen keine Terror-Armeen mehr aufgestellt werden, während die Israelis um der lieben Ruhe willen stillhalten.

Wie im Westjordanland und im syrischen Luftraum wird Israel jetzt auch im Libanon und im Gazastreifen mit weniger Bedenken und mit größerer Berechtigung als bisher gegen Bedrohungen militärisch vorgehen. Vielleicht ist die Zeit von Hisbollah und Hamas überhaupt abgelaufen, denn in ihrer Welt bedeutet militärische Schwächung auch ideologische Schwächung. Besonders im Libanon, aber auch im Gazastreifen begreift man und spricht es auch aus, dass die Terrorgruppen den Menschen nur Tod und Zerstörung gebracht haben.

Das bedeutet zugleich auch, dass die Karten in der Konfrontation mit dem Iran neu verteilt werden. Mit der wahrscheinlich entscheidenden Schwächung von Hisbollah und Hamas hat der Iran die Verbündeten, die er für den Fall eines großen Kriegs gegen Israel aufgebaut hat, verloren. Ein Hinweis: Schon seit dem 26. Oktober warten wir auf den Vergeltungsschlag für den letzten israelischen Angriff auf den Iran. Wohl vergeblich, denn die Waffenruhe im Libanon dürfte den Mullahs die letzte Lust zu diesem Vergeltungsschlag genommen haben.

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