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Kurz vor Türkei-Wahlen: Massenverhaftung kurdischer Oppositioneller

Demonstration in Diyarbakir gegen die Massenverhaftungen kurdischer Aktivisten und Oppositioneller
Demonstration in Diyarbakir gegen die Massenverhaftungen kurdischer Aktivisten und Oppositoineller (© Imago Images / Sipa USA)

Bei den kommenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen drohen Erdogan und der regierenden AKP eine veritable Niederlage, die der Präsident mit der Verhaftung seiner – nicht zuletzt kurdischen – Gegner aufzuhalten versucht.

Knapp drei Wochen vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen hat die türkische Polizei am frühen Dienstagmorgen bei Razzien über hundert pro-kurdische Anwälte, Journalisten, Aktivisten und Politiker festgenommen, darunter auch einen hochrangigen Vertreter der Demokratischen Volkspartei (HDP). Wie die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu Agency berichtete, fand die Operation in der kurdischen Stadt Diyarbakir (Amed) und in zwanzig weiteren Provinzen statt und führte zur Verhaftung von mindestens 160 Personen wegen angeblicher Verbindungen zur Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Der HDP-Abgeordnete im türkischen Parlament, Tayip Temel, machte die Verhaftungen öffentlich und erklärte, dass es sich dabei um einen Versuch der türkischen Machthaber, vor den Wahlen im Mai ihre Macht zu sichern, handelt. Temel sagte, bei den Razzien seien Journalisten, Künstler, Anwälte und Mitglieder der pro-kurdischen Partei verhaftet worden.  

In einer Erklärung verurteilte die HDP die Verhaftungen und bezeichnete das Vorgehen der Sicherheitskräfte als »Operation, um die Wahlurnen und den Willen des Volkes zu stehlen«. Die Regierungskoalition aus Erdogans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) und der Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), »die am Rande der größten Wahlniederlage ihrer Geschichte steht, fährt fort, unsere Partei, Nichtregierungsorganisationen, soziale Gruppen und die Opposition anzugreifen, um Angst und Panik zu schüren«, heißt es in dem Kommentar weiter.

Laut HDP seien der stellvertretende Ko-Vorsitzende der Partei, Özlem Gunduz, und das Mitglied des Zentralen Exekutivausschusses, Mahvuz Guleryuz, unter den Verhafteten. Sie bezeichnete die Operation der Sicherheitskräfte als »Putschversuch« gegen die Wahlen und rief die Bevölkerung auf, gegen die Verhaftungen zu protestieren und sich zu Wehr zu setzen. 

Die stellvertretende Direktorin von Human Rights Watch in Europa und Zentralasien, Emma Sinclair-Webb, bezeichnete die Verhaftungswelle als »Machtmissbrauch und Einschüchterungstaktik«.

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Nicht das erste Mal

Es ist nicht das erste Mal, dass HDP-Mitglieder und -Sympathisanten von solchen Razzien betroffen sind. Im Jahr 2020 erließen die türkischen Behörden Haftbefehle gegen 82 Personen, darunter HDP-Funktionäre, ehemalige Parlamentsabgeordnete und einen Bürgermeister, im Zusammenhang mit den Protesten, die im Jahr 2014 während der Angriffe des Islamischen Staates auf die Stadt Rojava im Nordosten Syriens stattfanden. Im November 2016 wurde der stellvertretende HDP-Vorsitzende Selahattin Demirtas festgenommen und sitzt seitdem in Haft.

Die HDP selbst ist von der Auflösung bedroht, da die türkische Staatsanwaltschaft vor dem Verfassungsgericht ein Verfahren gegen die Partei wegen ihrer angeblichen Verbindungen zur PKK eingeleitet hat. Die HDP weigerte sich, bei der Anhörung am 11. April eine Verteidigung zu übernehmen.

Die türkischen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen sollen am 14. Mai stattfinden, wobei ein Regierungswechsel zwei Jahrzehnte nach der Machtübernahme durch die regierende AKP so nahe scheint wie nie zuvor. Die HDP tritt bei den Wahlen als Partei der Grünen Linken (Yesil Sol) an und wird als entscheidender Faktor angesehen. Sie hat auf die Aufstellung eines eigenen Präsidentschaftskandidaten verzichtet und hat ihre Unterstützung für den für die Opposition ins Rennen gehenden Kemal Kilicdaroglu zum Ausdruck gebracht, um den derzeitigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan abzuwählen.

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