Trumps Desaster, aber Biden hatte in Afghanistan noch Optionen

Das Desaster in Afghanistan haben beide, Trump und Biden, zu verantworten. (© imago images/UPI Photo)
Das Desaster in Afghanistan haben beide, Trump und Biden, zu verantworten. (© imago images/UPI Photo)

Trump hat die USA zum Rückzug aus Afghanistan verpflichtet, aber Biden hätte es in der Hand gehabt, das augenblickliche Desaster abzuwenden.

Frederick W. Kagan, The New York Times

Eine katastrophale Machtübernahme durch die Taliban war nicht unvermeidlich. Präsident Biden hat gesagt, dass ihm angesichts des schrecklichen Friedensabkommens, das zwischen der Trump-Regierung und den Taliban ausgehandelt wurde, die Hände gebunden waren. Aber es gab immer noch einen Weg, die amerikanischen Truppen abzuziehen und gleichzeitig unseren afghanischen Partnern eine bessere Chance zu geben, die Errungenschaften, die wir in den letzten zwei Jahrzehnten mit ihnen erreicht haben, zu erhalten.

Biden hat sich anders entschieden. Die Art und Weise, wie er den Abzug der amerikanischen Truppen ankündigte – zu Beginn der Kampfsaison, im Eiltempo und ohne angemessene Abstimmung mit der afghanischen Regierung – hat uns teilweise in die gegenwärtige Lage gebracht.

Vernünftige Menschen können unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob es klug wäre, die amerikanischen Streitkräfte auf unbestimmte Zeit in Afghanistan zu belassen, selbst bei einer sehr geringen Truppenstärke. Ich und andere haben argumentiert, dass die Investition, einschließlich des Risikos für das amerikanische Personal, es wert ist, um zu verhindern, dass militante Gruppen das Land erneut überrennen. (…)

Wie die US-Militärplaner gut wissen, verläuft der Krieg in Afghanistan nach einem saisonalen Muster. Jeden Winter zieht sich die Taliban-Führung in Stützpunkte zurück, die sich größtenteils in Pakistan befinden. Im Frühjahr beginnt dann die Kampfsaison der Gruppe, die im Sommer nach der Mohnernte in vollem Gange ist. Zumindest hätten die Vereinigten Staaten die Afghanen in dieser Zeit weiter unterstützen sollen, um ihnen zu helfen, die jüngste Offensive der Taliban abzuwehren und Zeit zu gewinnen, um für eine Zukunft ohne amerikanische Militärhilfe zu planen.

Amerikanische Diplomaten hätten diese Zeit nutzen können, um über den Zugang zu regionalen Stützpunkten zu verhandeln, von denen aus die Terrorismusbekämpfung fortgesetzt werden hätte können. Gleichzeitig hätte das amerikanische Militär für den Fall eines Scheiterns dieser Verhandlungen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein müssen. (…)

Bei einem umsichtigeren Vorgehen hätte Biden neben einem längeren Zeitplan zwei Dinge in Kauf nehmen müssen: die vorübergehende Entsendung zusätzlicher US-Truppen und das leicht erhöhte Risiko amerikanischer Opfer.

Die Entsendung zusätzlicher Truppen nach Afghanistan hätte es den Vereinigten Staaten ermöglicht, den Abzug sicher durchzuführen, ohne die militärische Unterstützung ernsthaft zu unterbrechen. Als der Präsident den Abzug anordnete, befanden sich etwa 3.500 US-Soldaten in Afghanistan. Tausend oder 2.000 zusätzliche Soldaten, die für weniger als ein Jahr eingesetzt werden, hätten einen bedeutenden Unterschied ausmachen können. (…)

Offensichtlich ist Biden nicht so vorgegangen. Stattdessen ordnete er einen überstürzten Rückzug des Militärs an, gerade als die Taliban-Offensive in ihre Hauptphase eintrat. (…)

Ja, Trump hat die Regierung Biden mit einem Friedensabkommen, das den Abzug der US-Truppen bis zum 1. Mai vorsah, in die Enge getrieben. Dennoch hat Biden diese Frist überzogen, so dass es für die Regierung nicht schwer gewesen wäre, einen etwas längeren Zeitplan mit einigen zusätzlichen Truppen zu akzeptieren, um einen geordneten und sicheren Abzug zu ermöglichen, auch wenn dies theoretisch gegen das Friedensabkommen verstoßen hätte. (…)

Wenn Amerikas Verbündete im Stich gelassen werden, werden sich potenzielle Partner zweimal überlegen, ob sie ihre Unterstützung in künftigen Konflikten anbieten.

Sie wissen, dass eine globale Führungsmacht so nicht handelt. Und, was am wichtigsten ist, wir wissen es auch.

(Aus dem Gastkommentar „Biden Could Have Stopped the Taliban. He Chose Not To“, der in der New York Times veröffentlicht wurde. Frederick W. Kagan war Professor für Militärgeschichte an der US-Militärakademie West Point. Übersetzung von Florian Markl.)

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