Die Spannungen zwischen Somalia und Äthiopien haben die Lage am Horn von Afrika verkompliziert. Die Türkei bemüht sich um eine Schlichtung des Konflikts.
Zwei Verhandlungsrunden zwischen Äthiopien und Somalia sind bisher gescheitert und die dritte, für letzte Woche angesetzt, wurde abgesagt. Ankara will nun Treffen mit jeder Partei abhalten, um die Gespräche voranzutreiben. So erklärte der türkische Außenminister Hakan Fidan vor einigen Tagen, Ankara wolle separate Gespräche mit Somalia und Äthiopien führen, um den Konflikt über ein Abkommen beizulegen, das Äthiopien mit der abtrünnigen somalischen Region Somaliland geschlossen hatte.
Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern verschlechterten sich im Januar, als Äthiopien erklärte, zwanzig Kilometer eines Küstenstreifens in Somaliland zu pachten und im Gegenzug die Unabhängigkeit der Separatisten von Somalia anzuerkennen. Mogadischu bezeichnete das Abkommen als illegal und reagierte mit der Ausweisung tausender äthiopischer Soldaten, die im Rahmen einer afrikanischen Friedensmission zur Bekämpfung islamistischer Kämpfer in Somalia stationiert waren.
Fidan erklärte nun, dass Ankara mit Somalia und Äthiopien auf Minister- und Präsidentenebene kommuniziere und er optimistisch sei, dass eine Lösung gefunden werden könne, da sich die beiden Seiten während der beiden letzten Runden ein wenig angenähert hätten. »Anstatt die beiden Seiten zu direkten Gesprächen hierher zu bringen, haben wir das Ziel, einen direkten Kontakt mit jedem Land herzustellen, um ihre Positionen einander anzunähern und sie dann später zusammenzubringen, wenn ihre Ideen einen gemeinsamen Punkt erreicht haben«, schilderte der Außenminister die türkische Strategie und fügte hinzu, dass aus den ersten beiden Gesprächsrunden dementsprechend Lehren gezogen werden könnten.
Warum vermittelt Ankara?
Die saudische Zeitung Asharq Al-Awsat zitierte Beobachter der Gespräche mit den Worten, die Eile der Türkei, den somalisch-äthiopischen Konflikt durch ein Abkommen zu beenden, das Äthiopien den Zugang zum Roten Meer garantiert, ohne die Einheit und Souveränität Somalias zu gefährden, auf ihre eigenen Interessen in Bezug auf den somalischen Energiesektor zurückzuführen sei. Darüber hinaus gehört Somalia zu jenen Ländern, in welche die Türkei seit 2011 die größten Ressourcen an politischem, wirtschaftlichem und militärischem Kapital investiert hat.
Aber auch zu Äthiopien unterhält Ankara enge Beziehungen, etwa im militärischen Bereich. So wurde 2013 ein Kooperationsabkommen für die Verteidigungsindustrie und im August 2021 während des Besuchs des äthiopischen Premierministers Abiy Ahmed in Ankara weitere finanzielle und militärische Rahmenabkommen unterzeichnet.
In diesem Zusammenhang ist der auf türkische Angelegenheiten spezialisierte Mahmoud Alloush der Ansicht, die türkische Vermittlung ziele darauf ab, die Beziehungen Ankaras zu Somalia und Äthiopien zu stärken und die Präsenz der Türkei am Horn von Afrika zu festigen: »Trotz der strategischen Partnerschaft, welche die Türkei mit Somalia verbindet, legt Ankara großen Wert darauf, auch seine Beziehungen zu Äthiopien in verschiedenen Bereichen aufrechtzuerhalten und auszubauen.«
Äthiopien gelte als aufstrebende Regionalmacht, und der Aufbau einer Partnerschaft würde der Türkei dabei behilflich sein, ihre Präsenz auf dem afrikanischen Kontinent zu verstärken. »Daher versucht Ankara, ein Gleichgewicht zwischen der Stärkung seiner Präsenz am Horn von Afrika und der Verwirklichung der Interessen Somalias und Äthiopiens zu finden.«
Vermittlung erfolgreich?
Laut Mohamed Adam, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im somalischen Parlament, hängt die türkische Vermittlung bei den Verhandlungen zwischen Somalia und Äthiopien von mehreren Punkten ab: »Erstens von der Beendigung der Eskalation, um eine gemeinsame Verhandlungsgrundlage zu schaffen; zweitens von der Verpflichtung beider Seiten zu einer diplomatischen Lösung zur Beendigung der Krise; drittens von der Beseitigung der Bedenken Somalias hinsichtlich seiner Souveränität und territorialen Integrität und viertens von der Gewährung des Meerzugangs für Äthiopien, der jedoch nicht durch das Gebiet von Somaliland führt.«
Adam meint, speziell Somalia setze auf den Erfolg der türkischen Vermittlung zur Beendigung der Krise. Da Somalia in dieser Frage nicht der Aggressor sei, setze es »sich weiterhin für eine diplomatische Lösung und die Gewährleistung der Stabilität in der Region ein, die keine weiteren Spannungen vertragen kann«.