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UN fordert Untersuchung nach Fund von Dutzenden Leichen in libyschen Haftanstalten

In Libyen kam es nach Auseinandersetzungen zwischen Milizen und Protesten zu Leichenfunden in Haftanstalten
In Libyen kam es nach Auseinandersetzungen zwischen Milizen und Protesten zu Leichenfunden in Haftanstalten (© Imago Images / Anadolu Agency)

Nachdem in von libyschen Milizen betriebenen Haftanstalten in der Hauptstadt Tripolis Dutzende Leichen und Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen gefunden wurden, fordern die Vereinten Nationen eine unabhängige Untersuchung.

Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk berichtete am Mittwoch, er sei schockiert über die Enthüllungen bezüglich schwerer Menschenrechtsverletzungen durch die Miliz Stabilization Support Apparatus (SSA) in ihren Gefängnissen. Türk verlangte die sofortige Abriegelung jener Orte forderte die libyschen Behörden auf, »unverzügliche, unabhängige, unparteiische und transparente Untersuchungen« durchzuführen.

Die 2021 gegründete SSA ist eine Dachorganisation von Milizen, die im Westen Libyens eine wichtige Rolle spielt und bereits zuvor wegen Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen während der gewalttätigen Unruhen in Libyen seit dem Sturz des Regimes von Muammar al-Gaddafi vor mehr als einem Jahrzehnt angeklagt wurde. »Die Entdeckungen bestätigen die langjährigen Erkenntnisse der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) und der ehemaligen unabhängigen Untersuchungsmission der Vereinten Nationen hinsichtlich der Existenz solcher Stätten und des Ausmaßes der damit verbundenen Verstöße, darunter Folter und Verschleppungen«, so Türk.

Berichte, die seinem Büro zwischen dem 18. und 21. Mai zugegangen sind, beschreiben die Ausgrabung von zehn verkohlten Leichen im SSA-Hauptquartier im Stadtteil Abu Salim in Tripolis. Weitere 67 Leichen wurden in Kühlschränken in den Krankenhäusern Abu Salim und Al Khadra in der Hauptstadt entdeckt, wobei einige der Überreste aufgrund von Stromausfällen bereits in fortgeschrittenem Verwesungszustand waren. Berichten zufolge wurde auch eine Begräbnisstätte im Zoo von Tripolis entdeckt, der unter Kontrolle der SSA steht. Die Identität der Opfer ist weiterhin unklar. Neben den Leichen wurden »mutmaßliche Folter- und Misshandlungsinstrumente sowie mögliche Beweise für außergerichtliche Tötungen« gefunden. Unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigen sich.«

Zugang gefordert

Der UNO-Beamte betonte, dass die Sicherung der Beweise von entscheidender Bedeutung sei. »Diese Orte müssen versiegelt und alle potenziellen Beweise gesichert werden, um sofortige Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Die Verantwortlichen für diese grausamen Taten müssen unverzüglich und im Einklang mit internationalen Standards vor Gericht gestellt werden.« Besorgt sei er darüber, dass die libyschen Gerichtsmedizinbehörden, die mit der Exhumierung und Identifizierung beauftragt sind, noch keinen Zugang zu den Orten erhalten haben. Türk forderte nicht nur einen uneingeschränkten und ungehinderten Zugang für die libyschen Behörden, sondern auch für die UNO, um Verstöße im Rahmen ihres Mandats dokumentieren zu können.

Der Hohe Kommissar verurteilte die Verbreitung »erschreckender Bilder und Videoaufnahmen« von den infrage stehenden Orten in den sozialen Medien und betonte, dass »die Würde und Privatsphäre der Opfer und die Rechte ihrer Familien respektiert werden müssen«.

Die grausamen Entdeckungen folgen auf die Ermordung des SSA-Führers Abdulghani Kikli im Mai und darauffolgende Zusammenstöße zwischen staatlichen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen. Diese Auseinandersetzungen lösten Proteste aus, bei denen ein Ende der Gewalt in Tripolis gefordert wurde. Türk wies darauf hin, dass die Proteste Berichten zufolge mit unnötiger Gewalt niedergeschlagen wurden, was zum Tod von Zivilisten und Polizisten sowie zu Sachschäden, darunter auch an Krankenhäusern, führte. Dies gibt Anlass zu »ernsthafter Besorgnis hinsichtlich der Gewährleistung der Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit sowie der Notwendigkeit, den zivilen Raum zu schützen«.

Libyen befindet sich seit dem Sturz des langjährigen Diktators Gaddafi im Jahr 2011 in einer politischen Krise, die zur Verbreitung bewaffneter Gruppen im ganzen Land geführt hat. Obwohl ein Waffenstillstandsabkommen im Oktober 2020 vorübergehend Entspannung brachte, bleibt das Land gespalten, wobei verschiedene rivalisierende bewaffnete Organisationen versuchen, die Kontrolle über die Hauptstadt zu erlangen.

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