Über ein paar erfreulich und ein paar weniger erfreuliche Aspekte der jüngsten Diskussionen und Entwicklungen zum linken Antisemitismus in Wien.
So sehr mich in der Antisemitismusdiskussion generell und besonders nach dem Hamas-Pogrom des 7. Oktober 2023 häufig die »Ja, aber-Solidarität« mancher Linker nervt, umso mehr sind mir in der jüngsten Zeit auch erfreuliche Dinge aufgefallen. Gegen den am 7. März stattgefundenen Akademikerball der FPÖ bzw. deutschnationalen Burschenschaften gab es heuer gleich zwei Demonstrationen: die der »Offensive gegen rechts« und jene des »Antifaschistischen Bündnis Ballhausplatz«.
Letztere war eine Reaktion darauf, dass bei der »Offensive gegen rechts« auch Gruppen vertreten waren, die für linken Antisemitismus stehen als auch für Aufrufe zur Vernichtung Israels zu einer neuen »Intifada«. Berührungsängste, gemeinsam mit Islamisten zu demonstrieren, gab es bei dieser Art von »Antifaschisten« in der Vergangenheit nicht.
Besonders unerfreulich ist in der Tat die Teilnahme der SPÖ-Organisationen Falken, Sozialistische Jugend und Verband sozialistischer Student_innen an der »Offensive gegen rechts«, wo sie gemeinsam mit den stramm antizionistischen Fraktionen der Kommunistischen Partei wie dem Kommunistischen Studentenverband, den Trotzkisten von »Der Funke« und den antiisraelischen Judeobolschewiener*innen aufmarschierten. Es sei erwähnt, dass sich die SPÖ schon mehrmals mit der »Entrismus« genannten strukturellen Unterwanderung der Sozialistischen Jugend durch die Organisation »Der Funke« beschäftigen musste und es deswegen auch schon zu Parteiausschlüssen kam.
Bereits im vergangenen Jahr hatten zahlreiche Einzelpersonen und Organisationen, die mit derartigen Gruppen nichts zu tun haben wollen, die Demonstration gegen den Akademikerball gemieden. In der deswegen heuer extra organsierten Alternativdemonstration des »Antifaschistischen Bündnis Ballhausplatz« mit dem Slogan »Gegen jeden Antisemitismus« fand sich unter anderen auch der Kommunistische Studentenverband/Linke Liste, der im Gegensatz zum nahezu gleichlautenden oben genannten Kommunistischen Studentenverband solidarisch mit Israel ist. Also gibt es aus der Wiener Linken einmal etwas Erfreuliches zu berichten.
Gestiegene Einsicht
Letzte Woche wurde dann das Jüdische Filmfestival Wien (JFW) eröffnet. In der Vergangenheit zeigte es Filme wie den Terrorismus verherrlichenden Streifen Paradise Now und deckte Kritiker mit Klagsdrohungen ein. Mit den Jahren stieg die Einsicht, und heuer stellte der französische Soziologe Michel Wieviorka in seinem Eröffnungsvortrag fest, wann sich hinter dem Antizionismus der Antisemitismus verbirgt: etwa, wenn jemand die Verbrechen der Hamas, vor allem jene vom 7. Oktober 2023, leugnet oder das Bestehen des Staates Israel ablehnt. Denn, so Wieviorka, viele Staaten würden kritisiert, häufig zu Recht, so auch Israel – doch nur bei diesem Staat mündet die Kritik oft in eine Verneinung seiner Existenz.
Auch dies sind erfreuliche Worte, wenngleich ich den heutigen politischen Antizionismus ohne Wenn und Aber als Antisemitismus charakterisieren würde, das wäre aber ein eigenes Thema.
Eine ebenfalls kürzlich stattgefundene Pressekonferenz einer »Wiener Antizionistischen Initiative« sollte ich eigentlich ignorieren, weil ich auch sonst nichts darüber in den Medien gelesen habe. Denn als Personen sind die beteiligten Juden meist unwichtig und ihre Bedeutung erlangen sie nur, weil man sie als jüdische Kronzeugen verwenden kann. Ich sage »verwenden«, weil nicht einmal alle von ihnen jüdisch sind.
Eine davon ist »echt« und die Tochter eines guten Freundes und jahrelangen Aktivisten gegen Antisemitismus, was mir persönlich wirklich leidtut. Ein anderer beruft sich auf jüdische Vorfahren, die sich nicht wehren können, und musste unlängst sogar seine Funktion im kommunistischen KZ-Verband abgeben, weil sogar diesem seine antiisraelische Hetze zu viel wurde. Auch dies ist eine gute Nachricht, mit der sich zugleich der Kreis schließt: es gibt auch in der Linken Anständige und Unanständige.